Eine Frau steht am Ufer des Forggensees im Allgäu
Absolut seenswert!

Wo schon der „Kini“ zum Baden ging? In der Gegend rund um Füssen, einer der malerischsten Seenlandschaften in Bayern. Unterwegs zu den schönsten Plätzen für Surfer und Segler – und zu mystischen Orten mit Sagen und Legenden

Lesezeit: 15 Minuten

Seen im Allgäu: Baden, Radeln, Surfen, Segeln und mehr

Weit hinter dem See verhüllt sich der Säuling in dunklen Wolken. Gut möglich, dass sie vergangene Nacht auch diesmal wieder zum Walpurgistag machten. Dass es dort oben nach der wilden Nacht noch immer munter zugeht. Schließlich erzählt die alte Sage, dass Hexen und Dämonen das Gipfelplateau des Bergs gern als Tanzboden nutzen.

Die Vorstellung passt ganz gut in die mystische Stimmung an diesem frischen Sommermorgen und zu dieser wundervollen Aussicht von der Anhöhe der Burgruine Hopfen, der ältesten Steinburg im Allgäu.

Der Blick reicht von den Ammergauer Alpen bis hinüber zu den Tannheimer Bergen. Dazwischen sanfte Hügel, grüne Matten, ganz hinten passend zu der verwunschenen Atmosphäre Neuschwanstein, das Märchenschloss. Und mittendrin im Breitwandpanorama erstreckt sich vorne der Hopfensee, der zu dieser frühen Uhrzeit in seiner unaufgeregt gnädigen Stille zwei wackligen Stand-up-Paddlern die Querung mächtig erleichtert.

Blick von der Burgruine Hopfen auf den Hopfensee bei Füssen im Allgäu

Hopfensee: Surfen und segeln an der Schwäbischen Riviera

Schwäbische Riviera, so nennt man den Hopfensee im Allgäu auch, der für einige Einheimische und Urlauber mit seinen Möglichkeiten zum Segeln, Surfen und Baden das allerschönste Gewässer der Umgebung ist.

Manche haben aber andere Favoriten unter den großen Seen und den kleinen Weihern, die nicht nur die Landschaft rund um Füssen prägen, sondern auch die dort lebenden Menschen.

„Schwäbische Riviera so nennt man den Hopfensee im Allgäu auch“

Auf Spurensuche durchs Füssener Seenland begibt man sich am besten mit dem Fahrrad und am bequemsten mit dem Elektroradl von einer der vielen Bike-Vermietungen. Für Wanderungen sind die Distanzen teilweise zu groß, für Autos ist die Zufahrt zu den schönsten Abschnitten und Passagen erfreulicherweise gesperrt.

Auf der ersten Etappe geht es entlang des Westufers des Hopfensees in Richtung Weißensee. Das Strandbad dort ist einer der beliebtesten Badeplätze im Sommer, der Kiosk lädt zur Kaffeepause. Und wer sich den Sprung ins Wasser mit einem schönen Spaziergang davor verdienen möchte, kann den Weißensee auf seinem Uferweg umrunden: ein sechs Kilometer langes Flachstück. Eine sehr entspannte Tour!

Morgenstimmung am Weißensee im Allgäu

Noch schneller ist man einmal um den Alatsee herum, das nächste Ziel, direkt südlich vom Weißensee. So kurz der Rundweg mit seinen eineinhalb Kilometern ist, so lang ist die Reihe von Sagen und Legenden, die sich um das Wasser ranken. Von fiesen Fabelwesen, die arglose Wanderer in den See hineinziehen, bis zu den riesigen Geld- und Goldmengen, die kurz vor Kriegsende 1945 vom Geheimversteck aus Neuschwanstein angeblich hier versenkt wurden, um sie vor dem Zugriff der Alliierten zu schützen.

Eine Geschichte, die auch die Autoren Volker Klüpfl und Michael Kobr zu ihrem kultigen Kluftigerkrimi „Seegrund“ inspirierte. Die Suche nach dem Schatz vom Alatsee blieb bisher freilich vergeblich.

Radfahrer am Alatsee im Allgäu

Am Weg neben dem einzigen Abfluss des Sees entlang, dem Faulenbach, geht es hinunter nach Füssen. Auf eine Begegnung mit Robert Wilhelm, dem Künstler und Maler.

Zu Robert Wilhelm findet man am Südufer des Lechs, bald nach dem Lechfall im Magnuspark. Der Weg leitet Besucher auf ein Areal voll mit altem Industrialisierungs-Charme: Bis ins frühe 20. Jahrhundert war die „Mechanische Seilerwarenfabrik“ eine Hochburg für Hanfspinnerei und Bindfadenproduktion in Deutschland.

Stumme Zeugen jener Zeit sind noch die verrosteten Großmaschinen auf einem düsteren Flur, durch den man sich der Kreativwerkstatt von Robert Wilhelm nähert. Einen Wegweiser braucht es nicht, die Luft riecht nach Farbe und Lack – also immer der Nase nach!

Der Künstler und die Farben: Ein Gefühl wie in der Karibik

Robert sitzt in seinem Atelier auf einem Hocker, hinter ihm einige seiner großflächigen bunten Malereien, stilistisch zwischen Comic, Pop-Art und Graffiti. Auf dem Boden Schablonen und Spraydosen. Vor gut 20 Jahren kam er aus Heidelberg zum Zivildienst nach Füssen. Er wollte nahe an den Bergen sein, im Winter snowboarden, das war seine große Leidenschaft.

„Aber am allergeilsten ist der Alpsee. Der feine Sand am Einstieg, dazu die üppigen Farben – das gibt einem das Gefühl wie in der Karibik“

Den Sommer, sagt er, hatte er damals nicht auf dem Schirm. Den Reiz des Wassers entdeckte er erst, als er schon hier lebte. „Im Lech flussabwärts treiben, im Bergbach in die Gumpen zu springen, das liebe ich“, sagt Robert. „Aber am allergeilsten ist der Alpsee. Der feine Sand am Einstieg, dazu die üppigen Farben – das gibt einem das Gefühl wie in der Karibik.“

Dieses Gefühl hatte möglicherweise einst auch Ludwig II., der Kini, der als Tonfigur auf einem Fensterbrett von Roberts Ateliers steht und der damals als Kind im Alpsee planschte. Er hatte ja nicht weit. Das Ostufer liegt schließlich direkt unterhalb des Schlosses Hohenschwangau, das Ludwigs Vater Max II. mit seiner Familie immer als Sommerresidenz bezog.

Laut Überlieferung zog der 15-jährige Ludwig 1861 mit eigenen Händen einen vier Kilo schweren Hecht an Land, ein Ereignis, das er gleich seinem Großvater Ludwig I. in einem Brief mitteilte.

Künstler Robert Wilhelm in seinem Atelier mit Kunstwerken im Stil von Comic, Pop-Art und Graffiti

Als König machte Ludwig den Alpsee zur Freilichtbühne für gewaltige Wagner-Inszenierungen. 1865 ließ er die Ankunft des Schwanenritters aus Lohengrin dort aufführen, prächtig illuminiert mit elektrischem Licht, untermalt von der original Opernmusik durch ein großes Orchester.

Mag der Kini für manche nur ein Spinner gewesen sein, für Robert Wilhelm war Ludwig II. auch ein Künstler, ein Visionär. „Ohne ihn wäre Füssen heute vermutlich eine unbedeutende Stadt“, sagt er.

Ohne Ludwig hätte Robert zusammen mit dem Fotografen Simon Toplak wohl auch nicht die Ankunftshalle des Füssener Bahnhofs so gestaltet. Mit einem bunten Wandgemälde in Lentikulartechnik, einem Wackelbild also, das je nach Standpunkt und Blickwinkel unterschiedliche Motive zeigt. Nur der Kini verschwindet eben nie.

Segelboot auf dem Forggensee im Allgäu, im Hintergrund Schloss Neuschwanstein und der Berg Säuling
Gürtelmacher Thomas Beckert in seiner Werkstatt in Füssen sitzt an einer Nähmaschine und näht Gürtelnähte

Der Schwansee mit dem Doppelschlossblick

Einen engen Bezug zum Wasser hat auch Thomas Beckert auf der anderen Lech-Seite im Hanfwerk, gegenüber von Wilhelms Atelier. Thomas kennt man seit Jahrzehnten nur als den Gürtelmacher oder als den Becki. Manche seiner Gerätschaften wirken so, als hätten sie die Zeit in der Seilerwarenfabrik drüben noch selbst miterlebt. Die Sattlerfreiarm-Maschine, mit der er die Gürtelnaht näht. Oder die Schusterausputz-Maschine, mit der er die Gürtelkanten schleift.

Viele Jahre hatte der Becki auch in München einen Laden, direkt am Sendlinger Tor. Doch Ende 2019 gab er ihn auf. Die ewige Pendelei, sagt er, sei ihm zu mühsam geworden. Und außerdem war er zu weit weg von seinen Lieblingsseen. Wie dem kleinen Schwansee neben dem Alpsee, der wegen seines Doppelschlossblicks recht bekannt ist. Wer von der Liegewiese am Ufer in die Mitte des Sees schwimmt, sieht nämlich von dort beide Schlösser, Neuschwanstein und Hohenschwangau

„Zum Schwimmen gehe ich jeden Tag“, sagt Thomas, „zumindest von Mitte Juni bis Ende Oktober, danach wird’s mir zu kalt. Im Winter bin ich dann gern auf Schlittschuhen unterwegs.“ Das geht gerade auf dem Schwansee ganz gut, der wegen seiner schattigen Lage recht schnell zufriert. Ganz anders als der Forggensee. Der kann gar nicht zufrieren. Der hat im Winter nämlich gar kein Wasser.

Mondkrater im leeren Stausee

Der Forggensee im Norden von Füssen ist das nächste Etappenziel. Mit seinen gut 15 Quadratkilometern Fläche ist er nicht nur der Platzhirsch im gesamten Allgäuer Seenrevier, sondern auch der fünftgrößte See in ganz Bayern – und der größte Stausee in ganz Deutschland.

Seit der Errichtung 1954 wird er alljährlich über den Winter abgelassen, um im Frühjahr genug Speicherkapazität für die Schneeschmelze aus den Bergen zu garantieren. Faszinierend sind geführte Exkursionen über die trockengelegte Mondkraterlandschaft am Grund des Sees, hin zu den Überresten der römischen Besiedlung. Im Sommer empfiehlt sich bei gefülltem See zwischen Anfang Juni und Mitte Oktober eine bis zu zweistündige Rundfahrt mit dem Ausflugsschiff.

Segelboote auf dem Forggensee im Hintergrund der Säuling
Schifffahrt auf dem Forggensee mit der MS Allgäu, Frau macht ein Foto mit ihrem Smartphone

Geheimtipp: Kaltenbrunner See

Am frühen Abend lohnt ein Abstecher in die Backstube von Martina Rampp, direkt neben der Dorfkirche St. Michael in Prem bei Steingaden. Fürs Backen brannte sie schon als Kind, ihre ersten Nussecken fabrizierte sie daheim im elterlichen Landwirtschaftsbetrieb in Buchloe. Sie probierte viel aus im Leben, lernte Krankenschwester, arbeitete einen Sommer lang auf einer Alp in der Schweiz. Aber immer wieder fand sie zum Backen zurück.

Vor einigen Jahren kaufte sie den alten Premer Bauernhof und fertigt hier seitdem in reiner Handarbeit mit Zutaten aus der Region ökologische Backwaren, vom Walnussbrot bis zum Dinkelbaguette, vom Mohnzopf bis zum Quarkstrudel.

Bäckerin Maria Rampp in ihrer Backstube

Wenn sie nachts in der Stube steht, dann ist die Arbeit immer auch ein Indikator für das Wetter des nächsten Tages: „Wenn’s in den Bergen schneit, geht der Teig ned“, sagt Martina. „Und wenn es schwül ist, geht der Teig viel schneller.“ Und wenn’s heiß ist, dann geht auch sie gerne zum Baden. Ihr Geheimtipp: Der kleine, kaum bekannte Kaltenbrunner See, gleich südlich von Prem, der auf dem späten Rückweg Richtung Füssen am Wegesrand liegt.

In der Abendstimmung noch ein finaler Abstecher ans Ufer des Forggensees. Die Sonne verabschiedet sich nach einem langen Tag in die Dämmerung. Ein letztes Innehalten zum Genießen in Füssens Seenland. Und oben auf dem Säuling bitten die Hexen wieder zum Tanz.

Mehr zur Urlaubsregion Allgäu unter allgaeu.de

Frau am Ufer des Forggensees macht mit ihrem Smartphone ein Foto vom Sonnenuntergang

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