Mit dem Kajak die reizvolle Flusslandschaft der Naab zwischen Fronberg und Schwandorf genießen
Total im Flow

Tagelang Paddeln ohne Trubel und ohne Trouble mit wilder Strömung und umständlicher Logistik. Die Naab ist ideal für Einsteiger, um mit dem Kanufahren zu beginnen. Text: Christian Haas, Fotos: Frank Heuer

Lesezeit: 16 Minuten

Kanufahren auf der Naab im Oberpfälzer Wald

Wir hätten es uns in Stegen bei Zielheim so einfach machen können wie die Male davor: Das Kajak nach dem Umtragen des Wehrs ins Wasser heben, dann mit Bedacht einsteigen, indem man das Doppelpaddel auf die Uferkante und hinter den Sitz legt, beide Hände rücklings darauf stützt und erst ein Bein, dann das andere ins Kajak hebt.

Aber warum Standard, wenn auch Premium geht? Also besteige ich das rote Polyethylen-Boot bereits an Land, auf einer mit rund einem Meter lächerlich geringen Erhöhung, lass mir einen Schubs geben und – hui – geht es durch das rutschige Gras in den Fluss. Lustig! Allerdings taucht die Kanuspitze unerwartet steil ein, was für einen überraschenden Drehmoment sorgt.

Der Versuch, sich mit dem Paddel abzustützen, schlägt fehl, dafür der Arm ins Wasser. Ergebnis: Der linke Hemdsärmel ist nass, das Ego angekratzt. Okay, immerhin bin ich nicht gekentert und mein Kajak schwimmt. Geplant war das Naab-Comeback galanter. Halt so wie kurz davor bei Luisa …

Kanufahren auf der Naab zwischen Schwandorf und Burglengenfeld

Kanufahren ganz kommod

Die junge Oberpfälzerin Luisa hat viel Erfahrung. „Seit ich denken kann, bin ich auf dem Wasser unterwegs.“ Luisa Glaab, so ihr voller Name, hält sogar einen Junioren-Rekord: 1.515 Kilometer legte sie als 14-Jährige in einem Jahr paddelnd zurück, sei es allein, mit der Familie oder mit den rund 200 Mitgliedern „ihres“ Schwandorfer Kanu-Clubs, auch so eine Art Familie. Bei Festen und Fahrten erlebt man schließlich viel zusammen, erst recht bei längeren Wildwasser-Trips.

Wildwasser ist die Naab aber keines, eher ein leichter Wanderfluss. Da bräuchte es eigentlich keinen Guide, dank eindeutiger Wegführung und Top-Kartenmaterial via Flyer oder „Canua“-App. Dennoch sind wir happy, Luisa mit an Bord zu haben. Für Hintergrundinfos zur Region und zum Deutschen Kanu-Verband, in dem sie sich als 1. Vorsitzende Jugend engagiert. Und als Inspiration für mutige bis übermütige Manöver.

Nabburg geht unter die Haut

Das Naab-Tal ist als Bike-Revier schon lang etabliert: Der gleichnamige Radweg von Luhe nach Regensburg folgt immer dem Fluss. Als Paddelrevier steht die Naab im Schatten vor allem der Altmühl mit ihrer Top-Infrastruktur.

Zwar ist an der etwas schnelleren Naab die Zahl wassernaher Campingplätze und Bootsverleiher geringer. In puncto Landschaft und Erlebnis dagegen hält sie locker mit. Da kommen auf 100 Kilometern fünf abwechslungsreiche Tagesetappen für Kanufahrer zusammen.

Wir beginnen mit Etappe zwei in Nabburg. Den Ort besuchen die meisten wegen der mittelalterlichen Altstadt, andere wegen der Tattoo Conventions und ein paar wegen des Mikro-Abenteuers Flusswandern, wie viele zum Kanufahren auf Flüssen sagen.

Kanu umtragen am Wehr Ettmannsdorf

Zeit für die Riesen-Regenlatzhose

Unser Flusswander-Abenteuer beginnt mit starkem Regen. Luisa meinte zwar vorab, dass man beim Paddeln grundsätzlich nass werde. Aber Gewitter auf dem Wasser? Kein Spaß. Also abwarten und Tee trinken.

Dann auf zum zweiten Versuch, auf zur Nordgauhalle, wo Luisa, Vereinskollegin Lisa und drei Kajaks warten. Plus Vorbereitungsarbeiten wie Gepäck in die „Kajakkofferräume“ verstauen ... und uns in die XL-Regenlatzhosen.

Mit Blick zum Himmel diskutieren wir, ob die Wolken weiteren Regen bringen könnten (Spoiler: Tun sie nicht). Keine Diskussion gibt es bei den Schwimmwesten. „Die gehören einfach dazu“, meint Lisa.

Paddeln auf Druck und Zug

Und wie funktioniert die Spritzdecke? Knöpft man zunächst an die Hose und spannt sie, wenn man mit ausgestreckten Beinen sitzt, kraftvoll übers Oval, auf dass kein Wasser hineinkommen möge. Übrigens ein Trugschluss, wie ich beim Beinahe-Kentern erfahren muss. Danach legen wir ab. Lisas Abschiedswunsch: „Immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel!“

Dann klärt uns Luisa auf: Kajaks sind Kanus. So wie Kanadier. Aha. Und das Doppelpaddel – lockerer Griff, die konkaven Seiten im Blick – sticht man weit vorn ein und zieht es bootsnah bis auf Höhe des Pos. Gleichzeitig den anderen Arm gradlinig ungefähr auf Augenhöhe nach vorne drücken. Es folgen Testschläge.

Flusslandschaft bei Schwandorf
Reporter Christian Haas kommt im Kajak auf der Naab schnell in einen guten Flow

Vor, zurück, Bremsung, passt!

Die nahe Autobahn hört und sieht man nicht, zumindest nicht auf den ersten Kilometern. Auf denen geht es munter dahin, dank leichter Strömung und starker Motivation. Dafür sorgen auch Buhnen. Das sind große Steine im Fluss, die einen Minislalom bilden.

Der lässt sich locker meistern, wie auch manche Stromschnelle. Das ist alles andere als wild. Wir lernen: Tut man nichts, droht ein Drehwurm oder das Uferdickicht. Oder mal keine Handbreit Wasser unterm Kiel und man muss sich freiruckeln.

„Die Naab haben noch nicht viele Kanufahrer für sich entdeckt

Rohrdommel in Sicht

Einmal verinnerlicht, läuft das Paddeln quasi automatisch. Dann bleibt mehr Zeit für Naturbeobachtung. Und da gibt es zwischen Seerosen und allerlei Baumarten so einiges zu entdecken. Nicht zuletzt dank des nahen Charlottenhofer Weihergebiets kommen einem neben Enten und Graureihern auch Rohrdommeln und Eisvögel vor die Linse.

„Die Naab haben noch nicht viele als Flusswander-Revier entdeckt“

Wer sich dagegen kaum blicken lässt, sind andere Paddler. „Die Naab haben noch nicht viele entdeckt“, bestätigt Luisa. Wem wir dafür ständig begegnen, sind Angler. Von geschätzt hundert Begegnungen sind gefühlt 98 Männer, was womöglich auch am Vatertag liegt.

An allen Tagen jedoch gilt laut Luisa: „Paddler sind die natürlichen Feinde der Angler.“ Auf jeden Fall müssen wir aufpassen, nicht in eine der Angelschnüre zu geraten. Zumal die Angler, meist mit Tarnfleck und Zelt auf Waller- und Karpfenjagd, oft nicht gut zu erkennen sind.

Reizvolle Flusslandschaft der Naab zwischen Fronberg und Schwandorf
Eine der Bootsrutschen der Naab: Aufregend, aber glücklicherweise völlig harmlos

Guten Rutsch!

Entspannt geht es flussabwärts, mal in engen, mal in weiten Kurven, mal geradeaus. Die Naab ist aber stets so breit, dass wir zu dritt nebeneinander fahren könnten. Auch landschaftlich bewegt sich alles im grünen Bereich. Hier Schilf in Altwasserarmen, dort stattliche Äste, unter denen man hindurchwischt. Es gibt Momente, da wähnt man sich weit weg. Bis einen das Brummen der Autobahn aus möglichen Regenwaldträumen reißt.

Kurz vor Schwarzenfeld biegt die Schwarzach ein, laut Luisa „schmal, aber paddeltechnisch interessant“, wenig später folgt die erste Aus- und Wiedereinsteigeprüfung an zwei Wehren. Wird souverän gemeistert und mit einer Brotzeit aus dem „Kofferraum“ belohnt.

Eine weitere Belohnung wartet dann am Nachmittag in Gestalt zweier kleiner Bootsrutschen auf uns Kanusportler. Die sind so schmal, dass man sogar das Paddel in die Höhe heben muss. Aufregend, aber glücklicherweise völlig harmlos.

Herzklopfen am Hollerwehr

Leichten Puls verspricht das nahe Hollerwehr, das man – alles so lieblich hier, inklusive grünen Inselchen – gar nicht als solches erkennt. Wohl aber spüren wir den Sog, der auf einigen Bootslängen zum beherzten Einstechen beim Queren in Richtung Naab-Altarm animiert.

Dort wartet das heutige Finale: Unter den Augen der im darunterliegenden Kehrwasser juchzenden Kanukinder rauschen wir die nächste Rutsche hinunter, wobei die Begeisterung weniger unserer Performance gilt als Luisa, die als Jugendtrainerin sichtbar hohes Ansehen genießt. Während die Kids sie in Beschlag nehmen, schlagen wir auf dem von viel Grün umrankten Schwandorfer Kanu-Club-Gelände unsere Zelte auf.

Kanuclub Schwandorf: Camping mitten im Fluss
Start in den Tag mit einem ausgiebigen Frühstück im Kanu-Club Schwandorf

Reif für die Insel?

Der Platz liegt grandios: mitten in der Stadt, mitten am Fluss. Mit sauberen Duschen, aber ohne jeden Dauercampermief. Schließlich können dort gerade mal zwei Dutzend Leute ihre Zelte aufschlagen.

Selbst wer kein Mitglied eines Kanu-Clubs ist, zahlt nicht mehr als einen Zehner. Der Übernachtungs-Beauftragte gibt uns nicht nur den Schlüssel fürs Tor, sondern auch Gastrotipps.

Die „Gaststätte Baier“ etwa ist dank Uferterrasse ideal für alle, die selbst nach 20 Kilometern nicht genug vom Fluss haben. Drei Gehminuten in der anderen Richtung wartet die Altstadt von Schwandorf mit Cafés, Restaurants und Irish Pub. Im Untergrund schlummert Bayerns größtes Felsenkellerlabyrinth. Für eine Besichtigung ist es heute zu spät, nicht aber für die oberirdische „Nacht der Musik“, bei der die ganze Stadt auf den Beinen zu sein scheint.

Schwandorf am Abend

Viel Strom, wenig Strömung

Kann ein Tag schöner beginnen als mit Bratkartoffeln und „Cowboykaffee“ in der Sonne? Eben. Da stecke ich es auch weg, dass die erste Etappe eher mau ausfällt. Der ruhige Altarm weitet sich schon bald zu einer Art Stausee. Kaum Strömung, dafür Gegenwind. Zudem kommt die Rede auf den „bösen Schwan von Dachelhofen“. Der soll schon öfter jemandem nachgestellt, ihn sogar gezwickt haben. Als wir ihn erblicken, wechseln wir vorsichtshalber ans andere Ufer. Unsere Deeskalationsstrategie klappt. Der Schwan bleibt fern. Friede.

Wir überlegen, in Naabeck anzulanden, wegen der hoch gelobten Schlossbrauerei. Das ist angesichts fehlender Anlegepunkte nicht leicht, zudem haben wir noch einiges vor. Also rasch wei­ter, die Kulisse ist eh nicht so schmuck.

Bald lassen wir Strommasten, Kieswerke und das wuchtige Bayernwerkhaus des früheren Braunkohlekraftwerks hinter uns und fühlen uns wieder wie Naturforscher. Kaum zu glauben, dass der Wild- und Freizeitpark Höllohe ums Eck liegt. Und das bei Wassersportlern beliebte Oberpfälzer Seenland. Ob auf der Naab auch deshalb so wenig los ist?

„Mit dem Kajak ist man näher dran am Wasser, an den Seerosen, Libellen und Schwänen

Schnell, schnittig, sportlich, manchmal misslich

Der Langsitz macht mir auf Dauer zu schaffen. Immer wieder Anflüge von Beineinschlaf-Panik. Dann schnell die Spritzdecke weg und ein Bein hoch. Aber Achtung: erhöhte Kippgefahr!

Für Luisa ist langes Sitzen bekanntlich ein Klacks, aber für muskelverkürzte Körperklause wie mich eine mitunter schmerzende Herausforderung. Ich gebe zu: Es gibt Momente, in denen ich mich auf die Sitzbank eines Kanadiers wünsche.

Diese Fortbewegung ist auf der Naab ebenfalls möglich, erst recht auf dem noch ruhigeren Unterlauf bis Mariaort an der Donau. Doch Luisa erinnert an die Kajak-Vorteile: „Schneller, schnittiger, sportlicher.“ Und man ist näher dran am Wasser, an den Seerosen, Libellen, Schwänen.

Die Naab bei Burglengenfeld in der Oberpfalz
Das wunderschöne Dorf Kallmünz, zwischen Fluss und Fels mit Burgruine

Der schönste Abschnitt!

Besonders viel los ist zwischen Zielheim und Burglengenfeld. „Für mich einer der schönsten Abschnitte auf der Naab“, so Luisa. Dort schlängelt sich der allmählich breiter werdende Fluss durch die sanft-hügelige Landschaft. So schön!

Es ist aber auch schön, als wir in Burglengenfeld mit der größten Burg der Oberpfalz ankommen. 25 Paddelkilometer gehen weiß Gott in die Arme! Die Kraft reicht gerade noch, um die Boote auf den bereitstehenden Anhänger zu wuchten. Und für die abendliche Besichtigung von Kallmünz, der „Perle des Naab-Tals“.

Als wir von der Terrasse einer Trattoria in den Sonnenuntergang blicken, sehen wir einen Storch durchs schilfbewachsene Ufer des Stausees staksen, dahinter einen Paddler mit Stirnlampe. Ob der heute noch bis Kloster Pielenhofen oder gar bis Regensburg will? Wohl kaum …              

Kanufahren auf der Naab

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