Der bekannteste Sohn der Stadt hätte seine helle Freude, denn Nürnberg erfindet sich stetig neu. Vor allem in den zahlreichen Museen. Zeit für eine Bratwurst zwischendurch ist aber immer drin. Wobei es die Nürnberger nie unter drei machen!
Nürnberg erleben. Was man sehen und erleben muss
Es ist eine gute Idee, die Entdeckungstour durch Nürnberg schräg gegenüber vom Hauptbahnhof zu beginnen. Nicht nur, wenn man mit dem Zug anreist. Die alte Stadtmauer wirkt wie ein Lärmschutzwall zum brausenden Verkehr. Und das mittelalterliche Frauentor erscheint wie ein Stargate, das einen in eine andere Welt beamt. Die Fachwerkhäuschen gleich dahinter sind so putzig, dass man sich nicht über Schlumpfbewohner wundern würde.
Stattdessen arbeiten im Handwerkerhof zu festen Geschäftszeiten richtige Menschen. Dann wird hinter der Frauentormauer getöpfert und gedengelt, gehämmert, gegossen und geschnitzt. Blech- und Holzspielzeug, Goldschmuck und Zinnfiguren waren Nürnberger Exportschlager, der Handwerkerhof spiegelt diese Traditionen als charmante Touristenattraktion wider. Die ist mittlerweile selbst schon geschichtsträchtig. Vor knapp 50 Jahren wurde die Idee geboren, den ehemaligen Waffenhof des Frauentors mit neuem Leben zu füllen.
Neues Museum Nürnberg: Mittelalter trifft Warhol
Nur ein paar Meter entfernt spiegelt die Stadtmauer sich in der gigantischen Glaswand des Neuen Museums Nürnberg und verschmilzt scheinbar mit kunterbunter Pop-Art, die dahinter auszumachen ist.
Der Riesenkubus aus Glas, Beton und Sandstein des Berliner Architekten Volker Staab macht mit seinen Einblicken Lust auf mehr. Zur Jahrtausendwende eröffnet, zeigt das staatliche Museum Kunst und Design aus den 1950ern bis heute. Andy Warhol, Neo Rauch und Joseph Beuys sind ebenso vertreten wie eine der umfangreichsten Sammlungen von Gerhard Richter mit 69 Werken.
Am liebsten würde man es sich gemütlich machen im Riesennest von Gianni Ruffi, das aus den Stoffen von Militäruniformen hergestellt ist. Darüber hängen zehn erdverkrustete Fahnen, deren Nationalität nicht mehr erkennbar ist. Verspieltheit trifft oft auf politische Botschaften. So auch bei Olaf Metzels Aluminium-Skulptur Melilla, die zerknülltem Zeitungspapier nachempfunden ist, auf dem die Schlagzeilen zur Flüchtlingstragik im Mittelmeer zu lesen sind.
Ist das noch Kunst oder schon Design? Das fragt man sich bei vielen Objekten in der Mixed Zone, die Schubladendenken forsch zu überwinden hilft. Sehr spannend in einem Land, das gern in Sparten denkt. Und auch mutig, betont Museums-Co-Direktor Thomas Heyden: „Wenn ich ein paar Jahre zurückdenke, da hätte man so was noch kaum machen können.“
Straße der Menschenrechte: Lichtes Monument
Zur „Straße der Menschenrechte“ in der Kartäusergasse sind es vom NMN nur ein paar Häuserblocks. Auch dort hat Nürnberg sich gewissermaßen neu erfunden. Die Sonne spitzt aus den Wolken hervor und bringt das begehbare Kunstwerk des israelischen Künstlers Dani Karavan zum Leuchten.
Durch ein weißes Tor betritt man eine Reihe von 27 Betonstelen, auf denen jeweils ein Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in deutscher Sprache und in einer Fremdsprache gemeißelt ist.
Vom Tor aus betrachtet erinnert die Anlage an einen Tempel. Davor fliegen Skater beim Kickflip durch die Luft. „Mit der beliebteste Platz für uns, so schön smooth“, sagt einer und setzt zum nächsten Sprung an. Eine lässige Szenerie von Normalität, lichter Gegenpol zur dunklen Geschichte. Die markante Installation ist eine der Antworten der Stadt auf ihr braunes Erbe.
Nürnberger Altstadt: Nicht nur kleine Würstchen
An den Doppeltürmen der Lorenzkirche, einer weiteren Nürnberger Sehenswürdigkeit, wird’s musikalisch. Drinnen übt der Organist Bach-Sonaten auf einer der größten Orgeln der Welt. Entsprechend voluminös flutet es aus den Türen in die Fußgängerzone, wo eine Straßenmusikerin sich schwertut, mit ihrer Gitarre und Evergreens von „Nirvana“ gegen den monumentalen Klangteppich aus 12.156 Pfeifen anzusingen.
Klassik passt zu unserem Nürnberger City-Trip eh besser als Grunge, denn ab jetzt folgen wir wahrlich historischen Pfaden. Über die mehr als ein halbes Jahrtausend alte Karlsbrücke geht‘s zum Trödelmarkt. Um den kleinen Platz auf der Pegnitzinsel quetschen sich hübsche Lädchen in dreistöckige Häuser, die nur wenige Meter breit sind.
Versteckt hinter dem Zweigvorhang einer altersschwachen Weide knutscht ein Pärchen am Fluss, im „Café am Trödelmarkt“ genießen an diesem Spätsommertag die Gäste ihren Zwetschgen-Blootz. Für Franken-Neulinge: Blootz bedeutet Blechkuchen.
Apropos fränkische Eigenarten: Am Trödelmarkt in der Altstadt hat auch der „Schutzverband Nürnberger Bratwürste e. V.“ seinen Sitz. Es ist kein Witz: Sind Fränkin und Franke an sich von entspanntem Gemüt, beim Thema Wurst hat der Spaß ein Loch, da kann es ernst werden. Von wegen auf die Größe kommt es an: Gerade einmal sieben bis neun Zentimeter sind die Würstchen klein, deren Normierung bereits vor 700 Jahren festgelegt wurde.
Drei im Weggla: Der Franken-Snack
„Drei im Weggla“, sprich: drei Würstchen im Brötchen, ist der beliebteste Snack in Nürnberg. Und will man den Würstchenbudenbrater auf mehr als 180 Grad bringen, dann sollte man Ketchup dazu bestellen.
An sein Wurst-Weggla lässt der traditionsbewusste Nürnberger nur Senf oder Kren aka Meerrettich. Kulinarische Varianten mit Bratwurst indes werden immer häufiger gesichtet, sei es beim Kartoffel-Bratwurstauflauf, die Wurst als Einlage in der Kartoffelsuppe und am grünen Spargelsalat. Da beweist die lokale Gastronomie echte Kreativität.
Links und rechts an der Pegnitz wartet in der Altstadt viel Bilderbuch-Nürnberg aus Fachwerk, Türmchen, Giebeln und Erkern. Also jene Kategorie Bayern, bei der sich vor allem amerikanische Touristen vor den Sehenswürdigkeiten verzückt fragen, ob das alles echt sei.
Weißgerbergasse: Nürnbergs schönste Straße
Ans jeweils andere Ufer der Pegnitz gelangt man über Brücken, die die Nürnberger schon seit dem Mittelalter verwenden: über den überdachten Henkersteg etwa oder die Maxbrücke aus dem Jahr 1457 mit den für ihre Zeit überraschend eleganten Sandsteinbögen. Der Kettensteg, auf dem es mächtig schwankt, wiederum ist Deutschlands älteste eiserne Kettenbrücke.
Vom 70 Meter langen Kettensteg sind es nur ein paar Meter zur Weißgerbergasse: Nürnbergs schönste Straße ist ein Uralt-Traum aus Fachwerk. Denkt man sich den Hipster-Papa weg, der mit dem Designerkinderwagen soeben übers Kopfsteinpflaster rumpelt, könnte man in diesem Stadtteil glatt die Zeit vergessen.
Tiergärtnertorplatz: Wo Albrecht Dürer chillte
Ein kurzer Aufstieg führt zum Wahrzeichen der Stadt. Die Kaiserburg bietet neben einem sehenswerten Museum den ziemlich besten Ausblick über die Altstadt. Und schöne kleine Fluchten: Im 16. Jahrhundert entstanden an der Westseite Bastionen, auf deren Dächern später Gärten angelegt wurden. In einzelnen Stufen bieten Rosengärten, Alleen und Baumrondelle wunderbare Picknickplätze mit Aussicht.
Gleich unterhalb der Burg steht das Albrecht-Dürer-Haus. Der Renaissance-Maler, der durch beinahe fotorealistische Zeichnungen und Selfies auffiel, lebte und arbeitete hier von 1509 bis zu seinem Tod 1528. Der schmucke Fachwerkbau ist eines der wenigen unzerstörten Bürgerhäuser aus Nürnbergs Blütezeit und gilt als das einzige erhaltene Künstlerhaus aus dem 16. Jahrhundert in Nordeuropa.
Man kann sich gut vorstellen, wie das Genie mit dem wallenden Haupthaar immer mal wieder durch die Butzenfenster hinunter auf die Straße und zum Tiergärtnertorplatz blickte.
One for the road im "Bieramt"
Der Tiergärtnertorplatz ist bis heute einer der beliebtesten Treffpunkte der Altstadt. Am besten macht man es sich direkt auf den Stufen gemütlich. Auch hier erfindet sich die Stadt Nürnberg immer wieder neu.
Das „Bieramt“ hat neben 20 fränkischen Klassikern jede Woche zwei neue Kreativbiere auf der Karte. Bier hat in Nürnberg Tradition und Franken verzeichnet mit rund 300 Brauereien die höchste Brauereidichte der Welt, so „Bieramt“-Chef Boris Braun.