Altes Rathaus und Brunnen von Lothar Fischer in Neumarkt in der Oberpfalz
Yin Yang in der Oberpfalz

Hier moderne Kunst, Maybach, Bier und Weißwurst, dort „Gelassenheitswege“, Meditation und Yoga im Grünen. Dazu ein neues Badeparadies und eine Burgruine mit Aussicht. Die Marktstadt beherrscht die Balance zwischen Anregung und Entspannung

Lesezeit: 15 Minuten

Entspannung und Action in Neumarkt in der Oberpfalz

„Resi to go“ steht auf einem Schild am Eingang der Parklandschaft. Sie erstreckt sich auf dem ehemaligen Gelände der Landesgartenschau am Rand der Altstadt. Handelt es sich bei Resi um ein neues Trendgetränk, das man auf einer der Parkbänke genießen kann? Nein! „Resi“ ist die Abkürzung von „Resilienz“.

Damit ist, vereinfacht gesagt, psychische Widerstandsfähigkeit gemeint. Und genau die könne man, so wurde uns versprochen, in und um Neumarkt in der Oberpfalz „to go“ auf vielfältige Art und Weise trainieren, mitten in der Stadt wie in freier Natur.

Burgruine Wolfstein: Das weithin sichtbare Wahrzeichen der Stadt Neumarkt i.d.OPf.

Vom Kneipp-Parcours über das Barfußgehen und Yogakurse bis zur fünfstündigen Wanderrunde über die imposante Burgruine Wolfstein und die von außen schlichte, im Inneren aber in feinstem Barock schwelgende Wallfahrtskirche Maria Hilf – unter dem Motto „Innehalten-Region“ bieten die rund 40.000 Einwohner zählende Stadt und ihre nähere Umgebung eine Vielzahl an Möglichkeiten.

Shopping am bunten Markt

Am Schnittpunkt der Handelsrouten von Frankfurt nach Wien sowie von Ingolstadt nach Prag gelegen, blühte die im Jahr 1235 erstmals urkundlich erwähnte Stadt im frühen Mittelalter auf. Die Obere und Untere Marktstraße verläuft noch entlang der historischen Route, auf der Getreide gehandelt und Maut erhoben wurde.

Dort wurden die Pferde der Gespanne gewechselt, Schmiede und andere Handwerker boten ihre Dienste an. Ein bunter Markt, überwiegend mit regionalen Produkten wie Holzofenbrot, Honig, Gemüse und Fisch, erinnert donnerstags und samstags an diese Blütezeit der Marktstadt.

Matthias und Daniela Ochsenkühn von der Erzeugergemeinschaft Juradistel im Stall mit ihren Rindern
Rinder der Familie Ochsenkühn, der Erzeugergemeinschaft Juradistel

Juradistl: Beef für Besser-Esser

Das berühmte Juradistl-Rindfleisch und etliche weitere regionale Produkte finden sich täglich im Lokalmarkt „Der Regionale“ in der Sachsenstraße. Gehobene Restaurants in der gesamten Region schwören auf das ökologisch und tierwohlorientiert produzierte Fleisch.

Bei Daniela und Matthias Ochsenkühn im Nachbarort Berngau dürfen die Rinder nach Lust und Laune auf die Weide, frische Luft durchzieht den offenen Stall. Für Grillabende oder ein besonderes Abendessen bestellen hier überwiegend Privatleute mit gutem Gewissen.

Einen historischen Schub in Neumarkts Entwicklung bewirkte der Bau des Ludwig-Donau-Main-Kanals. Zehn Jahre lang wurde ab 1836 an dieser wichtigen Verkehrsader, dem Vorgänger des Main-Donau-Kanals, gewerkelt. Zu den damals gerade einmal rund 3.200 Einwohnern gesellten sich mehr als 7.000 Arbeiter.

Der Zweite Weltkrieg brachte dann verheerende Zerstörungen über die Stadt. Nur eine Handvoll Gebäude blieb nahezu unversehrt, darunter das fachwerkgeschmückte sogenannte Schreiberhaus in der Bräugasse. Um 1430 erbaut, ist es das älteste erhaltene Bürgerhaus Neumarkts.

Blick von der Unteren Marktstraße auf das Rathaus von Neumarkt in der Oberpfalz

Eine Stadt in Pastell

Das markante Rathaus zwischen Oberem und Unterem Markt lag ebenso in Trümmern wie die spätgotische Hallenkirche St. Johannes, die in ihrer langen Geschichte mehrere Wechsel von katholisch zu protestantisch und zurück verkraften musste und 2015 zum 825. Geburtstag ihres romanischen Vorgängerbaus den Titel „Münster“ verliehen bekam. Die spektakulären, vor allem morgens in allen Farben leuchtenden Buntglasfenster erhielt sie erst in den 1990er-Jahren.

Bunt sind auch viele Häuser entlang der Marktstraßen – von zartem Pastell bis zu kräftigen Tönen verströmen sie eine fröhliche Atmosphäre. Einen ungewöhnlichen Akzent setzt das wieder aufgebaute Untere Tor in frischem Mint.

Eine Oase der Ruhe im Vergleich zu den geschäftigen Marktstraßen ist der Rosengarten, der sich nahe dem Kanalhafen versteckt: Mehr als 400 Rosensorten blühen und duften dort um die Wette. Radfahrer zieht es an den Kanal, an dem sich lichte Abschnitte durch lockeres Siedlungsgelände mit Passagen in schattigen Waldgebieten abwechseln.

Viele Radler kehren im etwas außerhalb gelegenen Brauerei-Gasthof „Blomenhof“ ein. 2013 kaufte und renovierte Wirtin Ingrid Schmaußer die denkmalgeschützte Gaststätte mit großem Biergarten. Für den flüssigen Nachschub sorgt Braumeister Stefan Kosczynski in Neumarkts kleinster Brauerei direkt neben der Gaststube.

Braumeister Stefan Kosczynski von der Gaststätte
Brunnenanlage
Skulptur

Kunst! Kunst! Kunst!

Spektakulär ist Neumarkt zwar nicht unbedingt, aber sympathisch. Beim Rundgang mit Georg Ziegler, der bei abendlichen Führungen gern ins Gewand des Nachtwächters schlüpft, fällt die Fülle an Skulpturen und Brunnen im öffentlichen Raum auf. Es sind gewiss mehr als zwei Dutzend.

Des Rätsels Lösung heißt Lothar Fischer (1933–2004), einer der bedeutendsten deutschen figürlichen Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Der Künstler verbrachte seine Kindheit in Neumarkt. Zwischen Stadtpark und Schlossweiher steht seit 2004 das architektonisch sehr ansprechende Museum Lothar Fischer, in dem jährlich drei hoch­karätige Wechselausstellungen zu sehen sind. Durch bodentiefe Fenster schweift von dort der Blick in den kleinen, von einem Bächlein, dem Leitgraben, durchflossenen Stadtpark.

Rund um das Museum können Interessierte die Plastiken auf sich wirken lassen – zum Beispiel Fischers „Großen Männlichen Kopf“ am Schlossweiher oder das dralle Dreigestirn der „Mondfahrer“ von Fischers Mentor Heinrich Kirchner gleich ums Eck des ehemaligen Pfalzgrafenschlosses. Auch sonst ist Fischer prominent im Stadtbild vertreten, etwa mit dem „Reiterbrunnen“ auf dem Residenzplatz oder der von den Neumarktern „Die drei Grazien“.

genannten überdimensionalen Figurengruppe vor dem Rathaus. Offiziell heißen die weithin geschätzten Bronzefiguren schlicht „Stehende Dreiergruppe“.

Radfahrer am Ludwig-Donau-Main-Kanal bei Neumarkt in der Oberpfalz
Wanderung zur Burgruine Wolfstein in Neumarkt in der Oberpfalz

Innehalten am Alten Kanal

Kunst begegnet man auch auf der Radtour entlang des Kanals. Alle paar Kilometer lädt ein Exponat zum kurzen Stopp ein – oder zum bewussten Innehalten, zu einem Moment der Meditation am träge vor sich hin dümpelnden Gewässer.

Ob beim Picknick unterm Apfelbaum oder bei der Wanderpause am „Krähentisch“ bei der Burgruine Wolfstein samt spektakulärer Aussicht (und einer fantastischen Selfie-Kulisse) – an ansprechenden Motiven mangelt es den Fotofans rund um Neumarkt wahrlich nicht.

Besonders außergewöhnliche „Fotomodelle“ warten im Museum für historische Maybach-Fahrzeuge. Nur 1.800 Autos der Nobelmarke wurden in den 1920ern gebaut, ein jedes ein Unikat. 155 sind derzeit noch bekannt, weltweit.

Zwanzig davon hat der Neumarkter Kieferortho­päde Dr. Helmut Hofmann über die Jahre aufge­spürt und restaurieren lassen. In den weitläufigen Räumlichkeiten mitten in Neumarkt stellt er sie seit 2009 öffentlich aus. Allein die Toiletten mit alten Schwarz-Weiß-Fotos sind eine Schau!

Ausstellungsstück im Maybach-Museum in Neumarkt in der Oberpfalz
Norbert Wittmann, Metzger im Bayerischen Metzgerei- und Weißwurstmuseum in Neumarkt in der Oberpfalz
Bayerisches Metzgerei- und Weißwurstmuseum in Neumarkt i. d. Oberpfalz

Im Metzgerei- und Weißwurstmuseum

Wer es handfester mag, ist im „1. Bayerischen Metzgerei- und Weißwurstmuseum“ richtig. Dort dreht sich buchstäblich alles um die Wurst beziehungsweise um deren Herstellung. Bereits der Vater des Metzgers, Hoteliers und Wirts Norbert Wittmann hatte damit begonnen, alte Gerätschaften zur Wurstherstellung zusammenzutragen.

Dann kamen auch noch Weißwurstseminare hinzu. In denen erklärt Wittmann die Geheimnisse der perfekten Weißwurst und lässt die Teilnehmer – natürlich – ihre eigene Brotzeit aus der Wurstmaschine drehen.

Mario Spies vom Lammsbräu in Neumarkt in der Oberpfalz

Bio-Pionier und Bade-Paradies

Weißwurst ohne Bier? Schwer vorstellbar. Wie gut also, dass noch vier Brauereien in Neumarkt aktiv sind. Die höchste überregionale Bekanntheit genießt sicherlich Lammsbräu. Die inhabergeführte Brauerei war Pionier im Bio-Brauen: Bereits in den 1980er-Jahren produzierte sie die ersten Schankbiere in Bioqualität, überzeugte Bauern und Wirte von ihrem neuen Weg.

1995 wurde schließlich die komplette Pro­duk­tion auf Bio umgestellt. Ganz besonders gut gehen das Alkoholfreie und die fröhlich-bunten, fruchtigen Biolimonaden. An jedem ersten Samstag im Monat findet eine öffentliche Führung statt, vom Eintrittspreis werden Umweltprojekte in der Region gefördert.

Infinitypool des Schlossbads in Neumarkt in der Oberpfalz
Lounge-Bereich im Schlossbad von Neumarkt in der Oberpfalz

Schlossbad: Ab ins Wasser!

Neumarkts große moderne Attraktion ist das Schlossbad, ein 2022 komplett neu eröffnetes Bade- und Wellnesszentrum mitten in der Stadt. Ein Bild von einem Bad: elegant, weitläufig und mit viel Platz für alle. Die Badelandschaft mit mehreren Indoorpools im Erdgeschoss ist edel in Anthrazit mit farbigen Akzenten in Mint und Zartgelb gestaltet.

Den zweiten Stock teilen sich fünf stilvolle Saunen, ein in Unterwasseroptik gestyltes Dampf­bad und die Kaminlounge mit den großen Freiluft-Liegeflächen und einem Infinity-Pool mit Blick auf den Schlossweiher.

Ein Freibad nebst Erlebnisbecken ist dem Komplex angeschlossen. Für Bade- und Wellnessfans ist allein schon das Schlossbad, das rund ums Jahr geöffnet ist, ein guter Grund für einen Besuch in Neumarkt.

Meditation im Hildegardgarten in Neumarkt in der Oberpfalz

Und zum Schluss? Neumarkt „to go“

Doch Besucher können noch mehr mitnehmen als nur das schöne Gefühl, ein paar entspannte Tage verbracht zu haben. Zu den Parcours auf dem ehemaligen Landesgartenschau-Gelände und diversen anderen Stationen hat die „Innehalten-Region“ zahlreiche verschiedene Audiofiles mit Übungen erstellt, die man sich einfach herunterladen und jederzeit wiederholen kann – sei es im eigenen Garten, auf dem Balkon oder bei einem Spaziergang im Wald. Wenn man sich dabei an die Aussicht von der Burgruine Wolfstein oder die Ruhe im duftenden Rosengarten erinnert, kommt das Innehalten-Gefühl dann meist ganz von selbst – ganz egal, wo man sich gerade befindet.

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