Die Skulpturengruppe „Meeting“ des chinesischen Künstlers Wang Shugang am Schönleinsplatz in Bamberg
Kunst und viel Romantik

Moderne Kunst von internationalem Format, jede Menge gutes Bier, eine geballte Ladung Romantik sowie Bio-Ingwer und Süßholz. Bambergs Altstadt ruht auf sieben Hügeln und bietet viel Sehenswertes und drei UNESCO-Weltkulturerbestätten

Lesezeit: 10 Minuten

Bamberg entspannt entdecken

Was die roten Mönche zu tuscheln haben, die auf der Wiese am Schönleinsplatz im Kreis hocken? Vielleicht beklagen sie sich wieder darüber, dass sie von manchen Bambergern nur gehänselt werden. Für die Skulpturengruppe „Meeting“ des chinesischen Künstlers Wang Shugang auf dem einstigen Prachtplatz kursiert in Bamberg längst ein liebevoller Begriff, der das Thema Spannungsfeld von Kunst im öffentlichen Raum mit fränkischem Charme auf einen Nenner bringt: „Scheißerla“.

Scheißerla: Öffentliche Kunst muss triggern

Das Objekt war erst eine Leihgabe und wurde kürzlich von der Stadt angekauft. Es erhitzt und erfreut die Gemüter. Das ist viel besser als Kunst, die nicht im Gespräch ist. Neben der Männergruppe in Signalfarbe thront Prinzregent Luitpold als Bronzedenkmal auf seinem Pferd und blickt mit reichlich Patina und Taubenkot im Gesicht gelangweilt in die Gegend.

Einen farbenfrohen Kontrast zwischen den Altstadtfassaden bietet auch Air-Earth des katalanischen Künstlers Jaume Plensa, eine Skulptur an der Oberen Mühlbrücke: Ein Mann aus grünem Kunststoff sitzt hoch über der Regnitz auf einer glänzenden Stahlsäule.

Das Objekt hat nachts sogar Strahlkraft. Das „Überbleibsel“ einer Ausstellung Plensas mit leuchtenden Großskulpturen in der Innenstadt hat die Stadt erworben. Unterwegs auf Bambergs historischen Wegen stößt man immer wieder auf Gegenwartskunst von internationalem Format. Zu verdanken ist das der Initiative des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia.

Boteros molliges Kunststück

Wahre Größe zeigt eine weitere Bamberger Sehenswürdigkeit, die Liegende mit Frucht von Fernando Botero. Die mollige Dame aus Bronze hat auf dem Kopfsteinpflaster am Heumarkt ihren festen Platz gefunden. Unter schattenspendenden Bäumen erholt sie sich von dem Schock, als sie im Rahmen einer Kunstaktion einmal von einer schwimmenden Plattform aus in die Regnitz plumpste. Fast eine Tonne schwer, gelang die Bergung nur mit Kran und mit Hilfe der Feuerwehr.

Bamberg: Die Skulptur

Dreifaches Weltkulturerbe: Wie Rom, nur ganz anders

Die Stadt mit Rom zu vergleichen, wie es einige Bamberger tun, ist schon schräg. Schließlich gibt es in Italien weder köstliches Kellerbier noch deftige Haxe mit Kraut und auch nicht diesen melodischen fränkischen Dialekt, gegen den Italienisch klingt wie ein Schlagbohrer: „Wemma Fränggisch redn koo, dann waas mer a, wos g’mannd is!“ Alles klar?

Und doch gibt es Parallelen: Wie die Metropole am Tiber ist auch Bamberg auf sieben Hügeln erbaut und beim Stadtbummel kommt man sich des Öfteren vor wie in einem Museum. Statt mit Klassik und neoklassischem Monumentalismus punktet Bamberg mit Fachwerk-Kleinklein und vergleichsweise bescheidenem Bürger-Barock.

Bambergs Beschaulichkeit muss man lieben

Das Beste aber ist: Keine Besuchermassen, fast nirgends, wenn man von Stoßzeiten am Domplatz absieht. Stadtführerin Sabine Krahé kam Ende der 1990er zum Studium aus dem beschaulichen Münster ins noch beschaulichere Bamberg und verliebte sich in die Stadt.

Die Leidenschaft hat sich nicht abgenutzt, ganz im Gegenteil: „Was mich jeden Tag begeistert, sind diese unzähligen Details, die sich aus vergangenen Zeiten erhalten haben. Die Häuser mit ihren Fußabstreifern und Hausmadonnen und Fensterschürzen. Immer wieder entdecke ich Neues. Alles ist kleinteilig, nie ganz perfekt und zugleich hat man jede Menge Platz, selbst in den Altstadtgassen.“

"Alles ist kleinteilig in Bamberg, nie ganz perfekt"

Klingt gut, ist gut. Seit im Jahr 902 zum ersten Mal vom Castrum Babenberch auf dem heutigen Domberg berichtet wurde und die ostfränkischen Babenberger sich noch mit den rheinfränkischen Konradinern kloppten, wuchs ein Städtchen heran, dessen historisches Look and Feel beinahe vollständig erhalten ist.

Ein Glück für die Stadt war auch, dass die alliierten Bomberpiloten im Zweiten Weltkrieg auf dem Weg ins nahe Nürnberg und Schweinfurt gute Navigatoren an Bord hatten und sich nur selten verflogen.

Mitten im Fluss: Gotik plus Barock plus Rokoko

Am schönsten ist es rund ums Alte Rathaus, das mitten im Fluss steht und mit seinem Patchwork aus Gotik-, Barock- und Rokoko-Elementen wie ein recht verspieltes Wasserschlösschen aussieht, bei dem der Erbauer sich nicht so recht entscheiden konnte. Mehr als 2.400 denkmalgeschützte Häuser gibt es in der Stadt, die nur rund 77.000 Einwohner zählt.

Das überzeugte die UNESCO voll und ganz, die Bamberg 1993 den Welterbe-Status verlieh. Mit besonderer Widmung waren es sogar drei Titel: für die Bergstadt mit dem Dom, für die bürgerliche Inselstadt und für die Gärtnerstadt.

Bamberg: Abenddämmerung in den Altstadtgassen
Bamberg: Der Brückenturm des

Die Süßholzraspler der Gärtnerstadt

Mit Zwiebeln zum UNESCO-Welterbe – das ist die arg verkürzte Geschichte der Bamberger Gärtnerstadt. Bei einer 400 Jahre alten Tradition muss man zumindest etwas weiter ausholen. Es begab sich wie folgt: Schon im 17. Jahrhundert wurde in Bamberg emsig Gemüsebau betrieben. Im fruchtbaren fränkischen Boden reiften wahre Exportschlager heran. Beliebt waren Steckzwiebeln, Samen und vor allem das Bamberger Süßholz, das lange vor der Ära von Zuckerrohr und Rübe den süßen Zahn der Zeitgenossen befriedigte.

Das heutige Stadtviertel lag damals vor den Toren Bambergs, der Begriff Gärtnerstadt ist bis heute geblieben. Aus der Innenstadt sind es zu Fuß nur ein paar Minuten dorthin. Mit einem Mal hat man das Gefühl, in ein sehr verschlafenes Dorf gereist zu sein.

Für heutige Verhältnisse winzig wirken die Wohnhöfe der Gemüsebauern, die sich, dicht an dicht, entlang relativ breiter Straßen ziehen. Dahinter aufgereiht liegen die etwa hundert Meter langen Parzellen. Die mittelalterlichen Strukturen der Hausgärten sind erhalten geblieben, der Boom allerdings nicht: Von ehemals Hunderten Betrieben gibt es noch 19.

Sebastian Niedermaier ist Gärtner im Familienbetrieb in der 13.Generation

Beim Bayern-Insider Sebastian Niedermaier

Dazu gehört auch die Gärtnerei der Niedermaiers. Sebastian Niedermaier lebt als jüngster Spross ganz im Hier und Jetzt der Gärtnerstadt, ist schon viel gereist in seinem Leben und führt die Familientradition in der elften Generation fort. Mit seiner jungen Familie und Kater Chobi bewahrt er das Erbe aus der Erde im besten Sinn.

Zurück in die Innenstadt und zu den Italien-Vergleichen: An die 20 Brücken und Stege verbinden die Regnitz-Insel mit dem Festland, als „Klein-Venedig“ bezeichnen die Bamberger aber ausgerechnet die dem Flüsschen zugewandte Seite der alten Fischersiedlung mit ihren windschiefen, schmalen Häusern. „Aber schau mal, die alten Holzkähne davor sehen doch ein bisschen aus wie venezianische Gondeln“, versucht Stadtführerin Krahé den marketingträchtigen Begriff zu erklären.

Mmmh. Hübsch ist Klein-Venedig allemal und zu Recht ein Highlight. Vor allem am Abend, wenn die Bamberger sich hier auf der Unteren Brücke verabreden, gleich um die Ecke zur Dominikanerstraße, wo sich die Bars, Cafés und Restaurants aneinanderreihen.

Bamberg: Die Welterbestadt Bamberg ist eine der größten erhaltenen Altstädte Europas

Auf dem Bierkeller oder unterm Dom?

Das Bier in Bamberg schmeckt, die Auswahl ist üppig. Und keine Massenware: Elf familiengeführte Brauereien allein im Bamberger Stadtbereich, 60 Brauereien im Bamberger Land produzieren an die 400 Sorten Rauchbier, Bockbier, fränkisches Kellerbier oder „Ungespundetes“, dem durch Gärung ohne Überdruck ein besonders milder Geschmack verliehen wird.

Am liebsten trinkt man sein Bier draußen. Das sieht man an diesem Sommerabend in der Dominikanerstraße, wo – pardon – fast schon italienische Verhältnisse herrschen. Noch beliebter sind die 25 Bierkeller in und um Bamberg mit ihren Biergärten.

Bamberg ist klein genug, um als Besucher selbst auf Entdeckungsreise zu gehen. Aber auch derart verwinkelt, dass einem dabei die einen oder anderen Highlights entgehen können. Das Know-how einer begeisterten Stadtführerin ist da eine feine Sache. „Komm mal mit, ich zeig dir einen meiner Lieblingsplätze“, schlägt Sabine Krahé am nächsten Morgen vor.

Tierisch interessant

In einer unscheinbaren Seitenstraße tut sich eine Wunderwelt auf. Dass der wunderbar stille Innenhof des ehemaligen Jesuitenkollegs fast gänzlich ausgefüllt wird von einem wahren Baumriesen, ist spektakulär genug.

Das wahre Highlight ist aber drinnen zu finden: Das auch ansonsten sehenswerte Naturkundemuseum beherbergt den berühmten Bamberger Vogelsaal, mit Tausenden bunter Tierpräparate, die alles andere als morbide wirken. In der lichten klassizistischen Halle fliegen die Kondore und Albatrosse über den Köpfen der Besucher.

Bamberg: Innenhof der

Banksy der Gotik: Dom und Residenz

„Hey, hey, hey, ich war der Bamberger Reiter!“ Danach, welche Person sich hinter dem steinernen Reiter verbirgt, forschen Historiker und vor allem die Bamberger ungefähr schon so lange, wie es das wohl berühmteste Reiterstandbild der Welt gibt. Mittlerweile ist der junge Mann im schicken Umhang schon als Playmobilfigur erhältlich.

Das Wahrzeichen Bambergs war irgendwann einfach da, so um 1230. Wie ein Paukenschlag, eine der ersten plastischen Darstellungen seit der Antike, wird er gar als Initialzündung für die Gotik verstanden. Wen stellt er dar? Einen König? Ist es gar ein Symbol der Welt an sich? Auch der Schöpfer ist unbekannt. Ein Banksy des Mittelalters.

Kulisse für den unbekannten Reiter ist der Kaiserdom St. Peter und St. Georg mit seinen vier Türmen, das beherrschende Bauwerk der Altstadt. Der Kaiserdom gilt als Vermächtnis Kaiser Heinrichs II. Die Bauherren vom Berliner Flughafen Willy Brandt dürfen ehrfurchtsvoll erblassen: Nach einer Bauzeit von nur zehn Jahren wurde der Gigant 1012 fertiggestellt. Allerdings brannte das Gotteshaus, ebenso wie sein Nachfolgebau, nieder. Der zweite Ersatzbau, der sowohl Stilelemente der Spätromanik und Frühgotik aufweist, hat bis heute überdauert.

Die Alte Hofhaltung

Die Alte Hofhaltung betritt man durch die „Schöne Pforte“. Seit der Bistumsgründung 1007 war sie Wohnsitz des Bischofs und wurde später durch einen riesigen Renaissance-Bau ersetzt. Zwischen ihm und dem Domplatz quetscht sich eine uralte Gasse mit lehmverputzen Wänden durchs historische Ensemble. Der Bamberger Reiter würde jetzt gut passen. Stattdessen fährt eine Touristengruppe auf Segways hindurch.

Bamberg: Das Wahrzeichen
Bamberg: Blick auf die ehemalige Fischersiedlung an der Regnitz

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