Zu Füßen der Zugspitze und am Zusammenfluss von Loisach und Partnach warten unvergessliche Naturerlebnisse, Kulturgenuss und jede Menge bayerischer Lebensart. Unser Reporter hat sich in dem Doppel-Ort umgesehen
Garmisch-Partenkirchen erleben
Ein Wadenstrumpf ist nützlich. Er wärmt nackte Männerbeine und verrät etwas über das Innenleben von Garmisch-Partenkirchen. Sagen die Garmischer zu dem Strumpf „Pfousn“, heißt er in Partenkirchen „Heaslan“.
Sprachliche Differenzen gibt es auch bei der Lederhose: Die Stickerei an der Garmischer ist von dunklerem Grün als die an der Partenkirchener – und sie zeigt einen Gamsbock. Den würde sich kein Partenkirchener auf seine Hirschlederne sticken lassen! Und beim Dirndl? Dasselbe Spiel: In Garmisch zählt die Trägerin als unverheiratet, wenn die Schleife des Schurzes links gebunden ist. Partenkirchnerinnen halten’s, war ja klar, genau andersrum ...
Mal Stadt, mal Dorf
Solche Eigenheiten und kleine Unterschiede sind kein Wunder, Garmisch und Partenkirchen waren lange Zeit eigenständige Orte. Heute gehen sie einen gemeinsamen Weg und profitieren voneinander. „Unser Ort hat den Riesenvorteil, dass er zwei Gesichter besitzt, ein städtisches in Garmisch mit vielen Geschäften und urbanem Lebensstil und ein ländlich-dörfliches in Partenkirchen, in dem das Leben ruhiger verläuft“, so Irene Kässer, Chefin der Chocolaterie Amelie.
Die Schokoladenmanufaktur legt großen Wert auf Nachhaltigkeit und betreibt in beiden Ortsteilen eine Filiale. Prunkstück im Partenkirchener Laden: die Nachbildung des originalen Zugspitzkreuzes im Maßstab eins zu zwei, massiv gegossen aus über 900 Tafeln Schokolade!
Römer, Bajuwaren – und Freisinger
Im Tal von Loisach und Partnach siedeln schon immer Menschen. Etwa ab Christi Geburt herrschen die Römer und bauen um 200 eine Handelsstraße aus. Diese Via Raetia führt von Augsburg über den Brenner nach Venedig. Aus der Raststation Partanum, östlich der Partnach, entwickelt sich Partenkirchen. Auf der Straße floriert bis in die Neuzeit der sogenannte Rotthandel, der Warenverkehr mit Fuhrwerken.
Westlich der Partnach, am Ufer der Loisach, lassen sich im frühen Mittelalter Bajuwaren nieder. Aus ihrem Dorf Germareskaue wird Garmisch. Es prosperiert dank Flößer-Business auf der Loisach.
Auftritt Freising im 13. Jahrhundert: Bischof Emicho erwirbt beide Orte für das Hochstift Freising und gründet die Grafschaft Werdenfels, benannt nach einer Burg über dem Loisachtal. Die Grafschaft reicht von Mittenwald im Süden bis Farchant im Norden und geht erst im 19. Jahrhundert im Königreich Bayern auf. Sie gibt der Region ihren heutigen Namen: Werdenfelser Land.
Künstler, Skifahrer, Olympioniken
Werdenfels gilt als „Goldenes Landl“ – bis zu seinem Niedergang nach dem Dreißigjährigen Krieg. Wiederaufschwung bringt ab 1889 die Bahnverbindung nach München und mit ihr der Tourismus. Hotels und Kuranlagen werden gebaut. Maler, Musiker wie der bedeutende Dirigent Hermann Levi und andere Künstler kommen. Starkomponist Richard Strauss verbringt von 1908 bis 1949 die Sommer in seiner Garmischer Villa.
Richard Strauss verbrachte die Sommer in seiner Garmischer Villa
In den 1920er-Jahren werden die Berge erschlossen: Seilbahn am Kreuzeck, Wank-Bahn, Zugspitzbahn. Und der Skisport nimmt Fahrt auf: 1902 erstes Wintersportfest des Akademischen Skiclubs München am Gudiberg, 1922 die „Deutschen Winterkampfspiele“. Schließlich der große Einschnitt: die Olympischen Winterspiele 1936, für die Garmisch und Partenkirchen am 1. Januar 1935 „zwangsverheiratet“ werden.
Die Orte verändern sich, es wird viel gebaut. Berühmtes Relikt dieser Zeit ist das Skistadion. Es geht auf Bauten zurück, die errichtet wurden für die 1940 nochmals geplanten Olympischen Spiele, die aber nie stattfinden sollten.
Lüftlmalerei: Bavarian Street Art
Ludwigstraße in Partenkirchen: einst Handelsstraße, heute Flaniermeile, Schmuckstück und Bilderbuch. 1865 fast komplett abgebrannt, zeigt sie sich heute schmuck mit Boutiquen, kleinen Geschäften, Cafés und traditionellen Gaststätten. An einigen Häusern im unteren Verlauf sieht man noch große Mittertennen-Tore an der Hausfront, durch die früher die Bauern ihre Heuwägen lenkten.
Attraktion sind die Fassadenmalereien, die „Lüftlmalereien“, eine frühe bayerische Version von Street Art. Auch der Garmischer Ortsteil ist damit üppig geschmückt. Der Name rührt von der luftigen Arbeitsweise der Künstler auf ihren Gerüsten her. Das Fassadenbemalen stammt aus Italien, doch die farbigen Storys an den Häuserwänden gelten als typischer Ausdruck des altbayerischen Charakters. Gemaltes Volkstheater quasi.
Vom Engel bis zum Hochzeitslader
Barockisierend dargestellt werden meist biblische Themen und historische Szenen, oder die Bilder illustrieren das Gewerbe des Hausbesitzers. Da tummeln sich an den Hausmauern Schutzheilige und Engel, Bauern und Könige, Schmied und Schuster, dazu viel Personal in historischer Tracht, in Lederhose, Dirndl und mit der für die Region typischen Otterhaube der Frauen.
Ein Beispiel für viele: der „Gasthof Fraundorfer“, ein bekanntes und beliebtes Wirtshaus. Die kunstvoll bemalte Fassade zeigt eine fröhliche bayerische Hochzeit mit Brautpaar, Gästen und – wichtig, wichtig – dem Hochzeitslader, „Progoder“ genannt. Auch heute noch sind seine Dienste gefragt. Der Gastraum ist ebenfalls sehenswert: holzvertäfelt, mit alten Fotos und den typischen Faschingsmasken, den sogenannten Larven, an den Wänden.
Viel Panorama am Philosophenweg
Schöne Aussicht über beide Orte hat man am Philosophenweg. Er führt von der Wankbahn-Talstation zur Wallfahrtskirche St. Anton, vorbei an Bänken, deren Lehnen Denkersprüche zieren. „Die wahre Lebensweisheit besteht darin, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehen“, wird etwa Pearl S. Buck zitiert.
Für die meisten Besucher sicher nicht alltäglich, aber umso wunderbarer ist der Ausblick über die Dächer hinüber zur Wettersteinwand, zu Alpspitz, Jubiläumsgrat und Waxenstein und dahinter, mehr zu erahnen als zu sehen, zur Zugspitze.
Über den schroffen Felsungetümen türmen sich die Wolken auf. Am Himmel dreht ein Paraglider Runden. Glockengeläut, ein sanftes Lüftchen und die Sonne, die durch das Blätterdach blinzelt, machen die friedliche Stimmung, die über der Landschaft liegt, perfekt.
Frauenmantel und Mädesüß
In dieser Bergwelt, am Kochelberg auf etwa 900 Meter Höhe, hat Ursula Höger ihre Wiese voll mit Alpenblumen und Heilkräutern. „Wir düngen sie nicht und mähen nur einmal im Jahr“, beschreibt die Kräuterpädagogin ihr Biotop. „Außerdem liegt die Wiese an einem Nordhang, hat ihr eigenes Mikroklima. Viele gesunde Kräuter gedeihen da, das ist eine richtige Apotheke, die da oben wächst.“
Über hundert verschiedene Arten, darunter Johanniskraut, Minze, Frauenmantel oder Baldrian, gedeihen dort. Und – darauf ist die Kräuter-Aficionada besonders stolz – das seltene Kleine Mädesüß, dem schmerzlindernde und entzündungshemmende Wirkung zugeschrieben wird.
Ursula Höger verarbeitet die getrockneten Heilkräuter zu Heukissen. Sie sollen gesunden Schlaf und natürlichen Stressabbau fördern, man kann sie auch für warme Wickel und Bäder verwenden. Interessierte können mit der Expertin auch auf Kräuterwanderung gehen.
Flößer und Fresken
Ein Stück historisches Garmisch findet man am nördlichen Loisach-Ufer. Man folgt der Kramerstraße, überquert den hölzernen Schneggensteg und erreicht die Loisachstraße. Dort wohnten einst die „Archer“, sie hielten Uferböschungen und Floßlände instand. In den besten Zeiten fuhren 2.500 Flöße pro Jahr in Richtung München. Sie transportierten Holz sowie Fässer mit Gips aus den Gipsbrüchen der Region nach München.
In der höher gelegenen Frühlingsstraße lebten besser gestellte Leute. Die Häuschen dort, aus dem 18. Jahrhundert und noch älter, präsentieren sich im Sommer hübsch mit geraniengeschmückten Balkonen. Ein Farbenspiel in Rot, Weiß, Rosa, Gelb, Lila und Violett.
Spaziert man weiter Richtung Norden, kommt man zum lüftlbemalten „Bräustüberl“, daneben zum einstigen Hotel und heute feinen Restaurant „Husar“ mit Bemalung im Empirestil um 1800 – ein Husar, der Namenspatron, und ein Infanterist lehnen sich entspannt aus einem blinden Fenster. Wenige Schritte weiter steht die Alte Pfarrkirche mit Fresken aus dem 13. Jahrhundert.
Es geht um die Wurst
Hungrig vom Stadtrundgang? Regionale Kost mit exotischer Note für einen handfesten Imbiss findet man bei Ursula Sedlmayr nahe dem Marienplatz in Garmisch. Chilistangerl, Ingwerstangerl, Fenchelstangerl, ja sogar Lebkuchenstangerl zu Weihnachten gibt es dort neben vielen weiteren Spezialitäten. „Wir schlachten noch selbst. Die Tiere beziehen wir von kleinen Betrieben aus der Region oder aus Niederbayern, das Wild liefert der Jager. Artgerechte Haltung ist uns sehr wichtig“, erklärt die kreative Metzgermeisterin.
Das Fleisch reift bis zu acht Wochen lang am Knochen, die Würste werden in einem Räucherofen, den noch der Urgroßvater gemauert hat, haltbar gemacht. Sie kann man gut zu einer Tour auf den Wank mitnehmen. Den Gipfel empfiehlt die Ursula für einen Ausflug. Man kann hinaufgehen oder -gondeln und hat einen schönen Blick von ganz weit oben auf Garmisch-Partenkirchen und die eindrucksvolle Bergkulisse.
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