Almen, Klammen, Seen, historische Gasthäuser, traditionelle Bauernhöfe und herrschaftliche Villen im Berchtesgadener Land spielen tragende Rollen in Kriminalfilmen, Hebammenserien - und berühmten Hollywoodszenen. Die Region wurde 2018 sogar als „Drehort des Jahres“ ausgezeichnet
Filmregion Berchtesgaden
Am Anfang war die Wiese. Oder „die Meadow“. Ein grüner Flecken über Marktschellenberg, vor der imposanten Kulisse des Untersbergs. Über die Wiese tanzte die junge Julie Andrews selbstvergessen im Musikfilm „The Sound of Music“ (1964) und sang dabei „The hills are alive“ – eine der legendären Hollywoodszenen und so etwas wie die Initiation von Berchtesgaden als Filmdrehort.
Anni Stocker, damals Besitzerin der Wiese, erinnert sich gut an den Dreh: „Jeden Tag kam ein Trupp von 40 bis 50 Leuten. Allerdings war das Wetter recht schlecht. Letztendlich konnten sie trotzdem auch die Szenen aus dem Hubschrauber drehen.“ Sie genoss die Nähe zu den Schauspielern. „Die Julie Andrews hat sich immer in meiner Bauernstub'n umgezogen. Wir wollten uns zum 50-jährigen Filmjubiläum sogar nochmals treffen, aber dann musste die Julie den Termin kurzfristig absagen.“
Weitere Szenen des Films, der in den USA wesentlich bekannter ist als in Deutschland, wurden am Königssee und am Höglwörther See nahe Bad Reichenhall gedreht. Am Ende des Films flüchtet die Familie Trapp bei Nacht und Nebel gleichermaßen vom Rossfeld aus direkt in die Schweiz … Eine Tafel an der Rossfeld-Panoramastraße gibt weitere Infos zum Film.
Die 16 Kilometer lange Mautstraße zog aufgrund der Ausblicke und der Straßenführung in den nachfolgenden Jahren weitere Crews an. Unter anderem im Schatzsucher-Abenteuer „Die Jagd nach dem Bernsteinzimmer“ (2011), in „Vincent will meer“ (2009) und sogar in „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ (1989) haben die Kurven samt Bergkulisse ihren spektakulären Auftritt.
Karriere eines Kalenderbildes
Die Trapp-Familie respektive ihr „Film-Double“ kehrte 2015 zurück in die Filmwelt Berchtesgaden. Auch wenn Geschichte und Film größtenteils im nahen Salzburg spielen, so findet in „Die Trapp Familie – ein Leben für die Musik“ Agathe von Trapp senior auf dem stimmungsvollen Friedhof der Pfarrkirche St. Sebastian in Ramsau ihre letzte Ruhe.
Das Ensemble aus Kirche, hölzernem Ertlsteg, sprudelnder Ramsauer Ache und dem Felsstock der Reiteralm im Hintergrund stehen geradezu symbolhaft für das Berchtesgadener Land. Kaum ein Fotokalender, der ohne das Motiv auskommt. Und kaum eine Filmcrew, die diese Location links liegen lässt.
Seen, Steine, Schluchten
Nur eine Stunde zu Fuß der Ache flussaufwärts ist es vom Bergsteigerdorf Ramsau zum von Bergen und Wald umgebenen Hintersee. Für das Drama „Rufmord“ (2018) stand Schauspielerin Rosalie Thomass als Luisa so überzeugend bis zu den Hüften im kalten Seewasser, dass daraus das Filmplakat wurde. Und sie kraulte durch den See, um sich freizuschwimmen von ominösen Mobbingattacken.
Dank der Vogelperspektive lässt sich über das betörende Dunkelgrün staunen, das das Ufer des Bergsees markiert. Dabei ist der nichts als ein Stausee, angestaut durch einen riesigen Felssturz vor etwa 3.500 Jahren, der 15 Millionen Tonnen Fels, Stein und Staub ins Klausbachtal donnern ließ.
Drohend-mystische Kulissen sind perfekt für dramatische Szenen
Märchenhaft schlängelt sich heute ein Wanderweg durch den Schuttkegel, die enormen Brocken aus Dachsteinkalk sind bedeckt von Moos und kleinen Bäumchen, dazwischen sucht sich das klare Wasser der Ache mal plätschernd, mal donnernd seinen Weg. Ein echter Zauberwald – anders kann die Gegend um den Hintersee gar nicht heißen.
Schon 2015 war Rosalie Thomass in Berchtesgaden vor der Kamera gestanden, um im Kriminalfilm „Die Tote aus der Schlucht“ (2015) als Kommissarin zu ermitteln. Dabei traten auch die Kirche in Ramsau, der Hintersee und das Fernsebenlehen oberhalb des Sees als „Nebenschauplätze“ auf. Die dramatische Anfangsszene und der Showdown liefen allerdings in der wildromantischen Almbachklamm ab.
Die enge Schlucht ist durch 29 Brücken, 320 Stufen, einen Tunnel und schmale Pfade erschlossen, in der Tiefe gurgelt und tost es, vor allem im Frühjahr während der Schneeschmelze und nach Regenfällen – drohend-mystische Kulisse für spannende Filmpassagen. Und beeindruckend für Wanderer, die vom „Gasthaus Kugelmühle“ am Klammeingang aus zwischen den Felswänden hinaufsteigen nach Ettenberg mit der pittoresken Wallfahrtskirche Maria Heimsuchung und dem „Mesmerwirt“ daneben.
Himmlische Ruhe? Nicht ganz …
Zusammen mit der Barockkirche und dem monumentalen Berchtesgadener Hochthron spielt der Ettenberger Gasthof unter dem Namen „Almwirt“ eine tragende Funktion in der Hebammenserie „Lena Lorenz“. In mittlerweile sechs Staffeln hilft Lena, zuletzt gespielt von Judith Hoersch, im Ort Himmelsruh als Hebamme Kindern auf die Welt und den Schwangeren samt Partnern durch harte, ernste und schwierige Zeiten.
Im „Almwirt“ wird gefeiert, diskutiert, geplant und gestritten, wohingegen am Lorenzhof das „Familienleben“ abläuft. Himmelsruh hat – oft leicht wiederzuerkennen – seine realen Widerparts in Marktschellenberg und Berchtesgaden.
A scheene Leich!
Jung, dunkelblond, hübsch, kräftig rotes Dirndl. Aber eben auch bleich und nass, sehr nass. Vor allem jedoch kalt, so kalt wie das Wasser, das unverdrossen in Richtung Berchtesgadener Ache fließt und die tote Laura Huber umspült. Dazu noch die Würgemale am Hals.
Also kein Spaß, sich bei den Aufnahmen von „Watzmann ermittelt“ (2019) totzustellen. Oder doch? Das Schwierigste bei der Szene in „Almsünde“, der zweiten Folge der Vorabendserie, sei es gewesen, sagt Schauspielerin Leonie Lindner später lächelnd und aufgewärmt, in den eisigen Temperaturen „die Leichenstarre zu halten“.
"Das Schwierigste ist, die Leichenstarre zu halten“
Auf die Spur des Mörders von Laura Huber machen sich der brummige Hauptkommissar Benedikt Beissl und der lockere Jerry Paulsen, letzterer der zukünftige Schwiegersohn Beissls. Ihr Polizeirevier: Berchtesgadens reale Polizeistation. Die denkmalgeschützte Villa Bayer gegenüber dem Nationalparkzentrum Haus der Berge gilt als die schönste Polizeiinspektion Bayerns.
Die Doppelspitze, gespielt von Andreas Giebel und Peter Marton, kommt bald dem Mörder von Laura auf die Spur. Genauso wie sie die bisher acht gesendeten Fälle „von lokaler und aktueller Relevanz“ lösen: etwa den Mord am Betreiber eines veralteten Sessellifts, den Tod eines Hoteliers, die mysteriöse Ermordung des Mannschaftsarzts vom Bobteams des SV Königssee oder die Tötung eines Berufsfischer am Königssee.
Dabei haben viele bekannte, öffentliche Orte ihren Auftritt als Filmlocation. Von der Rodelbahn bis zur Kletterhalle, von der Eckeralm am Rossfeld unter dem Hohen Göll bis zur putzigen, aussichtsreichen Kirchleitn-Kapelle am Lockstein über Berchtesgaden, von der Enzianbrennerei Grassl bis zur Almbachklamm, vom Königssee und bis zu Berchtesgadens Fußgängerzone – die Taskforce ist überall im Dienste der Ermittlungen unterwegs.
Abschließende Realitäten
Auch wenn der Trailer zu „Watzmann ermittelt“ verkündet: „Der Watzmann – Granitgestein – Zweitausender – Verbrechensrisiko: hoch“, so stehen die Mordquote und die Dichte an Gewalttaten in den Filmen in keinem Verhältnis zur Realität.
Wilhelm Handke, der Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Berchtesgaden, berichtet von zwei versuchten Totschlagsdelikten (nicht Mordtaten!) in den letzten zehn Jahren, bei denen die Opfer obendrein glücklicherweise überlebten. Das Berchtesgadener Land ist also ein friedlicher, sicherer Ort. Wo übrigens im Jahr zwischen 900 und 1.000 Kinder zur Welt kommen, völlig ohne Lena Lorenz' Hilfe.
Mehr über die Filmregion Berchtesgadener Land unter berchtesgadener-land.com