Kelheim liegt am Zusammenfluss von Donau und Main-Donau-Kanal. Über der Herzogstadt thront die Befreiungshalle. Ein Stück donauaufwärts warten das Kloster Weltenburg mit seinem weltberühmten Bier, aber auch Alpakas und Melonen
Kelheim: Befreiungshalle, Weltenburg und flauschige Alpakas
Fernando hat Appetit. Gestern war er wieder unten an der Donau unterwegs, eine zweistündige Ausflugs-Rundtour für einen Kindergeburtstag. Wie immer ging er an der Spitze voran, selbstbewusst und stolz. Als Leittier der Herde. Und jetzt steht er als Erster am Futternapf.
„Man könnte auch sagen, Fernando ist unser Platzhirsch“, meint Isabella Köglmaier, die auf ihrem Bizzlhof in Staubing darauf achtet, dass den anderen Alpakas beim Essen noch etwas übrigbleibt. Wie etwa dem wachsamen Egon, dem neugierigen Hektor, der stolzen Buena und auch der Ältesten im Bunde, der Grand Old Lady der Herde mit dem schönen Namen Piña Colada.
Seit Generationen ist der Bizzlhof, drei Kilometer südlich des Klosters Weltenburg gelegen, in Familienbesitz. Die Köglmaiers halten aber nicht nur wie seit jeher Schweine und bauen Kartoffeln an. Sie halten auch Alpakas für Flusswanderungen und pflanzen seit 2019 auf einem Hektar Wassermelonen an.
8.000 Stück ernteten sie im vergangenen Jahr. Und ja, die Ernte war auch schon mal besser, meint Andreas Köglmaier. Aber kein Anlass zum Jammern. „Wenn du das Privileg hast, hier leben zu dürfen“, sagt er, „dann darfst dich eh nicht beschweren. Wegziehen aus Kelheim, das käme für uns nie in Frage.“
Hügelgräber und Herrenhöfe: Mächtig viel Historie hier
Staubing ist nicht nur für die Köglmaiers ein ganz besonderer Ort. Als eines der ältesten Dörfer im Stadtgebiet von Kelheim reicht die Geschichte Jahrtausende zurück. Archäologen fanden uralte Hügelgräber und Reste eines keltischen Herrenhofs. Die Römerstraße vom Kastell Abusina nach Regensburg führte hier durch, ab dem 5. Jahrhundert siedelten sich hier die Bajuwaren an.
Staubing ist ein wahres Stück Altbayern. So wie auch Kelheim selbst, das zwischen Altmühl und Donau früh zu einem bedeutenden Sitz und Stützpunkt der Wittelsbacher geworden war. Zu einer Zeit, als die Stadt München noch nicht einmal existierte.
Man kommt beim Bummel durch die Kelheimer Altstadt der Historie an kaum einer Ecke aus. Gleich unten an der Donau etwa, neben der Schiffsanlegestelle, liegt das Wittelsbacher Schloss. Als Burg von Kelheim wurde es schon 1050 erwähnt, 1173 kam dort der spätere Herzog Ludwig I. zur Welt. Sein Beiname: Der Kelheimer – wie auch sonst.
Spaziert man wenige Meter weiter, durch das Donautor in die Wittelsbachergasse, stößt man neben der Ottokapelle auf ein Kreuz im Kopfsteinpflaster. Als Markierung jener Stelle, an der das Leben jenes Kelheimer-Ludwigs 1231 bei einem Messerattentat ein Ende fand. Ludwigs Spuren sind allgegenwärtig im alten Stadtkern, den er zu Lebzeiten hatte anlegen lassen. Mit der heutigen Altmühl- und Donaustraße in Nord-Süd-Richtung. Mit Ludwigstraße und Ludwigsplatz in West-Ost-Ausrichtung. Zwei Hauptachsen, die die Stadt in vier Viertel teilten und die an ihrem Kreuzungspunkt in der Mitte das Zentrum Kelheims markieren.
Straßen, durch die man gern und sehr entspannt schlendert, mit Geschäften und Lokalen, Bars, Cafés und Restaurants. Und mit dem Denkmal von Ludwig I. ganz im Osten, der in diesem Fall aber nicht den erdolchten Herzog darstellt, sondern den bayerischen König. Doch zu dem später mehr.
Alte Kelheimer Institution: Das Markl heißt jetzt Buk
Wer nicht nur schauen und staunen, sondern auch von Einheimischen mehr darüber erfahren möchte, was für sie den Reiz der Stadt ausmacht, der setzt sich am besten auf eine hausgemachte Zitronentarte in das „Café Buk“ und spricht mit Johannes Rabl. Der Endzwanziger kellnerte schon in seiner Zeit als Gymnasiast in diesen Räumlichkeiten, die damals noch als „Café Markl“ bekannt waren.
Das „Markl“ war eine Institution in Kelheim, seit seiner Eröffnung 1872 für viele Kelheimer über eineinhalb Jahrhunderte ein lieb gewonnenes Stammlokal. Auch die Großeltern und Eltern von Johannes kehrten hier immer wieder ein. Und verabredete man sich als Teenager zu einem Rendezvous, dann traf man sich eben ganz oft im „Markl“, auf traditionelle Spezialitäten wie Herrentorte und Rumnusskuchen – bevor dann die Liebe durch den Magen ging. Das Café gehörte zur Stadt wie Donau und Altmühl.
Johannes selbst hatte nach dem Abitur ganz andere Pläne. Er studierte in Erlangen Werkstoff- und Materialwissenschaften, dann Maschinenbau. Später ging er nach Regensburg für eine Kochausbildung im Hotel „Roter Hahn“ und arbeitete mit Mitte zwanzig bereits im Sternerestaurant „Storstad“ von Meisterkoch Anton Schmaus im Regensburger Goliathhaus. Es schien, als stünde ihm die Welt offen.
Dann aber zog es ihn zurück in seine Heimat. Weil das „Markl“ gerade dichtgemacht hatte, übernahm er das Lokal als neuer Pächter. Mit frischem Konzept, jungem Design und einem neuen Namen: „Café Buk“. Buk – wie die Vergangenheitsform von Backen, als Verbindung zwischen modernem Zeitgeist und traditionellem Handwerk.
Man backt hier wie früher. Das knusprig-frische Brot kommt aus dem Holzofen, Kuchen kommen aus der alten Konditoreistube. Produkte wie Käse, Milch und Kaffee stammen alle von Lieferanten aus der Region. Wie die letzten eineinhalb Jahrhunderte auch schon.
Der Charme der Kleinstadt: Reine Gefühlssache
Ob er es nicht bereut, auf der Suche nach Inspiration und Erfahrung nicht noch weiter herumgezogen zu sein? „Nein“, sagt Johannes über einem großen Cappuccino, „wirklich losgekommen bin ich von hier nie. Und jetzt bin ich sehr glücklich, wieder da zu sein. Und auch wenn ich in meiner Zeit in Erlangen und Regensburg nicht allzu weit weg war: Es ist etwas anderes, hier leben und arbeiten zu dürfen.“ Mehr so eine Gefühlssache.
„Jetzt bin ich sehr glücklich, wieder da zu sein."
Die Familie, die Freunde, die auf einen Sprung vorbeikommen. Rauszugehen aus dem Lokal und den „Charme der Kleinstadt“ zu spüren, wie er sagt. Immer irgendein bekanntes Gesicht zu treffen, stehen bleiben, plaudern. Oder auch runterzugehen an die Donau und am Fluss zu spazieren, durchs Umland radeln. „Den Bezug zu Kelheim und zur Natur“, sagt Johannes, „all das habe ich erst nach meiner Rückkehr wieder so bewusst wahrgenommen. Ich hatte nicht mehr auf dem Schirm, wie schön’s hier ist.“ Höchste Zeit für einige der besonderen Orte der Umgebung.
Die Befreiungshalle: Kolossaler Tempel mit Rundumblick
Zunächst hoch zur Befreiungshalle, dem imposanten Wahrzeichen auf dem Michelsberg. Diesen Monumentaltempel hatte König Ludwig I. im Gedenken an die siegreichen Schlachten gegen die französischen Truppen in den Befreiungskriegen zwischen 1813 und 1815 beim königlichen Hofarchitekten Friedrich von Gärtner in Auftrag gegeben. Errichtet wurde er aus lokalem Kalkstein.
Auf der Außengalerie bietet sich ein gewaltiges 360-Grad-Panorama: Der Blick fällt weit hinein ins Niederbayerische – und natürlich hinunter auf die ruhig dahinfließende Donau und zu ihrem Durchbruch, der nächsten Station unserer Erkundungstour.
Je nach Saison legen die Schiffe bis zu 13-mal am Tag vom Steg neben dem Wittelsbacher Schloss für die Bootstour Richtung Westen ab. Die Fahrt geht über fast sechs Kilometer durch die Weltenburger Enge mit ihren bis zu 80 Meter hohen Kalkfelsen, ein Geotop, das zum ersten Nationalen Naturmonument des Freistaats ernannt wurde und bereits 1840 von König Ludwig unter Naturschutz gestellt wurde.
Die imposanten Gesteinsformationen tragen Namen wie Bienenkorb, Räuberfelsen oder auch Napoleons Koffer. Weil Frankreichs Kaiser dort auf einem Rückzug seine Reisetasche vergessen haben soll, do heißt es. Eine schöne Sage. Oder einfach Flussmannsgarn.
Weltenburg: Mit dem Schiff zur ältesten Klosterbrauerei
Am Ende der 40-minütigen Schifffahrt steht natürlich der Besuch des Benediktinerklosters Weltenburg auf dem Programm. Es ist eine der ältesten Abteien in Bayern mit einer mehr als tausendjährigen Geschichte und der ältesten Klosterbrauerei der Welt. Hier stießen Mönche schließlich schon um 1050 mit hauseigenem, selbst gemachtem Bier an.
Bei rund einer halben Million Besucher im Jahr herrscht täglich Trubel zwischen Klosterschenke, Biergarten und der Pfarrkirche, die von den Gebrüdern Asam im Stil des Spätbarocks gestaltet wurde.
Es gibt aber auch ruhige Orte hier. Vor dem Kloster etwa auf der Kiesbank am Fluss. Ein wunderbarer Rückzugsort außerhalb der Klostermauern. Und geht man von dort weiter flussaufwärts, hat man gute Chancen, auf dem Wanderweg vielleicht auf Fernando, Egon und die anderen Alpakas zu treffen. Staubing liegt gleich nebenan. Direkt nach der nächsten Biegung der Donau, die sich Richtung Osten windet auf ihrer noch mehr als 2.400 Kilometer langen Reise zum Schwarzen Meer.
Die Altmühl endet in Dietfurt a.d. Altmühl und mündet dort in den Main-Donau-Kanal, der dann in Kelheim in die Donau einfließt. Die letzte Fußgängerbrücke über den Fluss ist vielleicht einer der schönsten Orte für den Ausklang eines eindrucksvollen Tages in der Stadt und in der Umgebung. An diesem lauen Sommerabend fällt vom höchsten Punkt der geschwungenen Hängebrücke der Blick auf das Dämmerlicht im Westen und die illuminierte Befreiungshalle.
Lauscht man dem Stimmengemurmel, das von den Wirtsgärten auf beiden Flussufern herüberwabert, und lässt man entspannt die ruhige Atmosphäre auf sich wirken, dann versteht man gut, weshalb Johannes, Isabella und Andreas wieder zurückwollten. Oder am besten einfach geblieben sind.