Die Fuggerstadt macht Spaß: Im Sommer erfrischen fast 30 kühle Kanäle und lauschige Biergärten die Besucher. Auf Kulturreisende warten viel Geschichte und zahlreiche Sehenswürdigkeiten. Und das alles wird uns in heiterer, entspannter Stimmung serviert
Augsburg neu entdecken und erleben
Fuggerplatz. Zwei Straßenmusiker, schon im gesetzten Alter und mit gemütlichem Bäuchlein ausgestattet, packen Gitarre und Geige aus. Am Tisch des italienischen Restaurants schmeckt der Vino frizzante, die Sonne schaut freundlich zu. Die Melodien schwingen unplugged und in dezenter Lautstärke, ja fast zart durch die Luft. Keine nervig-laute Beschallung wie so oft in Fußgängerzonen, sondern unaufdringliche Musik.
Und das ist irgendwie typisch für die Atmosphäre in Augsburg: Belebt an den „Hotspots“, aber immer dezent, angenehm entspannt, fast familiär. Auch Hans Jakob Fugger, vor dessen bronzener Nase ein Kind auf einem Trampolin herumtanzt, macht keine Ausnahme. Auf seinem Platz genießt er in gehobener Sockelstellung still den Vormittag ...
Das Trampolin ist im „Familiensommer“ nur eine von vielen Attraktionen und Sehenswürdigkeiten in Augsburg. Auch auf dem Rathausplatz geht’s rund, mit Kettenkarussel, Zuckerwatte und gebrannten Mandeln. Kinderbelustigung vor prächtiger Kulisse! Das fast 60 Meter hohe, zwiebelbetürmte Rathaus, Anfang des 17. Jahrhunderts erbaut, ist Ausdruck des Bürgerstolzes der einst freien Reichstadt. Und zusammen mit dem Perlachturm daneben – wegen Sanierung kann er derzeit nicht betreten werden – das Wahrzeichen der Stadt Augsburg.
Das Rathaus, ein echtes Prachtstück
Der glänzende Höhepunkt im Rathausinnern gehört zu jedem Augsburg-Besuch: Der Goldene Saal, 14 Meter hoch und 550 Quadratmeter groß! Hingucker ist die vergoldete Kassettendecke aus Nussbaum. Barocker, schwindelerregender Prunk, und das nicht nur, weil man den Kopf in den Nacken legen muss.
Auch einen Hinausgucker sollte man sich gönnen. Durch die großen Fenster blickt man über den Rathausplatz und auf den statuenbestückten Augustusbrunnen. Er ist neben Merkur- und Herkulesbrunnen der dritte im Bunde der prächtigen Renaissancebrunnen der Stadt.
Vier Wassergottheiten an seinem Sockel symbolisieren die Gewässer Wertach, Lech, Singold und Brunnenbach. Weibliche Figuren spenden aus Bronzebrüsten Wasser. Ebenfalls einen Blick wert: Am Elias-Holl-Platz ragt das Rathaus an seiner Rückseite noch um einen Tick imposanter in den Himmel. An seinem Fuß machen es sich Gäste auf der Terrasse des Ratskellers gemütlich, Passanten finden Schatten auf einer Bank unter Bäumen.
Finanzstarke Visionäre mit Herz: Die Fugger
Augsburg zählt etwa 300.000 Einwohner, doch die Stadt ist überschaubar, die Sehenswürdigkeiten sind nie überfüllt, alles ist gut zu Fuß zu erreichen. Wie die älteste bestehende Sozialsiedlung der Welt, die berühmte Fuggerei, einige Gehminuten vom Rathaus entfernt.
Der Handels- und Bank-Tycoon Jakob Fugger der Reiche hat sie 1521 gestiftet. Sagenhaft reich geworden ist er durch Geschäfte mit Barchenttuch (Leinen-Baumwolle-Gemisch), Kupfer und Silber. Am Hungertuch nagen musste Fugger also nicht. Er konnte sich die Charity-Anlage leisten – und so auch etwas für sein Seelenheil tun.
Die Fuggerei: 88 Cent Jahresmiete
Denn wer in der ummauerten Reihenhaussiedlung mit 67 Häuschen à je zwei Wohnungen ein Zuhause findet, muss täglich für den Stifter und seine Familie beten: Ein Vaterunser, ein Ave Maria und das Glaubensbekenntnis. Hinzu kommen eine „Miete“ von 88 Cent/Jahr sowie 88 Cent/Jahr für den Fuggerei-Pfarrer – und monatliche Nebenkosten (die sich durchaus summieren können). Eine Stiftung entscheidet darüber, wer Aufnahme findet.
Bayern-Tapas unterm Kreuzgewölbe
Ein Spaziergang führt durch das wohlgeordnete Kleinststadtidyll der Fuggerei unweit des Altstadt-Zentrums. Die Giebelhäuschen sind verziert mit allerlei Wappen und Heiligenfiguren. Wilder Wein rankt an einigen Fassaden empor.
Danach stärken sich die Besucher meist im kleinen Biergarten oder im Restaurant „Die Tafeldecker“. Zu dessen Spezialitäten zählen „Bayerische Tapas“, wie Wildschweingulasch mit Mini-Kartoffelknödel oder „Bazda“ mit roten Zwiebeln. Die schnickschnacklose, modern-bayerisch reduzierte Einrichtung des Restaurants, geprägt von dunklem Nussbaumholz, wurde vom dreiköpfigen Augsburger Designerteam „Dreimeta“ entworfen.
Design made in Augsburg
Die größte Herausforderung? „Das denkmalgeschützte Kreuzgewölbe im Restaurant war der akustische Supergau“, erzählt Designerin Andrea Kraft-Hammerschall, Mitte dreißig und mit dunklen Locken. „Da schaukeln sich die Geräusche so auf, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Wir haben das Problem unter anderem dadurch gelöst, dass wir in die Wandverkleidung aus Holzlatten schallschluckenden Stoff integriert haben.“ Die Reverenz an den Stifter: Jakob Fugger ist Stammgast – in Form eines großen Porträts an der Wand.
Lechviertel: Brecht & more
Ein kleines Museum im Lechviertel ist dem großen Schriftsteller und Dramatiker Bertolt Brecht gewidmet. Unmittelbar davor fließt der Hintere Lech vorbei, so schnell, als wollte er eiligst das Geburtshaus des einstigen Bürgerschrecks hinter sich lassen. Stimmt natürlich nicht. Erstens ist Augsburg heute stolz auf seinen berühmten Sohn B. B. und zweitens überwindet das Wasser auf dem Weg durch das Stadtgebiet ein Gefälle von fast dreißig Metern. Und kommt dabei ganz schön in Fahrt.
Und das ist gut so. Die Kanäle trieben mit ihrer Power lange Zeit Wasserräder an – das Rad am Schwallech zeugt noch davon – und versorgten Handwerker und Mühlen mit Energie. Grundstein für den Wohlstand der Stadt mit ihren Textilfabriken. Das Wassermanagement-System hat sich seit dem 13. Jahrhundert entwickelt, 2019 wurde es zum UNESCO-Welterbe erklärt.
Mehr Brücken als Venedig
Die 29 Kanäle vom Lech und zwei der Wertach sind zusammen knapp 90 Kilometer lang und verlaufen parallel zueinander. Sage und schreibe 530 kleine und große Brücken führen über Augsburgs Bäche und Kanäle – damit hat die Stadt mehr Brücken als Venedig. Nördlich der Stadt münden sie wieder in ihre Ursprungsflüsse. Herausragendes Monument ist das Wasserwerk am Roten Tor mit seinen drei Türmen. Es versorgte jahrhundertelang die Stadt mit Trinkwasser.
Augsburgs Kanäle: Ran ans Wasser
Das viele Wasser tut noch auf andere Weise gut. Es kühlt im Sommer angenehm die Flaneure – beispielsweise, wenn man entlang der Kanäle durchs Lechviertel schlendert, vorbei an kleinen Cafés und Läden. Dabei sollte man immer die Augen offen haben und in Toreinfahrten spähen.
Nicht selten entdeckt man dahinter einen lauschigen Biergarten, so wie den mit Graffiti verzierten Thing-Garten. In ihm gedeiht die eine oder andere Augsburgblume, ein bekanntes Street-Art-Motiv. Eine mögliche Route führt durch Schwibbogengasse sowie die Gassen Bei St. Ursula und Hinterer Lech. Am Holbeinplatz kann man einen Schluck Wasser vom Trinkwasserbrunnen nehmen oder ein Eis aus dem Café schmecken lassen.
Ab ins Wasser!
Weiteres Augsburger Wasser-Erlebnis: Die Kahnfahrt am Stadtgraben. Bunte Boote dümpeln dort im ruhigen Wasser, vor oder nach der Ruderpartie schmeckt ein Imbiss auf der Restaurantterrasse. Oder man mietet ein Fahrrad, packt die Badehose ein, und ab geht’s den Lech aufwärts, vorbei an der Olympischen Slalomstrecke von 1972 zum Hochablass.
Ob Luther ins Schwitzen kam und auch Erfrischung am Lech suchte? Das ist nicht bekannt, doch der Gedanke drängt sich auf, liest man: „Martin Luther verweigerte hier im Oktober 1518 gegenüber dem päpstlichen Legaten Cajetan den Widerruf seiner Thesen.“
Die kleine Inschrift findet sich an der Wand der Fuggerhäuser in der Maximilianstraße 36/38, Augsburgs Parademeile. Oder ging der Reformator danach auf einen coolen Drink in den Damenhof? Heute könnte er. Denn der erste Renaissancehof nördlich der Alpen, ein Schmuckstück, verborgen im Gebäude-Ensemble, mit bemalten Säulenarkaden und Wasserbassin, ist bewirtschaftet und eine beliebte Aperitif-Location.
Blaue Stunde: Herkulesbrunnen
Der Tag war lang. Die blaue Stunde bricht herein. Am Herkulesbrunnen in der Maximilianstraße plätschert das Wasser im Scheinwerferlicht, Abendwind streift durch die Blätter der aufgestellten Palmen. Im Hintergrund ragt der Turm der Basilika St. Ulrich und Afra in den Himmel.
Die ersten Nachtschwärmer sitzen am Brunnenrand, Getränke in der Hand. Junge Gesichter leuchten auf im Schein der Handydisplays. Ein Autoposer röhrt vorüber, stoppt, fährt weiter. Dann ist es wieder ruhig. Durch den lauen Abend hallen nur die Stimmen und das Lachen der Menschen.
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