Die Schwuhplattler sind der weltweit erste und einzige schwule Verein für bayerisches Brauchtum. Gründer Sepp Stückl und seine Mitkämpfer hatten anfangs mit Widerständen zu kämpfen. Heute steht die vielfach geehrte Tanzgruppe für Heimat und Vielfalt, für Tradition und Toleranz – und für jede Menge Gaudi
Schuhplatteln mit den Münchner Schwuhplattlern
Die Geschichte vom Christopher Street Day 2004 in Altötting erzählt der Sepp besonders gern. Zur farbenfrohen Parade der schwul-lesbischen Community im stockkatholischen Wallfahrtsort kamen einige Schwuhplattler mit dem Zug aus München angereist. Jeder standesgemäß in Tracht, jeder mit einem langen Stecken aus Haselnussholz.
Kaum stiegen sie am Bahnhof in Altötting aus, kam die Polizei und beschlagnahmte die Stangen. „Weil sie g‘meint ham, wir machen eine illegale Gegendemo“, erinnert sich der Sepp, „und dass wir die Feier aufmischen und die Leut‘ verprügeln wollen.“
Da fielen die Altöttinger Beamten vom Glauben ab: Diese Burschen gehören zur Parade? Die Holzstöcke sind nicht für eine Rauferei gedacht, sondern sind Requisiten für den Steckentanz, einen alten Volkstanz. Und warum sollten sich diese gestandenen Mannsbilder in Lederhosen in den bunten Reigen von wehenden Regenbogenfahnen und schillernden Dragqueens einreihen wollen?
Gelebtes Weiß-Blau-Bunt
Längst sind die Schwuhplattler, der erste schwule bayerische Brauchtumsverein, in der Gesellschaft angekommen. Sie werden bei TV-Sendungen im Komödienstadl, auf der Bühne des Hofbräuhauses oder auf der Oidn Wiesn gefeiert.
Die Schwuhplattler erhalten Auszeichnungen und Ehrungen, von der Stadt München für die bayerische Brauchtumspflege und von Markus Söder sogar den Bayerischen Verdienstorden – für Sepps Einsatz für Weltoffenheit und Heimatverbundenheit, für Toleranz und Tradition. Für ein gelebtes Weiß-Blau-Bunt.
Die Frage aller Fragen: Wann klatscht man wie wo drauf?
Ein Freitagabend im Döllingersaal von St. Willibrord in der Münchner Blumenstraße. Alle zwei Wochen treffen sich die Schwuhplattler dort zum Proben. Anfangs geht es immer um die Grundlagen des Plattelns. Für Anfänger und Neueinsteiger wie an diesem Abend Ole aus Norwegen.
Ole lebt schon seit einigen Jahren in München, über einen Freund hörte er von dieser bayerischen Tanzgruppe, aber so recht findet er an diesem Abend noch nicht hinein. In die richtige Koordination. Wann klatscht man wie wo drauf? Auf die Schenkel, den Schuh, in die Ferse, in die Hand. Und das alles im richtigen Rhythmus. Eine Wissenschaft für sich. Ein Tanz mit sieben Siegeln.
Brasilianer tanzen Heisei und Glöckerl
„Stampf, stampf, eins, zwei, drei, vier, Wechsel.“
Andere der über 110 Mitglieder kommen aus Amerika, Brasilien, Schweden und aus dem fernen Nordrhein-Westfalen. So wie Christian, der Übungsleiter an diesem Abend, der zum Aufwärmen den Heisei vorplattelt, später den Ruhpoldinger, den Inzeller und das Glöckerl.
So heißen die unterschiedlichen Varianten. Zwischendrin spricht er vom Fünferschlag oder gibt Kommandos wie: „Stampf, stampf, eins, zwei, drei, vier, Wechsel.“
In einer Probenpause kommt Sepp Stückl an einen der Tische hinten im Saal. Der Sepp ist über 70, mit ihm begann die Geschichte der Schwuhplattler vor gut 25 Jahren. Er kommt aus Uffing am Staffelsee und wuchs mit Brauchtum, Tradition und Volksmusik auf.
Opa, Mama, Papa, alle waren sie im Trachtenverein. So wie der Sepp auch. Mit 21 wurde er sogar schon Vorstand. Zu einer Zeit, in der er auch mit Frauen ausging, zum Kaffeetrinken, zum Essen, ins Kino. „Aber immer, wenn’s um mehr ging“, sagt der Sepp, „hab ich nicht wollen.
Es war ein ewiger Kampf mit mir selber, weil ich mir nicht eingestehen wollte, dass ich schwul bin. Nur irgendwann wird’s Zeit, dass der Kampf vorbei ist.“ Der Sepp war 28, als er sich eingestand, lieber mit einem Mann eine Beziehung eingehen zu wollen als mit einer Frau.
Traditionspflege und Homosexualität
Der Aufschrei in seinem Trachtenverein war damals groß, vor allem als der Sepp 1997 in München die Schwuhplattler gründete. Widerstände und Anfeindungen habe es gegeben, erzählt er, bei Festumzügen war er ungern gesehen. „Sie haben das damit begründet, dass sie für meine Sicherheit nicht garantieren können“, sagt der Sepp.
So waren der Sepp und die Handvoll schwuler Plattler, die 1998 auf dem Sommer-Tollwood ihren ersten großen Auftritt hatten, sehr skeptisch. „Wir haben uns gefragt, ob sie erst mit Tomaten auf uns werfen, mit Eiern oder gleich mit Steinen“, erinnert sich der Sepp.
Stattdessen wurden sie frenetisch gefeiert. Und einer aus dem Publikum kam begeistert auf die Bühne und fragte freudig, ob er mittanzen dürfe. Auch er ein alteingesessener Trachtler, schwul und traditionsbewusst.
Zu vermitteln, dass Traditionspflege und Homosexualität kein Widerspruch sind, das war und ist das große Anliegen der Schwuhplattler. Die Liebe zur Heimat, die Liebe zu Männern. Natürlich geht beides, warum auch nicht? Zumal im Land der Liberalitas Bavariae.
Alles, nur kein Klamauk!
Natürlich treten sie nicht in pinken Dirndln auf, wie manchmal frotzelnd gefragt wurde. Natürlich machen sie keinen albernen Klamauk. Man muss den Schwuhplattlern nur bei einer der dreistündigen Proben zuschauen, um zu erkennen, mit welcher Seriosität und mit welch hoher Konzentration für die nächsten Auftritte geübt wird.
Fast schon traditionell sind die Auftritte im Herzkasperl-Festzelt auf der Oidn Wiesn. Sie zählen auch für Paul zu den jährlichen Höhepunkten im Kalender. Der US-Amerikaner ist von Anfang an in der Truppe dabei. Der Schwuhplattler der ersten Stunde kam in den wilden 1980ern aus seiner Heimat in Kansas nach München. „Erst mit den Schwuhplattlern bin ich so richtig in München und Bayern angekommen“, sagt Paul. „Das gab mir das Gefühl, eine Heimat gefunden zu haben.“
Sensation bei der Geldersheimer Kirchweih!
Aus einer anderen Generation stammt Christoph aus dem unterfränkischen Sennfeld, er ist Jahrgang 1997. Geboren in dem Jahr, in dem sich die Schwuhplattler gründeten. Mit 15 habe er sich geoutet: „Probleme in der Gemeinschaft im Ort bekam ich überhaupt nicht“, sagt er, „es wurde einfach akzeptiert. Es war nicht einmal ein Thema.“
Christoph erzählt noch von der Geldersheimer Kirchweih, dem fränkischen Brauchtumsfest ganz in der Nähe von Sennfeld. Wie immer stand auch der Kirchweihtanz auf dem Programm, und damit auch die Kür des besten Tanzduetts zum sogenannten Hammelkönigspaar. Nur, dass nun erstmals keine männlich-weibliche Kombination gewann.
Sondern Christoph mit seinem Lebensgefährten aus Bremen. „Gefeiert wurden wir wie die Gewinner sonst auch“, sagt Christoph, „das machte überhaupt keinen Unterschied.“ Muss früher eben nicht nur immer alles besser gewesen sein. Sie sind angekommen in der Gesellschaft. In der guten neuen Zeit.
„Wir wollen in den Stern kommen“
Im Döllingersaal nähern sich die Proben dem Ende. Christian bittet zum Einstudieren des besagten Steckentanzes. Schließlich ist lange her, dass sie ihn das letzte Mal bei einem Auftritt gezeigt hatten. 2016 war das, beim Schrobenhausener Spargelmarkt. So hakt es anfangs noch bei Roland und Wolfgang, bei Marco und Justin. So ganz sind sie noch nicht im Tritt. „Wir wollen in den Stern kommen“, sagt Christian und: „Schwingen, schwingen, drehen.“ Bis sie am Ende die perfekte Choreografie beisammenhaben.
Beim Abschied erzählt der Sepp draußen noch, dass unter den 115 Mitgliedern inzwischen auch viele Heteros sind. Weil die Schwuhplattler das alles nicht so eng sehen, sondern offen sind. Gelebte bayerische Toleranz eben.
Podcastfolge mit einem Schwuhplattler
Schuhplatteln Schnellkurs
1. Takt
Mit dem rechten Fuß aufstampfen.
Mit der linken Hand auf den linken Schenkel schlagen.
Mit der rechten Hand auf den rechten Schenkel schlagen.
2. Takt
Mit der rechten Hand von hinten auf die linke Schuhsohle schlagen.
Mit der linken Hand auf den linken Schenkel schlagen.
Mit der rechten Hand auf den rechten Schenkel schlagen.
3. Takt
Mit der rechten Hand von hinten auf die linke Schuhsohle schlagen.
Mit der linken Hand auf den linken Schenkel schlagen.
Mit der rechten Hand auf den rechten Schenkel schlagen.
Mit der linken Hand auf den linken Schenkel schlagen.
Mit der rechten Hand von vorne auf die linke Schuhsohle schlagen.
Mit der linken Hand auf den linken Schenkel schlagen.
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