Dagmar Rosenbauer aus der Fränkischen Schweiz sorgt dafür, dass der sogenannte Flitterkranz oder Hohe Kranz, ein festlicher Kopfschmuck, Trachtenträgerinnen begeistert. Als Einzige fertigt sie originalgetreue Exemplare nach historischen Vorlagen. Damit erhält sie einen alten Brauch am Leben. Text: Ornella Rosaria Cosenza, Fotos: Tobias Gerber
Fränkische Flitterkränze von Kronenmacherin Dagmar Rosenbauer
Dagmar Rosenbauer sitzt am Tisch in ihrem Werkstattladen im malerischen Dörfchen Kunreuth in der Fränkischen Schweiz. Um sie herum sind die Regale und Schränkchen bis obenhin gefüllt: mit Trachtenstoffen, Seidenstickgarnen, Bändern, Borten, Schmuck und Knöpfen – alles ist gefaltet und sortiert. In unzähligen Kästchen und Schachteln verstecken sich Drähte, flimmernde Plättchen, handgemachte oder in Form geblasene Hohlglas- und Glasschliffperlen.
Geschickt verzwirbelt Dagmar Bulliondrähte, formt daraus Rosetten und fädelt Perlen und Flitterle auf. Immer wieder von vorne, wochenlang in liebevoller Handarbeit. Zusammen mit Pappreif, Goldlamee-Borten und viel Geduld fertigt Dagmar so festlichen Trachtenkopfschmuck nach historischem Vorbild: den Flitterkranz.
An kirchlichen Festtagen trugen unverheiratete Mädchen den Kopfschmuck. „Die Hochzeit war der letzte Anlass, zu dem so ein Kranz getragen wurde“, erklärt Dagmar Rosenbauer. Seit Ende des 18. Jahrhunderts gibt es in der Fränkischen Schweiz die Tradition der Flitterkränze.
Liebe auf den ersten Blick
Die Faszination für Trachten begleitet Dagmar seit ihrer Jugend. Sie erinnert sich noch genau an ihr Aha-Erlebnis: „Damals zog ich mit meinen Eltern in unser neues Haus. Das Unkraut im Garten musste weg, deshalb kamen etwa zehn Gärtnerinnen in fränkischer Werktagstracht zu uns. Diese bunt bestickten Leibchen, die farbenfrohe Tracht – das war voll mein Ding. Ich wollte das auch haben.“ Liebe auf den ersten Blick sozusagen. Ihre Mutter sah das anders: „Sie meinte, das sei nur etwas für alte Weiber“, erzählt Dagmar.
Sie aber ließ sich nicht von ihrer Begeisterung abbringen und begann zu experimentieren. „Als ich noch nicht ganz volljährig war, wagte ich mich an meinen ersten Flitterkranz. Da habe ich die Dinge noch im Bastelzubehör gekauft. Damals hatte ich noch keine Fachkenntnisse und habe einfach gesagt: Ok, ja, mache ich.“
Das Endergebnis, sagt Dagmar, sei noch nicht ganz perfekt gewesen, zu sehr haben die Plättchen geglänzt. „Das war mehr eine Disco-Krone“, sagt sie und lacht. Aber: Darüber gab es einen Pressebericht, deshalb kamen daraufhin die ersten Leute auf sie zu, die wollten, dass Dagmar Rosenbauer deren Hohe Kränze restauriert.
Die Autodidaktin
Ihre Fertigkeiten und Kenntnisse eignete sie sich über die Jahre selbst an. Es begann 1979 als leidenschaftliches Hobby, heute ist es ihr Beruf: Seit mehr als 30 Jahren restauriert und fertigt Dagmar Brautkronen. Seit 24 Jahren führt sie ihren eigenen Laden für Trachtenzubehör. Da sie keine gelernte Schneiderin ist, arbeitet sie für ihre historischen und modernen Trachten mit Schneidermeisterinnen zusammen. Dagmar Rosenbauer setzt Kundenwünsche aller Art um, berät und arbeitet jedes Stück nach traditionellen Vorlagen.
Geduldige Handarbeit
Im Alpenraum und in Teilen der Oberpfalz sind die Flitterkränze baguetteförmig. In der Fränkischen Schweiz ist die Form kronenartig. „Sie sind von der Verarbeitung her die aufwendigsten, die ich kenne“, sagt Dagmar.
„Flitter“ sind gestanzte Metall- beziehungsweise Messingplättchen, die in den Kränzen verarbeitet werden. 3.500 bis 4.000 davon fädelt sie einzeln im dreifachen Arbeitsgang in etwa 430 Arbeitsstunden für einen Hohen Kranz auf – per Hand.
„Das muss von Hand gemacht werden, das geht nicht maschinell, sogar ein Roboter würde scheitern.“
Mit einer mit Fußschalter ausgestatteten Bohrmaschine verzwirbelt sie Drähte zu Stielen, an deren Ende dann die Flitterle hängen. Bei einem Stundenlohn von 5,90 Euro liegt der Preis für einen Flitterkranz bei rund 2.500 Euro. Anders wäre der ein Kilogramm schwere Kopfschmuck nicht zu bezahlen.
„Nur echte Liebhaber legen in unserer Region noch viel Geld dafür hin. Deshalb restauriere ich mehr, als dass ich neue Kränze fertige. Und das muss von Hand gemacht werden, das geht nicht maschinell, sogar ein Roboter würde scheitern.“
Kronen-Kunst und nachhaltige Tracht
Dagmar ist die Einzige in der Region, die das Handwerk des Kronenmachens noch beherrscht. Umso wichtiger ist es für sie, die regionale Trachtenkultur leidenschaftlich zu pflegen. „So eine Tracht ist in der Anschaffung teuer, aber es ist die billigste Kleidung, die man besitzen kann“, sagt sie.
Trachten seien auf Lebenszeit geschnitten und deshalb von Natur aus nachhaltig. Das Geheimnis liege in der Naht: „Die alten Nahtführungen haben den Vorteil, dass man sehr viel leichter Dinge größer oder kleiner machen kann, ohne sich sofort etwas Neues zulegen zu müssen.“ Die Tracht wächst mit!
Besonders junge Menschen in der Fränkischen Schweiz würden aktuell wieder mehr Interesse an der Trachtenkultur aus der Heimatregion zeigen. Und eine besondere Beobachtung hat Dagmar gemacht: „Die Menschen, die mal woanders waren, über den Tellerrand geschaut haben, die entdecken die Wertigkeit der regionalen Trachtenkultur eher als die, die immer da geblieben sind.“
Ausflugstipps von Dagmar Rosenbauer
Annafest in Forchheim
Es ist spektakulär, weil es mitten im Wald stattfindet und dort jede Form von Musik gespielt wird. Es laufen einem zudem viele Trachtenträger über den Weg. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Das „auf die Keller gehen“, um dort sein Bier zu trinken, ist etwas sehr Besonderes in unserer Region. Es ist auch wesentlich gemütlicher als andere Volksfeste, man findet immer irgendwo einen Platz.
alladooch-annafest.de
Walberla in Kirchehrenbach & Sambafestival in Coburg
Typische Sehenswürdigkeiten sind außerdem das Walberla in Kirchehrenbach, die Teufelshöhle in Pottenstein und die Basilika in Gößweinstein. Für Revue- und Sambafans empfehle ich das Samba-Festival in Coburg.
Pfalzmuseum
Im Pfalzmuseum in Forchheim gibt es unter anderem auch ein Trachtenmuseum. kaiserpfalz.forchheim.de
Fränkische Schweiz
Immer wieder schön sind außerdem die Felsen in der Fränkischen Schweiz und die Seitentäler.
fraenkische-schweiz.com