Andi Nöß aus Steingaden ist Harmonikabauer und Musiker. Schon als Kind spielte er „Ziach“. Später setzte er sich das Ziel, selbst Harmonikas zu bauen. Diesen Traum hat er sich verwirklicht. Wir besuchten ihn in seiner Werkstatt im idyllischen Allgäu
Harmonikabauer Andi Nöß aus Steingaden im Allgäu
Andi Nöß weiß, was die Seele einer Ziach, wie die Harmonika in der Mundart heißt, braucht. Seine Werkstatt ist klein: Werkzeug, viel Holz, links die Arbeitsfläche, rechts ein Tisch, Kisten mit Harmonika-Zubehör. „Hier riecht es noch ein bisschen nach dem Instrument, das zuletzt offen war“, sagt Andi, als er die Tür zu seiner Werkstatt, die an sein Wohnhaus angeschlossen ist, öffnet.
Spricht hier ein Chirurg oder ein Harmonikabauer? Nun, Andi Nöß ist vermutlich eine Mischung aus beidem. Er operiert zwar nicht am offenen Herzen, dafür widmet er sich dem Innenleben von Harmonikas. Diskant- und Bassmechanik, Balg und natürlich der richtige Klang – all das sind Dinge, die Andi Nöß beachten muss, wenn er eine Harmonika fertigt oder sie repariert. Am Ende ist jedes Instrument ein Unikat. Mit einzigartigem Klang.
Früh übt sich
Schon als kleiner Junge war Andi Nöß sehr nah dran an traditionellen Instrumenten und Musik. Etwas, das ihn geprägt hat. „Meine Eltern haben immer viel musiziert. Über einen Trachtenverein bin ich zur Ziach gekommen“, sagt er. Der Cousin und sein Onkel spielen auch Ziach.
Schon im zarten Alter von neun Jahren nimmt Andi Ziach-Unterricht. „Damals, beim Kaminkehrer“, sagt er, als er sich an die Zeit erinnert. Und es sollte nicht das einzige Instrument bleiben, das er beherrschen wollte. Er lernt Posaune und Gitarre. Morgens, bevor er zur Schule ging, übte er regelmäßig mit seiner Ziach. Er lacht: „Meine Eltern waren halt froh, dass es kein Schlagzeug war.“ Als junger Erwachsener spielte er in verschiedensten Band-Formationen. Andi ist leidenschaftlicher Musiker.
Harmonika, Ziach, Steirische?! Kein Grund zur Verwirrung!
„Ziach“ lautet die Bezeichnung im Dialekt für die Steirische Harmonika. Diese hat wiederum nicht direkt etwas mit der Steiermark zu tun – lediglich mit der Bauart des Instruments. Es wurde vermutlich in Wien erfunden. Durch ihren diatonischen Aufbau eignet sich diese Harmonika hervorragend zum Spielen alpenländischer Volksmusik. In Wien bezeichnete man diese Musik als „steirisch“ und meinte damit „ländlich“. Daher kommt auch die gebräuchliche Bezeichnung „Steirische“ für dieses Instrument.
Geduld und Hartnäckigkeit
Aber zurück zu Andi Nöß. Mehrere Tausend Arbeitsschritte sind zum Fertigen einer Ziach nötig. Je nach Umfang sind es etwa 150 Stunden Arbeit an einem Instrument. Alles traditionelle Handwerksarbeit. Wie und wo kann man dieses Handwerk heute noch erlernen?
Der Weg zum Traumberuf war kein leichter, seine Beharrlichkeit zahlte sich aber aus.
Andis Weg zum Traumberuf war kein leichter, seine Beharrlichkeit zahlte sich aber aus. Auch weil Andi an sich und sein Ziel glaubte. Noch während seiner Schulzeit wollte er ein Praktikum beim Harmonikabauer Öller in Freilassing absolvieren. Er erhielt eine Absage. Nach der Schule bewarb er sich dort für eine Lehrstelle und wurde wieder weggeschickt. Aus der Traum?
„Ich solle erst eine Lehre zum Schreiner machen“, sagte man ihm dort. Was Andi auch tat. Er absolvierte seine Schreinerausbildung und stellte sich kurz darauf wieder in Freilassing vor. Diesmal klappte es mit der Lehrstelle zum Instrumentenbauer: Heute kann sich Andi Handwerksinstrumentenmacher-Meister nennen.
Arbeiten, wo andere wandern gehen
Zu den Kunden des Meisters gehören Musiker aus der näheren Umgebung und aus München. „Der Radius wird aber immer größer“, sagt er. Andi Nöß arbeitet von zu Hause, seine Werkstatt ist dem Haus angegliedert, in dem er mit seiner Frau und seinem Sohn lebt. Macht er die Tür seiner Werkstatt auf, blickt er auf den kleinen Bismarckweiher. Dahinter sieht man die Berge. Idylle pur. Arbeiten, wo andere wandern gehen.
Harmonisches Duo
Bei „Nöß Harmonikabau“ gibt es noch einen zweiten Menschen, der wichtig für der Herstellung der Harmonikas ist: Hardi Schmid. Er ist Schreinermeister und fertigt alle Holzteile mit modernster Technik, sodass Andi sie für den Bau der Harmonika weiterverwenden kann. Auch Hardi ist Musiker. Beide teilen die Leidenschaft für Musik. Beide sind Experten auf ihrem Gebiet.
Liebe zum Detail
Durchschnittlich fertigt Andi jeden Monat eine Harmonika oder führt Reparaturen an Instrumenten durch. Sein Arbeitstag beginnt früh am Morgen und geht „dann bis open end, so wie das eben ist, wenn man freiberuflich arbeitet“, sagt er. Viel Zeit für Freizeit bleibt da nicht. Wenn aber mal doch Luft ist, findet man Andi viel draußen. Wandern geht er dann schon mal barfuß.
Weil sein Arbeitsplatz gleichzeitig sein Wohnort ist, ist er flexibel und kann auch mal mit seinem Sohn spielen. Der nächste Harmonikabauer von Steingaden? Vielleicht.
Auf Andis Website heißt es: „Jede Nöß-Harmonika ist perfekt in Klang, Optik und Technik – erst dann verlässt sie unsere Werkstatt.“ In jede Stunde Arbeit steckt Andi sein gesamtes Wissen und seine Leidenschaft. Profis sehen, hören und fühlen das sofort. Aber auch Laien spüren schnell: Beim Andi, da stimmt’s einfach.
Ausflugstipps von Andi Nöß
„Gasthaus zur Illach“
Unweit von Andis Werkstatt befindet sich ganz in der Nähe des Lechstausees das „Gasthaus zur Illach“. „Das ist ein echter Geheimtipp. Eine urige bayerische Wirtschaft mit Biergarten und Kegelbahn“, sagt Andi. Man sitzt dort gemütlich im Grünen oder drinnen auf alten Holzbänken und Stühlen. Beliebt ist das Wirtshaus insbesondere bei Radlern und Ausflüglern. Eine Website gibt es nicht, die Öffnungszeiten sind dienstags und freitags ab 17 Uhr. Wenn man Glück hat, ist im Sommer auch schon früher jemand da.
Buchenberg
Den Buchenberg hat Andi Nöß vor der Haustür. „Von oben hat man einen schönen Ausblick auf die Ammergauer Alpen, der Berg ist außerdem sehr familienfreundlich.“ Auf der Sonnenterrasse der Buchenberg Alm (an der Bergstation der Buchenbergalm) kann man den Ausblick genießen, erfrischende Kuchen und kleinere Gerichte es im Buchenberg Café (an der Talstation, Montag Ruhetag) und Kinder können sich auf dem Spielplatz austoben.
buchenbergbahn.de
Wieskirche und Brettleweg
Natürlich darf die Wieskirche bei Steingaden bei Andis Tipps nicht fehlen. Seit 40 Jahren ist die Kirche im Allgäu UNESCO-Welterbestätte – sie ist eine der berühmtesten Rokokokirchen der Welt. „Wenn man sich die Wieskirche anschaut und gutes Wetter ist, dann sollte man auf jeden Fall noch Zeit einplanen für den Brettleweg“, sagt Andi. Beides lässt sich gut miteinander verbinden. Der Brettleweg ist ein Rundweg zwischen Steingaden und der Wieskirche. Auf schmalen Holzbrettern führt der Weg über das Wiesfilz und durch Wälder.
pfaffen-winkel.de