Oldtimer Mercedes Benz im Bayerischen Thermenland
Bayerns Toskana

Kurvt man zwischen Bad Füssing, Bad Griesbach und Bad Birnbach umher, versteht man schnell, was es mit der „Toskana“ auf sich hat. Eine Oldtimer-Genussreise mit Naturschönheiten und gesunder, sprudelnder Erholung

Lesezeit: 15 Minuten

Oldtimer-Genussreise im Bayerischen Thermenland

Diese Weite! Immer wieder. Der Blick reicht so weit. Mild zeichnen die Hügel ihre Linien an den Horizont. Die Szenerie davor wechselt zwischen Wäldern, Wiesen und Feldern. Zwischendrin ein Bauernhof, irgendwo ein Weiler, ein Dorf. Weiche Konturen, eingetaucht in sanfte Farbnuancen. Das sind ziemlich gute Aussichten …

Ein Landschaftsgemälde, wie man es im Chianti erlebt oder irgendwo zwischen Siena, Pisa und Viareggio. Doch das Schöne liegt in unserem Fall so nah: zwischen Simbach, Pocking und Vilshofen. Und damit im Herzen der „Niederbayerischen Toskana“, wie die Gegend zwischen Donau und Inn oft genannt wird.

Diese lässt sich wunderbar zu Fuß und per Rad entdecken. Oder im tiefenentspannten Entdeckermodus auf einer Oldtimer-Genusstour durch das Niederbayerische Bäderdreieck – mit Bad Birnbach, Bad Griesbach und Bad Füssing als den Eckpunkten.

Das sind drei Orte, die mit ihren Thermalquellen nicht nur Beschwerden an Muskeln, Knochen und Gelenken lindern. Studien wiesen auch positive Effekte auf die Psyche nach. So lassen sich mit dem Heilwasser Burnout-Symptome verringern sowie Vitalität und Lebensqualität steigern.

Zum Start unserer in jeder Hinsicht wohltuenden Erkundungsreise bietet sich eine Spurensuche an. Der Exkurs ist wichtig, um zu verstehen, wie das eigentlich alles begann. Wie aus einem verlassenen Landstrich eine der meistbesuchten Heilbadregionen in Europa wurde mit den heißen Thermen als touristischen Hotspots.

Recht zackig mit Tiefgang: Der alte Bohrkopf von 1938

Fündig werden wir im „Ortner’s Resort“ in Bad Füssing. Das ist ein Luxus- Lifestyle-Hotel mit fünf Sternen und einer ganz eigenen Geschichte. Ziemlich versteckt liegt in einem der verwinkelten Gänge ein unscheinbares Stück Eisen mit verrosteten Zähnen und Zacken: genau jener historische Bohrkopf, mit dem sie auf dem Grundstück des früheren Wimmerhofs 1938 nach Erdöl gruben und zunächst einmal mächtig frustriert waren, als statt Schwarzen Golds nur heißes Schwefelwasser nach oben schoss.

Es war Franz Ortner, der Schwiegersohn der alten Wimmer-Bäuerin, der 1946 das Potenzial erkannte, die schon verschlossene Quelle wieder öffnete und Gäste in einem heißen Tümpel baden ließ – darunter auch einige amerikanische Soldaten und versehrte Kriegsheimkehrer, die über die heilende Wirkung des Wassers mächtig staunten. Nach der Untersuchung eines Münchner Instituts hatten sie es dann schriftlich: Heimat des schwefelhaltigsten Thermalwassers in ganz Europa. Wer brauchte da noch Erdöl!

Ob in der hoteleigenen Thermenwelt, durch die täglich 100.000 Liter des frischen Schwefelwassers aus über 1.000 Meter Tiefe nach oben sprudeln, oder in den drei anderen Thermen Bad Füssings, ob in Bad Griesbach oder Bad Birnbach: Wer sich und seiner Gesundheit im Heilwasser und auf Sprudelliegen, in Dampfsaunen oder im Hamam Gutes tun will, sitzt hier an der Quelle.

Frau im Hamam der Wohlfühl-Therme in Bad Griesbach
Entspannen bei 60 Grad in der Zirbelstube der Therme Eins in Bad Füssing

Inseln im Inn: Zugvogel-Raststätte

Doch Bayerns Toskana hat noch viel mehr im Angebot als heilendes Thermalwasser. Vor allem Natur ... und davon reichlich. Auf der ersten Etappe geht es mit unserem Mercedes 250 SE von Bad Füssing zum Naturschutzgebiet Unterer Inn. Dorthin also, wo der Fluss längst den wilden Drang verloren hat, mit dem er jung und ungestüm auf seinen ersten Kilometern durch die Alpen rauscht.

Dass der breite Strom auf seiner letzten Strecke vor der Mündung in die Donau in Passau recht müde und antriebslos wirkt, hat vor allem mit den vier Staustufen zu tun, die sie zwischen 1942 und 1961 unterwegs zur Stromgewinnung einbauten.

Die dadurch bedingte Zerstörung alter Lebensräume schuf aber auch neue Biotope. Mit den Jahren staute sich einiges auf: Durch die Sedimente, die an den Staumauern hängen blieben, bildeten sich neue Inseln – als Brut- und Nistplätze wie als willkommener Zwischenhalt für Zugvögel. Heute gilt das Reservat als Knotenpunkt im interkontinentalen Vogelzug und wichtige Raststätte der Tiere auf ihrem Weg Richtung Süden.

Über 120 Vogelarten brüten auf den Inselchen und Sandbänken, in Schilfufern und in den Auwäldern des Unteren Inn. Der dient auch für ein altes Seeadler-Paar als permanente Seniorenresidenz. Man kann’s ja gut aushalten am Wasser und darin. Wenngleich der Fluss nicht ganz so warm ist wie das Wasser des Heilbad-Trios in der Nachbarschaft.

Naturlandschaft Europareservat Unterer Inn
Mercedes Benz 250 SE, Baujahr 1967

Whirlpool an der Weide: Urlaub bei den Bio-Rindern

Die Reise im alten Benz W 108 aus dem Jahr 1967 geht weiter westwärts nach Taubenbach und zum Hof von Thomas Jetzlsperger. In fünfter Generation leitet er seine 45 Hektar große Landwirtschaft bereits. Er erzählt draußen vor seinem Hofladen, wie er sich 2012 zu einem radikalen Schritt entschied: für die Zucht von heute achtzig robusten Galloway-Rindern, deren feines Fleisch schon die alten Römer schätzten, als sie sich im schottischen Teil von Britannien niederließen.

Bei Thomas ist alles bio, die Tiere ernähren sich ohne Zufütterung nur vom Gras in den Streuobstwiesen, im Winter vom Heu. Und wenn’s an die Schlachtung geht, findet diese auf der Weide statt – das erspart den Rindern den Stress des Abtransports in beengten Lastwägen ins Schlachthaus. Wenn Fleisch, dann so.

Ein Metzger sorgt für die Zubereitung als Steak oder Gulasch, Hackfleisch oder Salami. Wer’s gleich direkt probieren möchte, kommt am besten freitags vorbei, wenn Thomas im Biergarten Steaks und Burger grillt.

Wer nur den Rindern beim Grasen zuschauen möchte, der quartiert sich am Wiesenrand in einem der drei Tiny Houses ein, zu denen auch ein Whirlpool und der herrliche Blick über die Weide bis hinein in die Berchtesgadener Alpen gehören. Wahrlich ein Ort mit Weitsicht!

Galloway Burger: Thomas Jetzlsberger und sein Sohn servieren Burger aus dem Fleisch seiner Garnecker Galloways

„Weissbräu“ im Wallfahrtsort: Braukunst mit Leidenschaft

Gemächlich schnurrt der Oldtimer im vierten Gang – mehr hat er nicht – zum nächsten Ziel: Kößlarn, einer der ältesten Wallfahrtsorte in Bayern. Wahrzeichen des Marktes: die Pfarrkirche Heiligste Dreifaltigkeit. Einst wurde sie als Wehrkirche mit einer Burgmauer samt Schießscharten umfriedet.

Ein guter Grund, nach Kößlarn zu pilgern, ist der „Weissbräu“ von Sven Grünleitner. Drüben in Kirchdorf am Inn wuchs er auf. Nach seiner Brauerausbildung zog es ihn um die halbe Welt, von Wien bis San Francisco – bevor er 2002 wieder zurückkam und die alte, damals recht heruntergewirtschaftete Brauerei in Kößlarn übernahm.

Gegründet hatte den „Weissbräu“ im Jahr 1889 ein gewisser Johann Schödermeier. Über Generationen sei der Betrieb in Familienbesitz gewesen, erzählt Sven, weshalb die alteingesessenen Kößlarner heute immer noch sagen: „Jetzt fahr ma zum Scheedamoa und hoi ma uns a Weißbier.“ Auch wenn der Scheedamoa heute längst ein Grünleitner ist.

Wenn er über seinen Jahresausstoß von 2.500 Hektolitern berichtet und darüber, dass er außer einem Restaurant in Köln nur Märkte und Wirtschaften in der Region beliefert, über seine knappen Kalkulationen und seine drei Mitarbeiter, dann spürt man, dass das alles nur mit Leidenschaft und Idealismus funktioniert. Bei einem, der so viel herumkam in der Welt und der sich einen „heimatverbundenen Produktpatrioten“ nennt. Global denken, lokal trinken.

Bronze-Keiler von Kößlarn: Eine humorvolle Hommage des Malchinger Künstlers Dominik Dengl an den Bullen der Börse

Gruß zum Abschied: Alois und sein letzter Bock

Eine von Svens Brauspezialität ist ein Weißbierbock namens „Keiler“, benannt nach dem Wappentier von Kößlarn. Die saisonale Spezialität gibt’s nur zwischen November und April. Die letzte Flasche von der heurigen Saison, erzählt er, hat er in diesem Jahr für den Alois aufgehoben, den Schwiegervater seines besten Spezls.

Den „Keiler“ schätzte der Alois sehr, bis zu seinem Tod – weshalb Sven dem Alois bei der großen Beerdigung mit 600 Trauergästen wenige Tage später die finale Flasche mit ins Grab stellte. Als letzten Gruß. Schwoab’s owe!

Atmosphärisch auf Touren kommt man am besten im sanften Tempo

Sachte geht die Reise weiter, die für damalige Zeiten enormen 163 PS des Fahrzeugs braucht man nicht. Atmosphärisch auf Touren kommt man am besten im sanften Tempo. Die Route führt vorüber am Wasserschloss Schönau, das von einer Parkanlage umgeben ist, für die sich Landschaftsarchitekt Carl von Effner den Englischen Garten in München zum Vorbild nahm. Das Wasserschloss sieht so verwunschen aus, als wäre es die Heimstatt von Petrosilius Zwackelmann im „Räuber Hotzenplotz“.

Einen Boxenstopp legen wir auf dem „Thalhauser Hof“ ein. Wegen Resis selbst gemachten „Kiachaln“, wie es im Dialekt heißt. Kredenzt werden die „Auszognen“ in der Wirtsstube neben einem bei Altötting abgetragenen und hier wieder aufgebauten Heustadl.

Wasserschloss Schönau im Rottal

Letzte Etappe: Zu Wurstsalat, der Mostkönigin und Spaß im Spa

Ein wenig Hunger bewahren wir uns aber auf für den nächsten Stopp: im „Bräustüberl“ in Aldersbach, einem urigen Gasthaus, wie man es heute nur selten findet. Weit weg von künstlichem Folklore-Look im Landhausstil, vielmehr ein kerniges Original, in das man wie in einem Biergarten sein eigenes Essen noch mitbringen darf. Ansonsten kommen deftige Brotzeitschmankerl wie Obazda, Wurstsalat oder Glaslfleisch, Bio-Schweinernes in Aspik, auf den Tisch.

An einem der Holztische im „Bräustüberl“ sitzt Martina Neumaier. Sie wurde dieses Frühjahr zur neuen Rottaler Mostkönigin gekürt. Nun ist sie zwei Jahre lang unterwegs auf Festen, Märkten und Empfängen und natürlich bei den traditionellen Mostwochen im Landkreis. In ruhigen Stunden ist die Martina gern hier im „Bräustüberl“, mit dem Maßkrug ihres Onkels Erich.

Die Krüge seien eine Besonderheit, sagt sie. Nur regelmäßige Stammgäste erhalten das Privileg eines eigenen, individuell beschrifteten und personalisierten Krugs. Der wird in einem Regal gleich hinter dem Ausschank bis zum nächsten Besuch aufbewahrt. Der Maßkrug als Ritterschlag!

Mercedes Benz Oldtimer vor Kloster Aldersbach
Martina Neumaier ist die Rottaler Mostkönigin 2024

Das „Bräustüberl“ lohnt seit Ende 2024 noch mehr einen Abstecher, da nach einer jahrelangen Restaurierung mit Mariä Himmelfahrt gleich nebenan eine der schönsten bayerischen, von den Asam-Brüdern gestalteten Barockkirchen wiedereröffnet.

Das vorletzte Teilstück unserer Toskana-Tour führt in der Abendstimmung über Schloss Ortenburg nach Vilshofen. Das ist mit dem Zusammenfluss von Vils, Wolfach und Donau die kleine Schwester der Dreiflüssestadt Passau weiter stromabwärts. Sehenswert ist der von bunten Fassaden gesäumte Stadtplatz mit dem Stadtturm, der früher der Brandwache und dem An- und Abblasen der Schiffe diente.

Dann rollen wir in unserem Heckflossen-Nachfolger, den übrigens die Autodesigner-Legende Paul Bracq, später BMW-Designdirektor, entworfen hat, zurück nach Bad Füssing. Dort entspannen wir am Ende eines langen Tags noch einmal in dem wohligen Thermalwasser, das aus mehr als 1.000 Meter Tiefe frisch nach oben sprudelt. Salute!

Bad Füssing: Entspannen im heilenden Thermalwasser der Therme Eins mit Saunahof

Lust auf eine Oldtimer-Fahrt?

Heinz Grötzner vermietet seinen 1976er 250 SE und auch andere Modelle.
E-Mail: heinz.groetzner@t-online.de

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