Neuburg an der Donau punktet mit einer der schönsten Altstädte Bayerns, mit dem prächtigen Stadtschloss und erlesenen Kunstschätzen. Und alle zwei Jahre wird ein großes Renaissance-Fest gefeiert. Natur genießt man im nahen Auwald und im Naturpark Altmühltal
Neuburg an der Donau – Sehenswürdigkeiten
Na dann, Prost! Die Apothekerfrau Lucrezia, geboren Anfang des 17. Jahrhunderts, reicht ihren Schützlingen ein Gläschen Kräuterlikör, natürlich selbst gemacht. Ah, tut gut. Schmeckt angenehm süß und schmeichelt dem Magen. So verdaut man manches Detail der spannenden Stadtführung zum Thema „Von Hexen, Heilern und Halunken“ besser.
Lucrezia heißt im unkostümierten Leben schlicht Margit. Die promovierte Kunsthistorikerin ist eine der Gästeführerinnen und -führer, die als historische Figuren sehr informative, unterhaltsame Spaziergänge durch Neuburg leiten.
Die 30.000-Einwohner-Stadt liegt reizvoll im Donau-Tal, zwischen der Fränkischen Alb im Norden sowie Donaumoos und Hügelland im Süden. Die historische Oberstadt thront auf einem Jurafelsen hoch über dem Fluss. Sie ist perfekt erhalten, tipptopp renoviert und gilt deshalb als einer der schönsten Renaissance-Komplexe in Bayern.
Münzstätte und Hexenkerker
„Wir befinden uns in uraltem Siedlungsraum, es gab bronzezeitliche Ansiedlungen, auch Spuren der Kelten wurden entdeckt. Und es existierte hier, wo wir stehen, auch ein Römerkastell“, so Lucrezia.
Im Turm des mächtigen Hauses wurden „Hexen“ eingekerkert.
Die Stadtgänger gruppieren sich in einem kleinen Hof vor der sogenannten Münz. Das älteste Gebäude der Stadt beherbergte die Münzstätte. Und im Turm des mächtigen Hauses wurden „Hexen“ eingekerkert, bevor sie hingerichtet wurden. Die grausame Verfolgung von „Hexen“ und „Zauberern“ wütete besonders zwischen Ende des 16. und Ende des 17. Jahrhunderts. Eine Zeit, die geprägt war von der Kleinen Eiszeit mit viel Regen, Frost sogar im Sommer und schlechten Ernten.
Unerklärlich war das für viele Menschen: Da mussten also übernatürliche Kräfte am Werk sein. Ein Nährboden für Verschwörungstheorien. „Schuldige“ waren schnell „besagt“, also verleumdet. „Das traf besonders Personen, die sich unbeliebt gemacht hatten oder in der Öffentlichkeit standen wie Bäcker-, Metzger- oder auch Apothekerfrauen“, so Lucrezia.
Gute Stube Karlsplatz
Die Hangterrassen heißen ‚Hutzeldörre‘, was 'getrocknete Birne' bedeutet.
Weiter geht es die Innere Stadtmauer entlang und durch den ehemaligen Hofgarten am südlichen Altstadtberg. „Die Hangterrassen heißen ‚Hutzeldörre‘ – Hutzel bedeutet ‚getrocknete Birne‘. Warum? Hier haben sich die älteren adligen Damen gern gesonnt“, lächelt Lucrezia ironisch.
Es geht vorbei an einem Kräutergarten, in dem sich jedermann bedienen darf. Links und rechts des Weges sprießt das Grün, die Mai-Sonne blinzelt durch das Blätterdach. Aus einer schmalen Schießscharte in der Mauer wächst friedlich ein Baum empor, Efeu bedeckt die Mauer, Vögel zwitschern.
Die gute Stube der Oberstadt ist erreicht: der großzügige Karlsplatz. Wunderschön umsäumen ihn bis zu 200 Jahre alte Linden und stattliche Häuser aus Renaissance, Barock und Rokoko. In der Mitte der gekiesten Fläche zieht der elegante Marienbrunnen die Blicke auf sich.
Hofkirche und das Rathaus mit zweiläufiger Freitreppe dominieren die Piazza im Osten. An der Westseite fällt die Rokoko-Fassade der Provinzialbibliothek auf, prachtvoll im Innern der Bibliothekssaal mit barockem Schrankwerk.
200-Kilo-Kerl: Ottheinrich
Der Wittelsbacher Ottheinrich (1502 bis 1559), ein Vier-Zentner-Mann mit gut zwei Meter Brustumfang und der Inbegriff eines lebensfreudigen Renaissance-Fürsten, prägte Neuburg wie kein anderer. Das Fürstentum Pfalz-Neuburg existierte von 1505 bis 1808. Ein kurioses Konstrukt aus sechs verstreuten Landstrichen, die heute in Schwaben, Oberbayern, Mittelfranken und der Oberpfalz liegen.
Ottheinrich war der erste Pfalzgraf und regierte ab 1522 mehr als drei Jahrzehnte lang. Er führte die Reformation ein, förderte Wissenschaft und Kunst, gab Porträts und monumentale Wandteppiche in Auftrag, sammelte Bücher, ließ eine kostbare Bibelhandschrift vollenden, die berühmte Ottheinrich-Bibel. Und er stand ständig vor dem Bankrott…
Ottheinrich ließ das Stadtschloss im Stil der Renaissance ausbauen, das später erweitert wurde. Heute ist das eine Anlage mit vier mächtigen Flügeln um einen Innenhof mit Arkadengängen und Sgraffiti, Bildern in einer anspruchsvollen Stucktechnik.
Die Schlosskapelle zählt zu den ältesten protestantischen Kirchenräumen weltweit, außergewöhnlich sind auch die barocken Schlossgrotten. Hell strahlend und mit zwei Rundtürmen zeichnet das Schloss eine der schönsten historischen Stadtsilhouetten Bayerns ans Donau-Ufer.
Rubens & Co. in Ruhe genießen
Im Schlossinnern beleuchtet ein Museum die Historie des Hauses Pfalz- Neuburg und seiner Hauptakteure. Margit, am nächsten Tag in Zivil als Museums-Guide, deutet auf ein Porträt, das Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken und Neuburg darstellt. Ein Wittelsbacher mit Langzeitfolgen für ganz Bayern: „Wolfgang wurde durch seinen Sohn Karl zum Stammvater der Linie Pfalz-Birkenfeld. Und aus diesem Familienzweig kommen später die bayerischen Könige. Alle heute lebenden Wittelsbacher stammen also von ihm ab.“
"Alle heute lebenden Wittelsbacher stammen also von ihm ab.“
Besonders und zu Recht stolz sind die Neuburger auf die Sammlung Flämische Barockmalerei im Schloss. „Sie spielt in der gleichen Liga wie die Sammlungen in Madrid, Wien oder München“, freut sich Margit. „Wer sich für flämische Malerei begeistert, der muss nach Neuburg!“
Star der Sammlung ist Peter Paul Rubens. Bei ihm hatte der Pfalz-Neuburger Herzog Wolfgang Wilhelm dereinst Altarbilder für die Hofkirche bestellt. Heute hängen davon zwei in dem wunderschönen, modern gestalteten Museum. Und man kann sie ganz in Ruhe betrachten, ganz ohne Gedränge und Geschiebe.
Alle zwei Jahre wieder: Renaissance-Spektakel
„Regelmäßig kommen auch Spandiatori, Fahnenschwinger, aus Italien zu uns.“
So viel schöne Altstadt und Schlosskulisse schreien nach einem historischen Fest. Und der Verkehrsverein „Freunde der Stadt Neuburg e. V.“ hat den Ruf gehört. Alle zwei Jahre veranstaltet er in der Oberstadt das Schlossfest, ein Renaissance-Spektakel. „Es findet immer am letzten Juni- und ersten Juli-Wochenende statt“, berichtet der Vorsitzende Friedhelm Lahn.
Dann ist alles geboten: Tanz, Musik, Schauspiel, Reiterspiele, es gibt Zehrstätten, altes Handwerk und vieles mehr. „Regelmäßig kommen auch Spandiatori, Fahnenschwinger, aus Italien zu uns.“ Höhepunkte sind der Große Festumzug mit über 2.000 Teilnehmern und ein Feuerwerk. Dann hallt es durch die Gassen: „Ein dreifach: Jungpfalz Neuburg, vivat hoch!“
Raus in die Natur! Auwald oder Altmühltal
Einen Besuch in Neuburg lässt sich prima mit Naturerlebnissen verbinden. Gleich im Osten vor der Stadt erstreckt sich an der Donau ein großes Auwaldgebiet bis Ingolstadt. Ein grünes Paradies! Das kann man auf sechs Themenwegen erkunden, die zwischen 1,5 und 26 Kilometer lang sind. Dazu versorgt ein Informationszentrum im Jagdschloss Grünau mit Wissenswertem zum Auwald – von seiner ökologischen Bedeutung bis hin zum Thema Hochwasser.
Auch Radler sind in den Auen unterwegs. Der Naturpark Altmühltal mit seinen vielen Freizeitmöglichkeiten liegt, nördlich der Donau, ebenfalls vor der Haustür.
Sundowner oder Slow Food?
Sanftes Abendlicht spiegelt sich am Donaukai im grau-braunen Wasser. In flottem Tempo strömt es vorbei, kräuselt und kringelt sich an der Oberfläche. Schwalben touchieren im Tiefflug kurz das Wasser, steigen in die Höhe. Spaziergänger flanieren den Kai entlang, Radler rollen auf dem Donauradweg vorüber, im Hintergrund dominiert das mächtige Schloss die Szene.
Zeit für einen Sundowner im Café oder im lauschigen Biergarten. Oder ein Abendessen, etwa beim Griechen „Neo Kastro“, übersetzt Neuburg, mit großer Terrasse. „Neben den Fleischgerichten haben wir in der Regel immer auch Wolfsbarsch und Dorade auf der Karte“, sagt der junge Wirt Nico über seine Speisekarte.
Die Zeiten, als Neuburger Fischer Huchen, Waller und den grätenreichen „Spuckfisch“ Brachse aus der Donau holten, sind lange vorbei. Auch existierten früher noch viele Altwässer, in denen es Muscheln gab, damals war das ein Arme-Leute-Essen!
Modern bayerisch speist man stadteinwärts in der Traditionsgaststätte „Neuwirt“, entweder in der gemütlichen, holzvertäfelten Stube oder im überdachten Innenhof-Biergarten. Seit zehn Jahren ist der „Neuwirt“, zu dem auch ein Hotel gehört, im „Slow Food Genussführer“ vertreten.
„Wir kochen saisonal, kaufen regional ein, das heißt im Umkreis von maximal 80 Kilometern, und legen Wert darauf, dass das Fleisch, das wir in der Küche zubereiten, aus artgerechter Tierhaltung stammt“, erklärt Küchenchefin Anke Deiml.
Beliebt seien besonders der Schweinebraten und der Zwiebelrostbraten. „Wir garen das Fleisch bei Niedertemperatur mindestens zwölf Stunden lang“, so Anke. Die Köchin hat auch einen „Neu-Burger“ mit Hackfleisch vom Bio-Rind kreiert, „den besten Burger der Stadt“.
Bodenständiges aus dem Weinberg
Önologische Genüsse erwarten Besucher außerhalb der Stadtmauern. Keine Überraschung: Die Römer hatten den Weinanbau an die Donau bei Neuburg gebracht. Er endete um 1770, bis Josef Tremml die Tradition wieder aufleben ließ. „Ich habe 1991 ohne Wissen, nur mit den Wühlmäusen angefangen“, lacht der Quereinsteiger. Mittlerweile hat er eine Winzerausbildung absolviert und ist so etwas wie ein alter Hase im Weinberg. Zwei Weinberge besitzt der Nebenerwerbswinzer: in den Gemarkungen Bittenbrunn und Ried.
In der kleinen Laube „Zum Weinbauern“ im Eulatal verkostet man, mit Blick auf Donau und Neuburg, nach Anmeldung Tremmls Wein. „Ich mache alle Arbeiten im Weinberg mit der Hand,“ erklärt Josef, „bei mir kommen keine faulen Trauben in die Ernte, sauberes Lesegut ist das A und O.“
In den Gläsern leuchtet rosa der Gemischte Satz, also Wein aus verschiedenen Rebsorten, die in einem Weinberg wachsen und gleichzeitig geerntet werden. Vinum Vernaculum, „der Bodenständige“, heißt der Tropfen. Der wasserspeichernde Juraboden sorgt für fruchtig-erdigen Charakter. Der Bodenständige schmeckt entsprechend fruchtig, mit ausgewogener Säure und Restsüße. Prost, Neuburg!