Die Weinromantik am Main lässt sich richtig schick genießen. Außerdem warten barocke Opulenz, kreative Biere eines Amerikaners und Whisky mit fränkischem Charakter. Insidertipps für genussvollen Stadturlaub in Würzburg
Würzburg für Genießer
Der Brückenschoppen am Nachmittag muss sein. Zur richtigen Zeit am perfekten Ort: Am Weinausschank des Gasthauses „Alte Mainmühle“ mischen sich beim entspannten After-Work-Ritual auf der Alten Mainbrücke fränkische Ureinwohner mit Touristen aus aller Welt.
Zwei Japanerinnen mit dicken Hornbrillen wuseln auf der Suche nach dem besten Fotospot von einem der 12 Brückenheiligen zum nächsten. Die Statuen, die unter anderem den Frankenkönig Pippin und Karl den Großen zeigen, passen schön darauf auf, dass das Bauwerk aus dem 12. Jahrhundert unter der Last der Besucher nicht zusammenbricht.
Wer dem Trubel entgehen möchte, findet an der Mainpromenade beim denkmalgeschützten Schiffskran aus dem 18. Jahrhundert lauschige Plätzchen am Fluss. Und an Bord des kleinen „Main-Kutter Würzburg“ eine charmante Schiffbar mit bestem Blick auf Mainbrücke und die Festung Marienberg.
Festung und Residenz: Protz Blitz!
Würzburgs markanteste Gebäude, die Festung und die Residenz, verdankt die Stadt dem klerikalen Anspruch, doch bitte schön auf megagroßem Fuß zu leben. Wo die weißen Mauern von Marienberg hoch über der Stadt aufragen, suchten vor 3.000 Jahren bereits die Kelten in den düsteren Panic Rooms einer kargen Fliehburg Schutz vor altertümlichen Ganoven.
Die neue Burg war 1253 bis 1719 Residenz der Fürstbischöfe und wurde 1600 zum Renaissance-Schloss umgebaut. Darunter kleben die Häuschen des Mainviertels – Würzburgs ältester Stadtteil ist das ehemalige Quartier der Handwerker und Fischer – am schmalen Steilhang zwischen Burg und Fluss. Besonders kuschelig eng wird es in der Felsengasse.
677 Quadratmeter: Das größte Deckenfresko der Welt
Die Festung dagegen ist riesig und schützte dennoch nicht vor Klaustrophobie. Darum zog es im 18. Jahrhundert Würzburgs Kirchenfürsten ans andere Ufer, in einen Neubau der Superlative. So opulent wie Würzburgs Bischöfe zur Barockzeit hat sonst nur Frankreichs Sonnenkönig residiert.
Der feiste Monarch war nicht nur in Sachen Verschwendung stilbildend. So erinnert die gewaltige Residenz derart verblüffend an Versailles, dass die Paris-Szenen für die Neuauflage von „Die drei Musketiere“ kurzerhand in Würzburg gedreht wurden.
Das UNESCO-Weltkulturerbe beherbergt ein Treppenhaus mit dem größten Deckenfresko der Welt, dazu 300 Räume, von denen einige so groß sind wie Tennishallen. Wenn dem Hausherrn fad war und kein Alkohol auch keine Lösung, fand er im Tiefgeschoss die pralle Auswahl. Bis heute reihen sich im mittlerweile „Staatlichen Hofkeller“ die Fässer in einem endlosen Gänge-Labyrinth aneinander, wo einem schon ohne Weinprobe schwindelig werden kann.
Wein am Main: Bestlage und Winetails
Neben einigen kleinen Betrieben finden sich zwei weitere große Weingüter in der Stadt: das Bürgerspital zum Heiligen Geist und das Weingut Juliusspital. Alle profitieren von der Bestlage: Der Würzburger Stein fällt einem als Erstes ins Auge, wenn man mit dem Zug von Norden her in Richtung Hauptbahnhof einfährt. Reben, wohin man blickt, die größte zusammenhängende Einzellage Deutschlands!
Kein Wunder, dass der Wein allgegenwärtig ist. Im Frühling und Sommer gibt es gleich mehrere Weinfeste, das schönste findet im Juli im Hofgarten der Residenz statt.
Der älteste noch trinkbare Wein, ein fast 500 Jahre alter Steinwein, lagert im Bürgerspital.
"Bürgerspital-Weinstuben"
Bei so viel Tradition tut frischer Wind gut. In den „Bürgerspital-Weinstuben“ ist das gelungen. Nach Jahren in den besten Sterneküchen des Landes brachte Alexander Wiesenegg viele neue Ideen zurück ins Familienunternehmen.
Wiesenegg setzt dabei Akzente nicht nur auf der Karte: Am Eingang des Restaurants mit seinen hübschen Gewölben entstand mit der „Weinbar“ eine coole Lounge. Dort wird der kreative Umgang mit Silvaner, Riesling und Burgunder des Weinguts gepflegt. Farbenfroh geht es bei der Beleuchtung und im Glas zu.
„Bei den Winetails, Cocktails auf Weinbasis, experimentieren wir mit natürlichen Aromen aus Früchten und Kräutern“ so Wiesenegg. Ein Sakrileg? „Nö, das kommt super an!“ Auch in Sachen Gourmet schaut er gern über den fränkischen Tellerrand hinaus.
Neben fränkischen Klassikern wie Blaue Zipfel und Schäufele gibt es keine Berührungsängste mit internationaler Küche, von Italien bis China. „Wichtig in so einem Traditionshaus ist aber, dass Veränderungen behutsam geschehen und Stammkunden dem Betrieb die Treue halten.“
Bier auf Wein: Oh, wie fein!
Für Chris Sullivan ist wichtig, dass die Leute in der Weinstadt Würzburg auf den Biergeschmack kommen und offen für Neues sind. Da bedarf es schon einer Menge Pioniergeist und Selbstbewusstsein. Beides hat der schlaksige Amerikaner, der zu Halloween auch mal im Skelettkostüm durch Würzburg joggt, aus seiner alten Heimat Oregon mitgebracht.
„SMaSH“ taufte er seine kleine Marke, das steht für „Single Malt and Single Hop“, also eine Sorte Malz und Hopfen. Statt dem Craft-Beer-Trend mit exotischen Aromen zu folgen, beschreitet Sullivan den entgegengesetzten Weg. Er treibt das Reinheitsgebot gewissermaßen auf die Spitze und setzt auf erlesenste Zutaten: „Mein Bier wird mit Barke, einer alten Gerstensorte, gebraut, die ihm einen einzigartigen historischen Malzcharakter verleiht. Beim Hopfen verwende ich Tettnanger, eine der ältesten Hopfensorten“, erklärt Sullivan.
Bei den Namen seiner Biere setzt er auf kreatives Lokalkolorit. Den Anfang machte er vor ein paar Jahren mit seinem hopfigen „Herbipolis Retro Lager“. Herbipolis, die „Kräuterstadt“, ist der lateinisierte Name für Würzburg. Und der ist bei diesem Bier Programm: Ein feiner Zitrusduft erfreut die Nase, aber auch eine aufregende Gewürznote.
Nicht nur das. Sogar „Pinienharz, sonnengetrocknetes Stroh und ein wenig grüner Apfel“ wollen die Bierexperten des Ladens „Bierothek“, wo Sullivan unter anderem seine Kreationen vertreibt, bei ihrer Schnuppertour entdeckt haben. „Dabei kommt alles nur aus dem Hopfen“, versichert der Bierkünstler mit Holzfällerhemd und Hipsterbart stolz.
Würzburger Whisky: Vier Fässer für ein Halleluja!
„82 Chapters to Newcastle“ heißt die kleine neue Marke mit dem humorvollen Marketing: „Gebrannt in Schottland, gereift an besonderen Orten Schlandlands ...“ Bei der Frankfurt International Trophy, der Fachmesse fürs Alkoholische, zeichneten Sommeliers, Fachjournalisten und Brennmeister den achtjährigen Single Malt „Vier Fässer für ein Halleluja“ auf Anhieb mit Gold aus, erklärt Hadrian Bromma, der das Projekt mit Vater und Schwiegervater betreibt. Der Name spielt auf den Reifeprozess an. „Die meisten Whiskys reifen ihre volle Zeit in einem einzigen Fass. Unser Whisky wechselt das Fass vier Mal.“
Zwar wird er in der schottischen „Highland Distillerie Ardmore“ gebrannt und reift dort seine ersten Jahre. Veredelt aber wird er im Hofkeller der Residenz, wo er mit Tausenden Weinfässern das besondere Klima atmen kann.
„Vor allem ist die Luft extrem trocken. Außerdem ist es verglichen mit anderen Kellern recht warm“, so Bromma. Die Folge ist, dass sich einiges des edlen Stoffs in Luft auflöst. „Diese ‚Angels Share‘ genannte Verdunstung beträgt happige 20 Prozent“, erklärt der Experte, „dafür hat das Endprodukt ein intensives Finish.“ Das schmeckt man.
Der Stadtrundgang endet übrigens dort, wo er begann: Auf der Mainbrücke später am Abend, als die Touristen sich längst wieder ins Hotel oder auf ihr Schiff verkrümelt haben. Auf der einen Seite leuchtet die Altstadt-Skyline mit Rathaus und Kirchtürmen, auf der anderen geht der Mond auf über der Festung. Ein Hochgenuss. Geht mit Wein, Bier, Whisky – oder ganz pur!
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