Landsberg liegt an der Grenze Oberbayerns zu Schwaben. Die liebevoll herausgeputzte Altstadt entlang des Flusses Lech lädt zum kunstsinnigen Bummeln ein. Zwei international bekannte Künstler sind mit der Stadt verbunden, einer davon wurde gar zum Weltstar
Landsberg am Lech entdecken
Sie sind süchtig nach Kunst? Sie werden manchmal kribbelig, wenn Sie nicht sofort eine Skulptur oder ein Bild in Händen halten, und seien diese noch so klein? Dann – aber nicht nur dann! – ist das Städtchen Landsberg am Lech das richtige Pflaster. Dort gibt es einen Kunstautomaten. Rund um die Uhr kann man da ein Mini-Artefakt ziehen. Kostet nur fünf Euro. Und schon hat man ein Kunststück, signiert und nummeriert.
Montagmorgen, Ende Juli, gegen 9 Uhr am Spitalplatz. Die Sonne scheint. Die Kuratoren der metallenen Wundertüte, die beiden Landsberger Künstler Elke Jordan und Gregor Netzer, erneuern die Bestände. Sie befüllen die Schächte mit zigarettenschachtelgroßen Boxen, darin sind kleine Bilder oder Objekte. Jeder Schacht ist einem Künstler und dessen Kreation zugeordnet.
„Mit dem Automaten sprechen wir die Menschen auf der Straße an, beseitigen Hemmschwellen zur Kunst. Auch wenn man schnell mal ein kleines Geschenk braucht, wird man hier fündig“, sagt Elke.
Elke schätzt die fröhliche Atmosphäre in Landsberg. „Mir gefällt hier das lockere Flair, es hat etwas Italienisches“, sagt sie – mit südlich strahlendem Lächeln. Gregor lebt seit zwölf Jahren in „Landsberg am Lächeln“, wie er die Stadt liebevoll nennt.
Stolz und prächtig: Bayertor!
Bereits am Stadtrand von Landsberg, von der A 96 aus Richtung München kommend, wird man von einem Kunstwerk empfangen. Und das passt in keine Schachtel. Das mit Wappen und Figuren geschmückte Bayertor zählt zu den schönsten und besterhaltenen gotischen Stadttoren Deutschlands. Es ist das Wahrzeichen Landsbergs, ein aus Stein geformtes „Mia san mia“.
„Mir gefällt hier das lockere Flair, es hat etwas Italienisches“
Um 1160 hatte Bayernherzog Heinrich der Löwe – er war auch Münchens Geburtshelfer – zum Schutz der Salzstraße, die von Bad Reichenhall über den Lech zum Bodensee führte, eine „Landespurch“ erbauen lassen. Um diese Burg herum entsteht der Ort. 1315 verleiht Kaiser Ludwig (der Bayer) Landsberg das Recht, Steuern und Zölle zu erheben. Die Blütezeit der Stadt beginnt. Mit Unterstützung von Herzog Ernst wird 1425 das Bayertor gebaut. Es ist Teil der Stadtmauer, die heute noch weitgehend die Altstadt umgibt.
Nächster Hingucker: Historisches Rathaus
Vom Bayertor am Lech-Hochufer führt die Alte Bergstraße, gesäumt von charmanten Läden und Geschäften, hinab in die Altstadt. Durch den Schmalzturm mit seinen bunten Dachziegeln, in dessen kühlem Schatten einst Marktfrauen ihre Waren anboten, betritt man den dreiseitigen Hauptplatz.
Auf der großzügigen Piazza laden Cafés, Eisdielen und Restaurants zum Verweilen ein. Hier und da flattern an den Häusern Fähnchen in Grün-Rot-Weiß. Ein Gruß nach Italien? Nein, es sind die Farben Landsbergs. Die Fahnen sind Überbleibsel vom Ruethenfest, einem der größten Kinderfeste in Bayern, das gerade gefeiert wurde. Alle vier Jahre stellen Kinder mit Tänzen, Lagerleben und Umzügen Ereignisse der Stadtgeschichte dar.
Das Historische Rathaus ist der Blickfang auf dem Platz, genauer: seine überbordend mit Stuck verzierte Rokoko-Fassade. Dominikus Zimmermann, Schöpfer der berühmten Wieskirche, hat sie gestaltet. Er lebte von 1716 bis 1757 in Landsberg und fungierte dort als Bürgermeister.
Man kann das Rathaus besichtigen, die Kellergewölbe mit Arrestzelle, den freskierten Festsaal, der heute als Konzertsaal dient, oder den Saal des einstigen Stadtparlaments mit zwei monumentalen Gemälden von Sir Hubert von Herkomer aus den Jahren 1891 und 1903.
Multitalent und Meisterporträtist: Sir Hubert von Herkomer
Die Wandgemälde im Rathaus zeigen die Stadträte bei der Sitzungsarbeit wie auch Herkomers Talent für kunstfertige Porträtmalerei. Faszinierend, wie lebendig er die Gesichter der Räte darstellt. Man sieht, wer streitet, wer wichtig tut oder sich langweilt und sich schon auf den Umtrunk nach der Sitzung freut …
Hunderte von Porträts hat der deutsch-britische Maler, Bildhauer und Theaterautor geschaffen, darunter von Kaiser Wilhelm und Richard Wagner. Dass Herkomer nicht nur alte weiße Männer konnte, beweist eindrucksvoll das Porträt seiner Tochter Gwenddydd. Man kann es im Herkomer Museum bewundern, wenige Fußminuten vom Hauptplatz entfernt am Lech-Ufer gegenüber.
Herkomer wird 1849 bei Landsberg geboren, wächst in den USA und England auf. Die Sommer verbringt er meistens in Bayern. In Landsberg erwirbt er in den 1880er-Jahren das Wohnhaus seiner Eltern – dort ist das Museum eingerichtet –, lässt drumherum einen kleinen Landschaftspark errichten sowie einen Mittelalterturm à la Neuschwanstein. Zu Ehren seiner Mutter nennt er ihn „Mutterturm“.
Herkomer war Technik-Freak, experimentierte mit Phonographen und Film und war begeisterter Automobilist: 1905 bis 1907 initiierte er die ersten Tourenwagen-Rallyes der Welt. Heute findet in Landsberg alle zwei Jahre der Oldtimer-Event „Herkomer Konkurrenz“ statt. Er stirbt 1914 in England. Es lohnt sich, den in Vergessenheit geratenen vielseitigen Künstler, der sich zwischen Tradition und Moderne bewegte, wiederzuentdecken.
Drückt der Schuh? Ab zu Luisa!
Die Altstadt von Landsberg ist wunderbar erhalten und steht unter Ensembleschutz. Der historische Ortskern mit den bunten Fassaden – gotisch, barock oder klassizistisch – und den vielen Giebeln ist überschaubar und gemütlich zu erkunden. Die vielen kleinen inhabergeführten Läden und Geschäfte, Galerien und Boutiquen bringen Leben in die Straßen und Gassen.
Es gibt auch noch zahlreiche Handwerker, etwa einen Chocolatier und Eismacher, einen Kaffeeröster, eine Maßschneiderin, zwei Geigenbauer, einen Sattler – und eine Schuhmacherin. Sollte beim Altstadtbummel der Schuh drücken, weiß Luisa Bredschneijder Abhilfe.
„So viele kleine Geschäfte findest du woanders nicht mehr“
Die junge Meisterin fertigt Maßschuhe, Hauptgeschäft sind aber Reparaturen. Luisa empfiehlt stabile und bequeme Schuhe, am besten aus Leder. Sie zeigt auf Schuhe mit aufgerauhter Ledersohle. „Die rutschen auch nicht auf dem Pflaster“, so die Schuhmacherin.
„Lederschuhe brauchen Zeit zum Einlaufen, dafür sind sie langlebig, stabil, atmungsaktiv und passen sich dem Fuß an. Reparieren kann man sie auch“, betont sie lachend. Und sie liebt ihre Stadt. „Landsberg ist für mich der perfekte Ort! Die Menschen kümmern sich um die Stadt und so viele kleine Geschäfte findest du woanders auch nicht mehr. Der Samstagvormittag auf dem Markt bei einem Gläschen Prosecco ist immer ein Highlight!“
Sterneküche am alten Bahnhof
Aber irgendwann möchten alle Stadtbummlerfüße, selbst wenn sie im bequemsten Schuh stecken, ausruhen. Schöne Gelegenheiten dafür bieten etwa die Lokale rund um die Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt. An einem der Tische, drinnen oder draußen, genießt man moderne Küche oder abends ein Gläschen Wein.
Der traditionelle „Fischerwirt“ am Rossmarkt serviert 200 Meter weiter bayerische Küche. Erlesenes Fine Dining gibt’s im Restaurant „Lech Line“ von Vincent Staudacher. Das Team unter Küchenchef Christian Sauer bekam im März 2024 einen Michelin-Stern für seine Leistung mit folgender Ausführung: „Christian Sauer bietet eine moderne internationale Küche. Er kocht ohne Effekthascherei, sehr akkurat und nie verspielt. Aus tollen Produkten entstehen stimmige, aromareiche Gerichte, die komplex sind, aber dennoch leicht rüberkommen. Unter dem Namen ‚Gourmet Bistro‘ gibt es Gerichte à la carte wie z.B. ‚Ceviche ‚Fish by Birnbaum‘, Limette, Avocado, Chili, Gurke, Koriander‘, Freitag und Samstag zusätzlich ein monatlich wechselndes Fünf-Gänge-Menü. Tipp: Cocktails an der Bar.“
An lauen Sommerabenden aber ist die Lechpromenade die erste Adresse. Beim Blick über den Fluss, der sich vor der Altstadt ausdehnt wie ein See, wird’s einem leicht ums Herz, man atmet durch und lässt sich vom Tosen des Lechs in den Bann ziehen: Auf einer Breite von 200 Metern und vier Kaskadenstufen rauscht das Wasser über das Karolinenwehr.
An den Tischen des Cafés „Markita“ nahe der Karolinenbrücke schmecken dazu Cappuccino und Mandeltarte. Wirtin Markita kommt aus Portugal und betreibt das Café seit 2007. „Landsberg ist meine zweite Heimat“, erklärt sie, korrigiert sich dann aber lachend: „Nein, mein erste!“
Die dunklen Zeiten
Im nordwestlichen Teil Landsbergs fällt ein Gebäudekomplex auf: die Justizvollzugsanstalt, um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert errichtet. In dem Gefängnis „verbüßte“ Adolf Hitler 1923/1924 nach seinem Putschversuch eine kurze Festungshaft. Während der Nazi Herrschaft war Landsberg als „Stadt der Jugend“ bekannt und Treffpunkt der Hitler-Jugend.
1944 wurde der KZ-Außenlagerkomplex Kaufering mit elf Standorten um Landsberg und Kaufering errichtet. Die jüdischen Häftlinge sollten riesige Bunker bauen für die unterirdische Rüstungsproduktion. Vermutlich über 6.000 Menschen kamen dabei ums Leben oder wurden ermordet.
Im April 1945 bringt ein „Todesmarsch“ Häftlinge aus dem Einflussbereich der vorrückenden Amerikaner. Dieser Elendszug führt durch die Altstadt und die Neue Bergstraße hinauf, dann zunächst weiter nach Dachau. Von dort aus wurden die Gefangenen dann in Richtung Alpen getrieben. Seit 1994 erinnert ein Mahnmal an die Opfer.
Johnny Cash: powered by Landsberg
Bei Kriegsende besetzen die Amerikaner den Fliegerhorst Landsberg, fünf Kilometer nordöstlich der Stadt. In der Air Base ist von 1951 bis 1954 auch ein junger Soldat aus Arkansas stationiert, John R. Cash, später weltberühmt als Johnny Cash. Der junge Funker kommt aus einer musikalischen Familie.
„Die haben zu Hause viel gesungen, Gospels und traditionelle Lieder“, weiß Edmund Epple. Der Cash-Experte ist Inhaber des Buch- und Plattenladens Discy und Kurator des Musikprogramms im Landsberger Stadttheater. Die US-Soldaten in der Kaserne musizieren damals zur Unterhaltung. „Da hat Cash gemerkt, dass sein Gesang die Zuhörer beeindruckt. Er beschließt, mehr daraus zu machen und Musiker zu werden“, weiß Epple.
So kauft der Soldat in Landsberg seine erste Gitarre, im damaligen Musikhaus Ballach in der Schulstraße. „Cash trägt sie zu Fuß durch knietiefen Schnee gut sechs Kilometer zurück in die Kaserne“, so Edmund. Cash gründet in Landsberg seine erste Band, die „The Landsberg Barbarians“ und tritt im „Hotel Goggl“ auf.
In Landsberg hat Cash auch einige seiner berühmten Songs geschrieben wie „Folsom Prison Blues“ oder „Don’t take your guns to town“.
Den Lech hautnah erleben
Johnny Cash reiste herum in Bayern, besuchte Neuschwanstein und das Oktoberfest. Und er angelte in bayerischen Flüssen. Warum nicht auch im Lech? Im Süden der Altstadt ist man in wenigen Gehminuten in den Lech-Auen. In der dortigen Wald- und Wiesenlandschaft lädt der Wildpark Pössinger Au zum Spazierengehen ein.
Vor allem für Familien mit Kindern ein Spaß! Die Kids planschen am Wasserspielplatz oder freuen sich über Damhirsche, sofern diese sich nicht im Wald verstecken. Wenig Scheu zeigen der Schwarzkittel-Eber Beppo und seine Sauen nebst Frischlingen in ihrem Gehege. Zur Bespaßung der Muttis und Vatis gibt’s Kneippbecken und Barfußpfad.
Den Lech „hautnah“ erlebt man im Inselbad. Oder während einer Paddeltour, etwa bei einer Spritztour vom Wasserwachtplatz bis zur „Teufelsküche“, einem Ausflugslokal. Ruhig zieht das Kajak über den zum See gestauten Lech. Die Sonne glitzert auf dem Wasser, dichter Wald bedeckt die Ufer.
Hier und da ragen kahle Baumgerippe aus dem seichten Wasser. Zwei Schwäne segeln vorüber und landen elegant auf dem Wasser. Ansonsten Stille. Zu still? Dann rauschen Sie doch im Raftingboot über das Lechwehr. Auch das kann man in Landsberg! Siehe Video ...