In Bayerns hohem Norden sorgt Schafwolle für Wellness, Entspannung und Gesundheit. Ein wohltuender Tag in der Rhön, dem Land der offenen Fernen und robusten Schafe
Kuschelgesund: Rhönschaf-Wolle entgiftet und entspannt
Zum Schluss wollte Bertram nicht mehr raus, er mochte lieber drin bleiben in der Schafwolle, seinem kuschligen Kokon. Dabei hatte er anfangs noch Zweifel und wirkte äußerst skeptisch, als Heilpraktikerin Ulrike in ihrer Praxis in Oberthulba begann, seine Füße und Beine, dann die Arme und schließlich den Rumpf mit sechs Wollwickeln einzuhüllen.
Und als nur noch Bertrams Kopf unverpackt herauslugte, schien er so euphorisch wie ein Faschingsmuffel, der gerade widerwillig in ein sonderbares Kostüm gesteckt wurde – halb Yeti vom Himalajagipfel, halb Pharaonenmumie frisch aus dem Pyramidengrab.
Mensch im Schafspelz
Doch es dauerte nur zwei, drei Minuten, bis sich die Wirkung zu entfalten begann. Bis die Entspannung einsetzte und Bertram auf seiner Ruheliege in einen inneren Zustand tiefster Gelassenheit und seelenruhigen Wohlbehagens transzendierte. Er fühlte sich deshalb bald ziemlich wohl in seiner neuen Haut. Als ein Mensch im Schafspelz.
Die Rhön liegt an der äußersten Grenze des Freistaats, im Norden von Bayern, geprägt von einer urig unverbrauchten Landschaft mit lang gezogenen Hügelketten, großen Feldern, bunten Wiesen, üppigen Wäldern. Die Natur hat sich hier ziemlich viel Platz verschafft und breitgemacht, raumgreifend und extrem einladend. Steht man auf einer der Kuppen mit dem satten 360-Grad-Rundumblick, dann versteht man, warum die Gegend auch das „Land der offenen Fernen“ genannt wird.
Das Rhönschaf: Rau und robust
Steht man bei Heidi Schneider auf der Weide, wird rasch klar, warum es auch das Land des Rhönschafs ist. Vor gut 30 Jahren begannen Heidi und ihr Mann Alex mit der Zucht der Rhönschafe, die eigentlich schon dem Aussterben geweiht schienen.
In Frankreich war das milde und würzige Fleisch schon unter Napoleon als „Mouton de la reine“ (Schaf der Königin) eine begehrte Delikatesse. An die 80.000 Tiere endeten jährlich vor allem auf den Tellern feiner Pariser Restaurants. Bis in die 1980er- Jahre war der Bestand auf nur noch wenige Hundert Tiere gesunken.
Dank gezielter Rettungsprojekte grasen inzwischen wieder an die 10.000 Tiere im offenen Fernenland
Dank gezielter Rettungsprojekte von Naturschützern und Schäfern grasen inzwischen wieder an die 10.000 Tiere im offenen Fernenland – allein 95 sind es bei den Schneiders auf der großen Wiese zwischen ihrem Wohnort Geroda und dem benachbarten Farnsberg.
„Das klassische Merkmal ist der schwarze, kantige Kopf “, sagt Heidi. „Von seinem Typus her hat das Rhönschaf denselben Charakter wie die Menschen hier auch: rau und robust, kantig und eigen.“
Die Idee mit der Wolle, die nach der Schur zunächst nur ein nutzloses Abfallprodukt war, kam den Schneiders 2006, als sie von einer Heilpraktikerin in Österreich hörten, die Wollbäder anbot und ihre Patienten am ganzen Körper in Bahnen von Schafwolle einwickelte.
Heidi Schneider wagte den Selbstversuch und war nach einer halben Stunde überzeugt. Mit ihrem Unternehmen „Wollke Sieben“ vertreiben die Schneiders seitdem ihre original Rhönschaf-Wollstreifen, denen noch weiche Merinowolle zugefügt wird. Macht’s noch flauschiger.
Stimuliert den Stoffwechsel, reinigt den Organismus
Aber was bringt das alles eigentlich? Die richtige Anwendung und vor allem die Wirkung erklärt Heilpraktikerin Ulrike Kirchner, die bei sich in Oberthulba seit vielen Jahren Wollbehandlungen anbietet.
Von der Erhöhung der Körpertemperatur spricht sie, von der Stimulation der Mikrozirkulation unter der Haut, von der Anregung des Stoffwechsels. Und natürlich von der reinigenden Wirkung für den gesamten Organismus.
So wiesen wissenschaftliche Studien nach, dass die Schafwolle dem Körper Schadstoffe entzieht und Rückstände von Medikamenten beseitigt, dass sie Organe wie Leber, Nieren, Darm entgiftet. Detox made by Rhönschaf.
Schafwolle entzieht dem Körper Schadstoffe und beseitigt Rückstände von Medikamenten
Dass man die Wolle trotzdem oft wiederverwenden könne, betont sie, und dass es ganz wichtig sei, wie man den Körper einwickelt. Rechts herum würde anregend wirken, links herum entspannend. Das wiederum liege an den Meridianen, den Leitbahnen der Lebensenergie, die laut der Traditionellen Chinesischen Medizin TCM durch den menschlichen Körper fließen.
Während Bertram gut verpackt auf der Liege ruht, führt Ulrike hinaus in ihren Garten, wo sie von den Wollets erzählt. Die Pellets sind ein Produkt aus der nährstoffreichen Schafwolle, das als optimaler Biodünger den Boden schont und als idealer Wasserspeicher den Pflanzen auch über längere Trockenphasen hinweghilft. Für Mensch und Natur: Woll bekomm’s!
Drinnen schält sich Bertram ganz langsam aus den weichen Wollbahnen, man könnte auch sagen: Er entwickelt sich allmählich.
20 bis 30 Minuten, sagt Ulrike, sei der optimale Zeitrahmen für eine Anwendung, bevor sie verrät: „Und natürlich hilft es auch, nur einzelne betroffene Stellen mit Schafwolle zu bedecken, gerade bei Kindern, wenn sie mal Halsschmerzen haben oder Bauchweh.“