Eva Brockmann war die Deutsche Weinkönigin 2024. Sie kommt aus Churfranken, jener Region, aus der der Main gar nicht mehr fortmöchte. Wir verbrachten mit ihr einen Tag im fränkischen Wein-Dorado
Weintour durch Churfranken
Was für eine Kulisse! Im Süden der Busigberg bei Großheubach, hinter uns der Spessart, vor uns die sanften Hügel des Odenwalds. Dazwischen, unten im Tal, der Main.
Er schlängelt sich auf seinem letzten Abschnitt in bayerischem Territorium durch eine bezaubernde Landschaft und dreht dabei, wie bei Miltenberg, einige Kurven. Als wolle er den Abschied hinauszögern und gar nicht mehr weg von hier, aus Churfranken. Man kann ihn verstehen, den Main.
„In solchen Momenten, bei solch einem Anblick“, sagt Eva Brockmann, „da fühle ich wieder, wie schön’s bei uns ist.“
Der Fränkische Rotwein-Wanderweg
Ein Sommertag in Churfranken südlich von Aschaffenburg. Dort, wo der Freistaat in seinem äußersten Nordwesten noch einmal einen Haken nach unten schlägt. Unmittelbar vor Hessen im Westen und mit Baden-Württemberg im Südosten. Bayerns Halbinsel im Dreiländereck.
Zu Beginn des gemeinsame Tages mit Eva sind wir zwischen Erlenbach und Klingenberg unterwegs, einer Etappe des Fränkischen Rotwein-Wanderwegs, der sich über 79 Kilometer in sechs Etappen von Großostheim bis nach Bürgstadt erstreckt.
Buntsandstein für klasse Rotwein
Bald nach unserem Start am Freibad in Erlenbach erreichen wir den Höhenweg über dem östlichen Main-Ufer, der entlang des für diese Gegend so typischen Terrassenprofils führt. Weil das natürliche Gefälle der Weinberge zum Bewirtschaften viel zu steil ist, bauten die Winzer im Lauf der Jahrhunderte dort mit Mauern abgesicherte Stufen ein.
Eine weitere Besonderheit am bayerischen Untermain ist der Rotwein, der dem Wanderweg den Namen gab, erfahren wir von Eva. Anders als in den übrigen, auf Weißwein spezialisierten Anbaugebieten Frankens, wo Muschelkalk und Gipskeuper den Untergrund bilden, biete der Buntsandstein-Boden – so wie hier am Erlenbacher Hochberg – beste Bedingungen für einen vollmundig-kräftigen Spätburgunder. Dazu noch die sonnige Lage, das milde Klima: Kein Wunder, dass die roten Rebsorten hier prächtig gedeihen.
„terroir f“: Alles rund um fränkischen Wein
Auf einer der Sonnenliegen ist Zeit für eine erste Rast, gleich neben dem Pavillon des „terroir f – Churfranken“, der das Landschaftsbild dort unaufdringlich und doch spektakulär bereichert. Ein magischer Ort des Frankenweins, für den Eva in diesem Landstrich ihre große Leidenschaft entdeckte.
Mehr als zwanzig Standorte namens „terroir f“ gibt es zwischen Hammelburg und Ipsheim, zwischen Alzenau und Oberschwarzach: Gestaltet in bemerkenswerter architektonischer Vielfalt, sind sie Anlaufstelle und Info-Hotspot für Ausflügler und Urlauber, die mehr wissen möchten über die lokalen Anbaugebiete und Winzereien.
Wie wird man Weinkönigin?
Sechzehn war Eva Brockmann und noch Schülerin, als sie 2015 im Weingut Giegerich in Großwallstadt ein erstes Praktikum absolvierte. Vom ersten Tag an war sie fasziniert von der Arbeit, manchmal stand sie damals nur wenige Minuten von hier entfernt am Klingenberger Schlossberg, einer der fünf Anbauflächen der Giegerichs.
Eva war die seit 50 Jahren erste Weinkönigin aus Churfranken
Weiter weg ging es nach dem Abitur 2017 für die Ausbildung zur Winzerin in Sulzfeld bei Kitzingen. Davon wird später noch die Rede sein. 2019 habe sie an der Hochschule im hessischen Geisenheim ihr Bachelor-Studium für Weinbau und Önologie begonnen.
Das Leben als Weinkönigin
Mit der Kür zur zur 65. Fränkischen Weinkönigin begann für Eva ein neues und recht aufregendes Leben. Bei bis zu vierhundert Terminen zeigte sie im ersten Jahr ihrer Regentschaft Präsenz.
Bei Vorträgen vor dem Landesverband der bayerischen Spediteure oder zum Thema Nachhaltigkeit im Weinbau war sie gefragt, außerdem bei vielen Weinfesten im Frankenland, beim Besuch des US-Generalkonsuls und bei der Eröffnung der Bayreuther Festspiele.
Besuch bei Reinhold Hillerich
Da sie ihre Rolle vor allem als Werbegesicht des Frankenweins versteht, passt es gut, dass wir noch bei Reinhold Hillerich in Erlenbach vorbeischauen, einem der 2.900 Winzer in Franken.
Hillerich war mal in den Nachrichten, als es Ärger gab wegen der Etikettierung seiner Portweine. Erst ging es um einen vermeintlich geschützten Begriff, dann bekam er Post bekam von Anwälten eines Weinbauern aus dem Burgenland mit ähnlichem Namen. Die groteske Kafkaeske ist ein gutes Exempel dafür, womit sich Winzer sonst noch beschäftigen müssen, außer mit ihrem Terroir, dem Rebstock, der Lese und dem Ausbau von Lagen- und Dessertweinen.
Nächste Station: Sulzfelder Sonnenberg
Mit dem Auto fahren wir ins bereits erwähnte Sulzfeld, weiter mainaufwärts im Landkreis Kitzingen gelegen. Viel Fachwerk, mittelalterliche Stadtmauer, verwinkelte Gassen, großer Charme. Mittendrin im Dorf das Weingut Zehnthof Luckert, Evas Ausbildungsbetrieb, der über Sulzfeld auf dem Muschelkalk des Südhangs vor allem Silvaner und Chardonnay heranwachsen lässt.
Genau dorthin führt uns der letzte Teil unserer Reise mit Eva: auf das Plateau des Sulzfelder Sonnenbergs, der im dämmrigen letzten Abendlicht seinem Namen gerade noch gerecht wird.
Silvaner für alle Lebenslagen
Zeit für ein letztes Picknick mit Wurst und Käse, mit Brezen und natürlich einem Silvaner aus dem kalten Bocksbeutel, Evas Lieblingswein. Er kommt in verschiedenen Ausprägungen daher, mal leicht und fruchtig, mal aber auch kräftig und herb, wie Eva weiß: „Keine Lebenslage und kein Gemütszustand, für den es nicht den passenden Silvaner gibt!“
Lange sprechen wir noch über die ständigen Herausforderungen der Winzerei. Wie man auf neue weltweite Trends reagiert, auf den Hype um Orange-Naturweine etwa oder die Aroma-Rebsorten. Ob man sich von jeder neuen Welle treiben lässt oder nicht lieber auf die eigenen Stärken setzt und damit punktet, dass man keinen Sauvignon Blanc pflanzt, schließlich hat man doch die heimische Scheurebe.
Es geht auch um die Zukunft des Weinbaus in Zeiten der Erderwärmung. Dass sich sonnenbrandgefährdete und trockenheitsanfällige Reben wie der Bacchus langfristig schwertun dürften, aber der Silvaner mit seiner robusten Beerenschale als UV-Schutz gut durch die nächsten Jahrzehnte kommen dürfte.