Als Weinkönigin vertritt Antonia Kraiß die fränkische Weinkultur auf Weinfesten, Events und Bühnen. Wir besuchten sie in ihrer malerischen Heimat Nordheim am Main, zwischen Bulldog, biodynamischem Weinbau und Weinkino
Weinkönigin Antonia Kraiß
Ob Antonia als Baby schon Silvaner sagen konnte, ist nicht überliefert. Doch von ihrer Babytrage aus konnte sie beobachten, wie die ganze Familie in Omas Weinberg Reben geschnitten hat. „Alle haben zusammen geholfen, ich mittendrin, erst in der Trage, dann auf einer Decke“, berichtet Antonia Kraiß, die amtierende Weinkönigin aus Nordheim am Main, „Später durfte ich Trauben naschen, daran erinnere ich mich. Richtig cool wurde es, als ich groß genug war, um auf dem Bulldog mitzufahren.“
Fränkischer Wein? Eine Wissenschaft!
Natürlich war sie neugierig, warum so ein Weinstock etwas hergibt, das die Erwachsenen „fast für heilig hielten“, und woran sie nur schnuppern durfte. Als sie 16 war, erlaubten die Erwachsenen Probeschlückchen. Sie lernte Silvaner von Müller-Thurgau zu unterscheiden, Bacchus, Scheurebe, Sauvignon, Chardonnay …
„Auch das Terroir ist wichtig.Wir haben hier Buntsandstein, Keuper und Muschelkalk.“
„Ich habe keine Vorliebe! Es kommt doch immer auf den Moment an, ob ich Winzersekt trinke oder zum Beispiel Blanc de Blancs“, wehrt Antonia Kraiß Festlegungen ab. Als erfahrene Weinverkosterin ist sie offen für viele Aromen.
„Auch das Terroir ist wichtig. Auf welchem Boden ist der Wein gewachsen? Wir haben hier Buntsandstein, Keuper und Muschelkalk. Dann zählt noch der Jahrgang. Und wie der Winzer den Wein ausgebaut hat! Eine echte Wissenschaft!“
Klarinette & Königinnentitel
Es ist kompliziert, aber eine Weinkönigin weiß Bescheid, das gehört zu den Voraussetzungen für das Amt. Für die Prüfung lernte sie wochenlang. Nebenher spielt Antonia Kraiß Klarinette in einem Orchester für symphonische Blasmusik. Die Serenade von Mozart wird aufgeführt, ebenso wie Polkas und Walzer. Sogar Lieder von Coldplay. Als Königin pausiert sie damit, auch ihr Studium zum Lehramt liegt für ein, zwei Semester auf Eis.
„Vielleicht werde ich mal Sommelière oder arbeite in einer Vinothek“, überlegt Antonia Kraiß, „doch zuerst beende ich mein Studium in Würzburg. Wer weiß, was mir meine Zeit als Weinkönigin noch für Möglichkeiten eröffnet.“
Sie steht auf der Alten Mainbrücke in Würzburg, der Brückenschoppen gegen Abend hier ist legendär. Wenn die letzten Sonnenstrahlen die Festung Marienberg, das Käppele und natürlich die Weinberge beleuchten, sind alle Plätze an der Brüstung belegt, in den Gläsern schimmert Weißwein.
Vertreterin der fränkischen Weinkultur
„Ich liebe es, Menschen kennenzulernen und Orte zu besuchen, an denen ich noch nie war. Als Weinkönigin werde ich überall freundlich empfangen“, schwärmt Antonia Kraiß.
„Wenn ich im Abendkleid und mit Krone zu einer Veranstaltung komme, fühle ich mich gleich etwas größer und irgendwie geehrt. Ich strahle automatisch. Weinfeste sind toll, ich vertrete den fränkischen Wein auch in Städten wie Berlin und München, war bei den Mozartfestspielen eingeladen. Prominente aus Politik und Kultur, Winzer, Gastronomen nehmen an den Veranstaltungen teil, das sind interessante Menschen, die ich sonst nie treffen würde.“
Antonia Kraiß konnte schon zwei Jahre lang als Weinprinzessin in ihrem Heimatort Nordheim üben, wie man sich als Hoheit benimmt. Knapp 1.000 Einwohner zählt die Gemeinde. Mit 35 selbst vermarktenden Weingütern und einer Winzergenossenschaft von überregionalem Ruf, der DIVINO Nordheim Thüngersheim, gelten die Nordheimer als „Frankens größte Weinbaugemeinde“. Schräg gegenüber liegt die Vogelsburg mit Blick auf die Volkacher Mainschleife, die größte Flussmäanderlandschaft in Bayern.
Biodynamischer Weinbau
Natürlich kennt sie alle Winzer, nicht nur aus ihrer Prinzessinnen-Zeit. In dem kleinen Ort begegnet man sich einfach. Einer der Winzer ist Michael Christ. Er empfängt Antonia Kraiß herzlich wie eine alte Freundin, führt sie durch den Innenhof des Gebäudes, Baujahr 1716, in seine Schatzkammer, einen Teil des Weinkellers, in dem er besondere Flaschen lagert. Einen Winzersekt gibt er Antonia mit.
Dann wird kurz gefachsimpelt. Er erklärt anschaulich, wie der biodynamische Weinbau funktioniert, auf den seine Eltern als Pioniere vor 50 Jahren umgestellt haben. Seine Mutter Angelika Christ bringt eine Kiste voller Kuhhörner. „Hier füllen wir im Herbst Mist von ebenfalls biodynamisch gehaltenen Kühen ein und vergraben sie. Im Frühjahr holen wir die Hörner aus der Erde. Mit dem Mist dynamisieren wir Wasser.“
Was das bedeutet, erklärt die Pionierin für biodynamischen Weinbau in der Region: „Ich gebe eine homöopathische Menge davon in einen Bottich mit Wasser. Das rühre ich eine Stunde lang erst rechts, dann links herum. Dieses Wasser wird noch verdünnt und anschließend in den Weinbergen als Dünger versprüht.“
Brummen und Summen zwischen den Reben
Doch das ist nicht das Einzige, was Michael Christ anders macht als konventionelle Winzer. Er fährt durch die Weinberge in der Umgebung, nur in seinem Öko-Weinberg blühen Blumen zwischen den Reihen, die die Rebstöcke bilden. Gräser wiegen sich im Wind, kniehoch. „Hier brummt das Leben, Bienen und andere Insekten finden Nahrung, ich belaste die Natur nicht mit chemischen Düngemitteln“, erklärt er den hübschen Wildwuchs. „Unsere Bodenwerte sind ausgezeichnet. Früher wurden wir belächelt, weil wir anders sind, heute setzt sich die Ökologie im Weinberg langsam durch. Unsere Weine sprechen dafür.“
Weinfähre und Weinkino
Antonia Kraiß’ Lieblingsplatz befindet sich gleich neben dem Weinberg: ein kleiner, mit Wildblumen bewachsener Hügel – das Weinkino. Ein paar Stuhlreihen stehen da, ein großer Rahmen setzt Landschaft und Himmel dahinter eindrucksvoll in Szene. Hier sitzt sie gerne mit einem Buch. „Ich bin ein leidenschaftlicher Bücherwurm“, gibt sie zu. „Wenn ich richtig in die Handlung eingetaucht bin, bringt mich nichts und niemand davon weg.“
Vielleicht schaut sie doch mal auf. Dann sieht sie, wie der Wind dramatische Wolken hin und her schiebt, wie Lichtflecken auf den Steillagen tanzen. Nordheim schmiegt sich in die vom Weinbau geprägte Landschaft. „Ich bin hier verwurzelt. An schönen Tagen wie heute treffen wir uns am Strand bei der Weinfähre nach Escherndorf – meine Familie, Freunde aus dem Ort. Was wir da machen? Nichts, wir verbringen einfach Zeit miteinander, das genügt. Manchmal machen wir Picknick. Vielleicht hat einer der Winzer eine besondere Flasche Wein dabei. Gemeinsam Zeit verbringen, den Tag besprechen, feiern und ein Glas Wein genießen, das ist für mich das Schönste.“