Mit der Burg Prünn im Hintergrund durch das Altmühltal
Runter vom Gas

Cabrio-Roadtrip von Nürnberg nach Frauenau im Bayerischen Wald. 300 abwechslungsreiche Kilometer auf Nebenstraßen von der Altmühl bis zum Regen, vom Archaeopteryx zu Bierbrauern und von Siegesgöttinnen zu Glasschleifern. Text und Fotos: Thomas Linkel

Lesezeit: 14 Minuten

Cabriotour von Nürnberg in den Bayerischen Wald

Er bläst noch einmal in die Posaune. „Hörst du den Ton?“, fragt Christoph Endres. Ich höre zwar einen Ton, aber mehr auch nicht. „Genau so muss es klingen, sonst ist die Posaune nicht gelungen“, erklärt Endres. Na gut, ich bin als Grundschüler von meiner Klavierlehrerin zum Fußballspielen geschickt worden. Da kann man nicht erwarten, dass ich perfekte Posaunentöne erkenne.

Blech gehabt! Tubas und Posaunen

Endres aber kann das. Denn er baut Blechblasinstrumente, vor allem Trompeten, Posaunen, Tubas und Hörner. Er konstruiert und fertig alles mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in traditioneller Arbeit selbst.

„Diese Handarbeit hörst du später.“

Im Schaufenster seiner Werkstatt, ein paar Straßen vom Hauptbahnhof Nürnberg entfernt, funkelt das polierte Blech von zartgelb bis knallig golden. An Werktischen wird Messingblech gebogen, gefräst, gezogen, gehämmert, verlötet, geschliffen, vergoldet und poliert.

Jedes Einzelstück muss genau passen, damit später die richtigen Töne herauskommen. „Dafür brauchst du Erfahrung und Gefühl“, sagt der Mann, der als Einziger weltweit Flügelhörner noch selbst biegt. „Diese Handarbeit hörst du später.“ Weil das sehr anstrengend sei, könne es durchaus vorkommen, dass er nach einem halben Tag Metallbiegen den Nachmittag über im Biergarten entspanne. Gegen ein gutes Rotbier sei ohnehin nie etwas einzuwenden.

Blechblasinstrumentenbauer Christoph Endres
Nürnberger Rostbratwürste mit traditionellem Rotbier

Nürnberg: Rotbier, Bratwurst und Dürer

Recht hat er. Und so machen wir uns auf ins alte Handwerkerviertel unterhalb der Nürnberger Kaiserburg. In der Hausbrauerei „Altstadthof“ wird das kupferfarbene Bio-Rotbier nach traditionellem Rezept gebraut. Dazu gibt es würzige Nürnberger Rostbratwürstl mit Sauerkraut.

Tische und Stühle stehen draußen in der Gasse mit Blick auf das Tiergärtnertor, nebenan liegt die Lebküchnerei der Familie Düll. Dort werden in der dritten Generation nach altem Rezept Nürnberger Elisenlebkuchen von Hand hergestellt.

Nürnberger Lebkuchen: In der dritten Generation nach altem Rezept hergestellt

Auf dem Platz vor dem Tiergärtnertor wird zwischen opulentem Fachwerk und unter Bäumen Sprizz und fränkischer Weißwein getrunken. Es ist der Ort in Nürnberg, um sich zu verabreden. Gesprächsfetzen flattern über die Tische, es wird diskutiert und geflirtet, Kinder sausen am 600 Jahre alten Albrecht-Dürer-Haus vorbei. Auf dem Sandsteinrücken darüber thront die Kaiserburg mit den steilen Dächern des Pallas, mit ihren Wehrgängen und Türmen über der Nürnberger Altstadt.

Bereits 1050 erstmals urkundlich erwähnt, diente der mächtige Bau deutschen Kaisern fünf Jahrhunderte lang als Pfalz, in der Reichs- und Gerichtstage abgehalten wurden.

Das Heilig-Geist-Spital Gebäude stammt aus dem 16. Jahrhundert
Der Tiergärtnertorplatz in Nürnberg

Barock satt in Eichstätt

Eigentlich wollten wir am nächsten Vormittag ins Fränkische Seenland fahren, um im Brombachsee oder einem der sechs anderen Seen schwimmen zu gehen. Leider verfolgt uns aber ab Nürnberg ein hartnäckiges Sommergewitter. So fahren wir durch Kiefernwälder über kurvige Straßen ins Altmühltal, bis die Sonne kurz vor Eichstätt alle Wolken ausgetrocknet hat.

Eichstätt war fünf Jahrhunderte lang eine fürstbischöfliche Residenzstadt. Der kirchliche Wohlstand zeigt sich noch heute im Dom Sankt Willibald, in Klöstern und Kirchen und an den prunkvollen Barockbauten rund um den Residenzplatz. Zwei Brunnen plätschern zwischen Stuck und pastellfarbenen Fassaden. Spatzen baden im Wasser, ein Priester in schwarzem Talar huscht vorbei.

Spatzen baden im Wasser, ein Priester huscht vorbei.

Vor einem der beiden Brunnen verrenkt sich ein Paar, um sich und die in der Sonne gleißende Marienstatue auf ein Foto zu bringen. Die Säule, auf der die Statue in der Brunnenmitte ruht, ist allerdings knapp 24 Meter hoch und hat keine Lust auf Selfies.

Flieder umrankt das rote Fachwerkhaus mit dem „Café im Paradeis“ am Marktplatz. Der Name passt, die Stimmung ist südländisch entspannt. Zwischen blühenden Oleanderstauden wird hausgemachte Minzlimonade oder ein kühler Frankensecco getrunken. Vom Brunnen am Marktplatz grüßt huldvoll der heilige Willibald. Vor der Metzgerei gegenüber werden Leberkässemmeln mit einem Hellen hinuntergespült und ein Mann mit Pepitahütchen hält an unserem Nebentisch ein Nickerchen.

Blick auf das Altmühltal nahe Riedenburg
Braumeister Max Krieger
Im Hintergrund Schloss Rosenburg

Nostalgisch: Seilfähre über die Donau

Hinter den Mauern der Benediktinerabtei Weltenburg wird seit dem Jahr 1050 Bier gebraut. Ob die Besucher und Besucherinnen wegen des Gerstensafts, des bayerischen Schweinsbratens oder der Klosterkirche der Asambrüder kommen, ist uns im Moment egal.

Wir sind am Folgetag die Altmühl flussabwärts gefahren, haben Burg Prunn und Schloss Rosenburg hinter uns gelassen und stehen bei Stausacker am nördlichen Donau-Ufer. Bestimmt 150 Meter trennen uns von der anderen Seite, aber zum Glück verkehrt an dieser Stelle seit fast 600 Jahren eine Seilfähre.

Thomas Grenzer ist wettergegerbt, lediglich mit Kraft und Geschick und unter Nutzung der Donau-Strömung transportiert er seit 20 Jahren Autos, Wanderer und Radler. Dabei hatte er nur „aus Gaudi“ erwähnt, dass er sich die Tätigkeit vorstellen könne. Sein Chef vom Bauamt nahm ihn beim Wort und „dann hab‘ ich das natürlich gemacht. Mit Fährführerschein vom TÜV versteht sich“, sagt er und drückt mit dem ganzen Körper am langen Steuerruder, bis die Fähre sanft am Ufer anlegt.

Mit der Seilfähre über die Donau bei Stausacker
Mit der Holzzille durch den Donaudurchbruch bei Weltenburg
Kloster Weltenburg nahe dem Donaudurchbruch

Donaudurchbruch in der Holzzille

Als wir später über knirschenden Kies zur Anlegestelle der Holzzillen, lang gestreckten Booten mit niedrigem Rand und minimalem Tiefgang, gehen, haben wir schon die farbenprächtigen Deckenfresken der Klosterkirche bewundert. Vor uns strömt der Fluss und Zillenfahrer Ludwig Brandl bringt uns zum Donaudurchbruch.

„Ist doch viel besser als im Büro“

Vom Elektromotor ist nichts zu hören. Wir treiben geräuschlos wie durch ein Gemälde von Caspar David Friedrich. Dunst liegt über der Donau, ein Reiher steht regungslos am Ufer. Auf beiden Seiten steigen Kalksteinfelsen aus den Fluten, Laubbäume krallen sich in das poröse Gestein, manchmal baumeln Wurzeln dick wie Schiffstaue an überhängenden Felsen. „Ist doch viel besser als im Büro“, sagt Ludwig und landet unterhalb der Befreiungshalle an.

Zum Gedenken an die Befreiungskriege gegen Napoleon ließ der bayerische König Ludwig I. das kolossale Rundbauwerk oberhalb der Donau errichten. Achtzehn Statuen außen. Vierunddreißig Statuen innen. Blank gewienerter Marmorboden und eine alles überspannende Kuppel. Menschliche Megalomanie als Gegensatz zur Anmut der umgebenden Natur. Fassungsloses Staunen, untermalt vom Tschilpen einiger Spatzen zwischen den Siegesgöttinnen.

Die Befreiungshalle in Kelheim
Cruisen mit dem Cabrio zwischen Kelheim und Regensburg
Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg

Welterbe-Altstadt oder Cabrio-Cruising?

Eigentlich wollten wir etwas länger in der Unesco-Welterbe Stadt Regensburg bleiben, aber als wir die Stadtgrenze erreichen, ziehen wieder Sommergewitter auf. Also entscheiden wir uns, nach einem schnellen Kaffee mit Blick auf die Donau und das Museum der Bayerischen Geschichte, weiterzufahren. Anstatt uns Regensburger Dom, Steinerne Brücke und Geschlechtertürme anzuschauen, cruisen wir über kleine Nebenstraßen Richtung Bayerischer Wald.

In den Dörfern entlang des Wegs tuckern Traktoren über Felder, fahren Jugendliche auf Mofas Rennen. Dann wird es immer hügeliger. Die Ruselbergstraße schlängelt sich auf die Höhen des Bayerischen Walds.

Mit dem Cabrio durch den Bayerischen Wald

Frauenau: Das gläserne Herz des „Woid“

In Frauenau, kurz vor der tschechischen Grenze, dreht sich in der „Glasmanufaktur von Poschinger“ alles um Glas. Gedreht wird beim Blasen, damit das Glas am Ende des Stabes rund wird. Jedes Glasobjekt wird im Licht gedreht, um Fehler zu finden. Kleinste Makel im Glas, die Max – den die Kollegen den besten Glasschleifer der Welt nennen – durch geschicktes Drehen unter der Poliermaschine entfernt.

„Ich mach’ des erst seit 30 Jahren, sagt Max, „und mindestens 20 Jahre bleib’ ich noch.“ Seine Vorbilder hätten bis 80 gearbeitet. „Da zitterst a bisserl, aber die Erfahrung gleicht‘s aus.“ Dann schleift er die transparente Kugel weiter, bis sie makellos ist und die Abendsonne das Glas zum Leuchten bringt.

Zum Abschluss besuchen wir das Frauenauer Glasmuseum. Es führt die Besucher durch die Kulturgeschichte des Glases, von den Anfängen in Mesopotamien bis in die Gegenwart. Die Sammlung zeigt Exponate von internationalem Rang wie barocke Luxusgläser, Spiegel und Kristalllüster sowie künstlerisches Glas der Moderne.

Kunstinstallation
Glasbläser in der Glasmanufaktur von Poschinger in Frauenau
Nürnberg: Den schönsten Blick über die Altstadt hat man von der Burg aus

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