Neumarkt: Metzger Norbert mit Sohn und Fleischsommelier Tim
Alles Wurst

Selbst die „New York Times“ hat schon über die „Weißwurstakademie“ in Neumarkt berichtet, auch Gäste aus China lernten dort die Kunst des Wurstmachens. Wir sahen uns an der ersten Adresse für alle Fragen zur bayerischen Kult-Brotzeit um. Text: Anja Keul, Fotos: Angelika Jakob

Lesezeit: 8 Minuten

Geheimnis der Weißwurst

Weißwürste dürfen das Mittagsläuten nicht hören. Die Füllung muss mindestens 51 Prozent Kalbfleisch enthalten. Zuzeln ist eine Kunst, nur Anfänger schneiden die Wurst in Scheiben. Süßer Senf, eine resche Brezn und ein Weißbier gehören dazu – rund um die Weißwurst gibt es von der Zubereitung bis zum Verzehr viele Regeln und Rituale.

Norbert Wittmann kennt sie alle. Bei ihm dreht sich alles um die Wurst: Der Metzgermeister hat in seinem „Hotel Wittmann“ in Neumarkt in der Ober­pfalz nicht nur „Bayerns erste Weißwurstakademie“ gegründet, sondern auch ein Museum voller alter Gerätschaften zur Herstellung des bleichen Leckerbissens eingerichtet.

Neumarkt: Historie des Bayerischen Metzgerei- und Weißwursthandwerks
Wurstmuseum von Norbert Wittmann in Neumarkt

Das gute Fett

Knallrot lackiert und über 150 Jahre alt sind die Fleischwölfe und Füllmaschinen in Wittmanns Museum. Alte Schwarzweißfotos erzählen von schwerer Arbeit und Metzgerstolz. Eines der Prunkstücke ist ein hölzerner „Kühlschrank“ mit Extrafach für Eisblöcke.

Ein uraltes Emailleschild verkündet: „Die Preise verstehen sich mit Zuwaage“, womit Knochen, Schwarte und Fett gemeint waren. „Das war früher bei Metzgern ganz normal“, erklärt Wittmann, „aber heute herrscht ja der Magerwahn.“ Er selbst legt Wert darauf, in seiner Metzgerei und dem Restaurant immer alles vom Tier zu verwerten, natürlich auch das „gute Fett“.

Neumarkt: Herstellung der Weißwürste mit dem Fleischwolf

Der Senf? Nicht zu süß, nicht zu scharf

Was deshalb alles in der hausgemachten Weißwurst landet – zum Beispiel das „Häutlzeug“ des enthaarten Kalbskopfs –, will man vielleicht gar nicht so genau wissen. Höchstens, dass Kalbfleisch wie Schweinespeck von der Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall stammen und die Tiere ihr Leben vor dem Ende als Wurst in Freilandhaltung verbringen. Hinzu kommen Salz, frische Zwiebeln, Petersilie, Zitronenschale, Pfeffer, Ingwer, Muskatblüte und andere Gewürze nach Geheimrezept.

Den Senf dazu lässt Wittmann seit 2008 in einer kleinen Manufaktur in Egling an der Paar herstellen. Nicht zu süß, nicht zu scharf, nicht zu irgendwas – halt genau richtig.

Weißwurst Frühstück in Hause Wittmann

Wenn es um die Wurst geht, überlässt Wittmann nichts dem Zufall. Und diese Leidenschaft hat sich auf die nächste Generation übertragen: Tochter Jana und Sohn Tim haben das Metzgerhandwerk gelernt und arbeiten im Familienbetrieb in der Bahnhofstraße 21 mit. Tim als Fleischsommelier.

Die Älteste, Nadja, erlangte als „1. Bayerische Weißwurstkönigin“ 2013/2014 sogar lokale Berühmtheit und führt heute mit ihrem Mann eine eigene Metzgerei in Sulzbach-Rosenberg.

Neumarkt: Familienbetrieb Metzgerei Wittmann

Die Erfindung der Weißwurst

Erfunden wurde die Weißwurst der Legende nach am 22. Februar 1857 im Münchner Wirtshaus „Zum Ewigen Licht“, als dem Wirtsmetzger Josef Moser ausgerechnet am Faschingssonntag die zarten Schafsdärme für die beliebten Kalbsbratwürstl ausgingen.

In seiner Not griff der Moser Sepp zu dickeren Schweinsdärmen. Die konnte er allerdings nicht braten – dabei wären sie aufgeplatzt –, sondern brühte sie in heißem Wasser. Den anwesenden Honoratioren schmeckte die Kreation.

„Die Münchner machen die Weißwurst ein bisschen lockerer als wir“, erklärt Wittmann, der schon als Kind auf den Geschmack kam, „der Vater hat sie jeden Morgen frisch hergestellt.“

Obwohl die Oberpfalz wie das nahe Franken eigentlich mehr der Bratwurst zuneigen, entwickelte er sich zum Weißwurst-Experten. An einer handbetriebenen, modernen Weißwurstmaschine lässt er heute die Teilnehmer seiner Kurse eigene Würste abfüllen. Vorher gibt’s das frische Brät zum Verkosten auf Weißbrot.

Neumarkt: Frische Brotzeit mit Weißwürsten

„Es fasziniert mich, wie früher alles mit Hand und Auge vorbereitet wurde“, schwärmt der Metzgermeister und Hotelier beim Rundgang durch sein Museum. Hier die Wiegemesser, mit denen das Fleisch zerkleinert wurde.

Dort die über 120 Jahre alte, mächtige „Bauchspritze“, die das Brät in den Darm drückte. Viel Erfahrung ist nötig, um zu wissen, wie viel Eis man einsetzt, um die Gerinnung des Eiweißes zu verhindern. Wittmann strömt nur so über vor Wurstwissen.

„Aber essen darf man die Würscht bei uns den ganzen Tag lang“

Bei all den Erklärungen und Demonstrationen rund um die Wurst ist das 12-Uhr-Mittagsläuten natürlich längst verstrichen. Macht aber nichts. Nur zu Zeiten, als es noch keine Kühlschränke gab, musste die frisch abgefüllte Weißwurst so schnell wie möglich verzehrt werden.

Wie einst sein Vater steht Wittmann jeden Morgen an der Wurstmaschine, „aber essen darf man die Würscht bei uns den ganzen Tag lang“, sagt er und stellt die Terrine auf den Tisch. Nur die Brezn, die sind jetzt am Nachmittag nicht mehr ganz so resch.“    

Bayrisches Weißwurst-Frühstück mit Weißbier und Brezen

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