Polizeibeamter Jürgen Brandl ist auch Imker
Summen in der Stadt

Auf Münchens Dächern und Wiesen brummt und summt es gewaltig! In der Stadt gibt es viele Imker, die sich um Honigbienen kümmern. Wir besuchten zwei von ihnen an ihrem Arbeitsplatz

Lesezeit: 15 Minuten

Urban Beekeeping:
Imker in München

Willkommen im Matriarchat! Honigbienen sind Wächterinnen, Sammlerinnen, Arbeiterinnen, Bauarbeiterinnen, Ammen, Putzfrauen und Königinnen. Sie sind perfekt organisiert. Angeführt werden sie von einer Bienenkönigin, Queen Bee, sozusagen.

Ach ja, männliche Bienen gibt es auch. Die Aufgabe dieser Drohnen besteht lediglich darin, die Bienenkönigin zu befruchten, damit diese Eier legen kann. Nach der Paarung sterben die Drohnen. Willkommen im Matriarchat! Willkommen bei den Honigbienen! Genauer gesagt: Willkommen bei Münchens Honigbienen. Die schauen wir uns heute nämlich genauer an und treffen zwei Stadtimker am Ort des Geschehens: dem Bienenstock.

Michael Zettler, Stadt-Imker, hat Bienenstöcke in der ganzen Stadt München

Polizei- und Museumsbienen

Wenn Jürgen Brandl von seinen Polizeibienen erzählt, tut er das sehr liebevoll. „Bienen sind faszinierende Lebewesen“, sagt er. Brandl ist Polizeibeamter und Imker. Nach Dienstschluss kümmert er sich um die Bienenvölker auf dem Dach der Polizeiinspektion mitten in der Münchner Innenstadt.

Und auch im Garten des Lenbachhauses am Königsplatz kümmert sich Jürgen Brandl seit Mai 2022 um drei Bienenstöche. Auf dem Blog des Museums gibt er regelmäßig Einblicke in die Welt der Museumsbienen.

Nähert man sich den Bienenstöcken auf dem Dach ist das „Ssssssmmmmm“, das kollektive Summen der Bienen, ganz deutlich zu hören. Die Polizeibienchen arbeiten dort mit Blick auf die Frauenkirche.

Die Aussicht dürfte sie weniger interessieren. Viel wichtiger: Wo ist die nächste Futterquelle? Gute Frage. Wir sind schließlich mitten in der Stadt. „Tatsächlich haben die Bienen in München es nicht schwer, Futter zu finden. Es gibt viele begrünte Flächen, bepflanzte Balkone und Gärten. Unsere Bienen fliegen zum Englischen Garten, in den Hofgarten, in die Isarauen oder zu Friedhöfen“, sagt er.

„Die Bienen bekommen durch den Tanz alle Infos: Wo die Nahrungsquelle ist, wie weit sie entfernt ist und wie sie angeflogen werden muss.“


Das spricht sich unter den Bienen schnell herum. Wie? Na ja, sie tanzen einfach. „Die Sammlerinnen-Bienen führen eine Art kleine Choreografie auf, man nennt das Schwänzeltanz.“ Dadurch informieren sie ihre Kolleginnen bei der Rückkehr über die Nahrungsquellen, die sie gefunden haben. 

„Die anderen Bienen bekommen durch den Tanz alle wichtigen Infos: Wo die Nahrungsquelle ist, wie weit sie entfernt ist und wie sie angeflogen werden muss“, erklärt der Polizeiimker. Eine Art Geheimsprache also, die nur Bienen entschlüsseln können.

Imker Jürgen Brandl im Garten des Lenbachhauses
Jürgen Brandl schaut in einen seiner Bienenstöcke

Ohne Biene keine Ernte

„In München und in anderen Großstädten blüht sehr viel. Es gibt wahnsinnig viele Lindenbäume und Flächen, wo Gräser und Wildblumen auch mal länger stehen und wachsen dürfen. Auf dem Land haben sie es schwerer“, sagt Jürgen Brandl.

Dort gibt es zwar mehr Felder, aber eben wenig Wiesen und Gärten, in denen Honigbienen Nektar finden. Zudem verdrängen Pestizide aus der Landwirtschaft Bienen und andere Insektenarten. Damit der Mensch weiterhin ernten kann, Obst beispielsweise, muss es neben Monokulturen auch genug „Bienenbuffets“ geben, möglichst saftige und blühende Wiesen.

Projekte, um das Land attraktiver für Bienen zu gestalten, gibt es schon. Zum Beispiel den „Summenden Acker“ in Windach nahe dem Ammersee. Die große Blumenwiese mit heimischen Wildblumen bietet Bienen jede Menge Futter.

Jürgen Brandl mit Rahmen voller Bienen

Blick in den Bienenstock

Zurück in die Innenstadt zu Jürgen Brandls Bienenvolk, den Polizeibienen. „Im Sommer leben zwischen 50.000 und 60.000 Honigbienen in einem Bienenstock. Pro Jahr produzieren unsere Polizeibienen etwa 60 Kilogramm Honig.“

Wir wollen nun einen Blick ins Innere des Bienenstocks werfen. Brandl zieht seine stichsichere Schutzkleidung über. Die Bienen fliegen kreuz und quer, sind aber friedlich. Es ist gutes Wetter, das mögen sie. „Bienen sind wetterfühlig“, sagt Brandl, als er sich dem Bienenstock nähert.

Behutsam greift er nach einem Rähmchen – dort lagern die Bienen ihren Honig. Eine Biene fliegt nah an Brandls Gesicht. Als würde sie nur kurz „Hallo“ zur ihrem Imker-Freund sagen wollen. Er bleibt ruhig, trägt Handschuhe, sein Gesicht ist mit einem Netz geschützt. Der Polizist hält das Rähmchen in die Sonne. Man erkennt kaum eine Wabe, so viele Bienen wuseln auf der Fläche umher. Schaut man genauer hin, sieht man den Honig in der Sonne goldglänzend in den kleinen Waben.

Kann es den Bienen im Sommer zu heiß werden in ihrem Bienenstock? „Das halten die Bienen aus. Sie belüften den Bienenstock selbst.“

Kann es den Bienen eigentlich zu heiß werden in ihrem Bienenstock? Im Sommer, bei über 30 Grad? „Das halten die Bienen aus. Sie sind schlaue Tiere. Sie belüften den Bienenstock selbst“, weiß Brandl. Innen im Stock gebe es Bienen, die sich um die Kühlung kümmern. Das funktioniert so: Sie schlagen mit ihren Flügeln und erzeugen dadurch einen Luftzug. „Im Winter sorgen die Bienen dafür, dass die Temperatur im Brutraum konstant 25 Grad beträgt“, erklärt der Polizist.

Um bei Kälte drinnen Wärme zu erzeugen, drücken sich die Arbeiterinnen nah einander oder versammeln sich rund um den Brutraum, bewegen ihre Muskulatur, ähnlich einem Zittern, und erzeugen so Wärme.

Gefahr durch offene Honiggläser

So clever Bienen auch sind, sie haben dennoch Feinde. Neben natürlichen Fressfeinden (Meisen lieben Bienen) und dem Klimawandel schaden Krankheiten den Bienenvölkern. Die amerikanische Faulbrut, zum Beispiel.
Die Faulbrut ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die die Brut der Bienenvölker befällt. Die Brut stirbt größtenteils ab. Die Folge: das Bienenvolk schrumpft.
Wenn es dann hart auf hart kommt, schaffen es die Bienen nicht mehr zu überwintern. Für Menschen ist die Krankheit ungefährlich.

Damit die Krankheit sich nicht verbreitet, kann auch der Mensch etwas tun: Honiggläser nur ausgewaschen im Müll oder in den Glascontainern entsorgen. Die Übertragung der Krankheit erfolgt von Volk zu Volk, aber auch dann, wenn Bienen in Kontakt mit sporenverseuchtem Honig kommen.

Warmer Honig fließt aus den Waben

Die Bienenflüsterer

Jürgen Brandl hat mehrere Imkerkurse absolviert. Er weiß, wie er mit den Tieren umgehen muss. Ein richtiger Bienenflüsterer.

Einer, der genauso gut mit Bienen flüstert, ist Michael Zettler. Der zweite Imker, den wir heute besuchen. Auf einem Holztisch im Garten des Imkervereins München und Umgebung e. V. in München-Thalkirchen stehen zwei volle Honiggläser, von ihm abgefüllt.

Michael ist Vorstand des Imkervereins. Wir treffen ihn auf dem Vereinsgelände, dort stehen auch seine Bienen. Er hat noch weitere Bienen-Standorte in der Stadt, zum Beispiel auf dem ADAC-Hochhaus nicht weit von der Donnersbergerbrücke.

Imkern ist mehr als nur ein Hobby

In der grünen Oase des Imkervereins nahe der Isar scheint die Spätsommersonne durch die Bäume und taucht Zettlers Bienenstöcke in goldenes Licht. Das einzige Geräusch: Bienensummen. Nur ganz weit entfernt rauscht die Isar.

 „Andere gehen zum Yoga, ich imkere“, sagt Michael und lacht. Er schaut auf die Bienenstöcke. Von Weitem sehen die flinken Bienen aus wie Punkte, die sich wild hin und her bewegen. Das Imkern und die Arbeit mit den Bienen erde ihn, bringe ihn runter, mache ihm Spaß, erzählt Michael. Aber, und da wird er ernst: Imkern sei mehr als nur ein Hobby.

Michael Zettler bei seinen Bienenstöcken in Thalkirchen

Am besten mit Bienenführerschein

Jürgen Brandl und Michael Zettler bringen viel Expertise mit. Beide sagen: Kennt man sich nicht richtig mit dem Imkern aus, läuft man Gefahr, dass die Bienenvölker verkümmern.

„Es gab eine Zeit lang einen richtigen Trend zum Imkern in der Stadt. Das ist aber nicht bloß ein Hobby, das man mal so ein bisschen auf dem Balkon betreiben kann. Das ist ein Handwerk, das eng mit der Natur verbunden ist“, betont Michael. Beim Imkerverein im Münchner Süden werden daher Imkerkurse für Interessierte angeboten. Imkern auf Probe gibt es auch. Eine Art Bienenführerschein sozusagen. Auch Jürgen Brandl von der Polizei bietet Imkerkurse und Bienenpatenschaften an

Übrigens: Es muss ja nicht gleich ein eigener Bienenstock sein. Um mehr über das Imkern zu lernen und die Abläufe des Honigmachens zu erleben, gibt es in Bayern Führungen mit Menschen vom Fach, zum Beispiel in der Erlebnisimkerei Seeg im Allgäu mit ihrem Schaubienenhaus. Die Führungen sind für die ganze Familie geeignet, und man erhält einen umfassenden Einblick in die Welt der Bienen – von der Blüte über den Nektar bis zum Schleuderraum und zum Honigglas. Die Arbeit der Honigbienen lässt sich live beobachten.

Die Bienen fliegen ihren Bienenstock an
Michael Zettler mit Smoker beim Bienenstock

Friedlich dank vollem Magen

In der Zwischenzeit hat Michael mit dem Smoker ein wenig Rauch versprüht und seine Imker-Uniform angelegt. Der Rauch versetzt die Bienen kurz in Alarmbereitschaft. Sie denken dann: „Hilfe, ein Waldbrand!“ ... und retten die Honigvorräte in ihrem Magen. Da es nicht zu einem echten Brand kommt, haben die Bienen einen vollen Bauch und sind deshalb entspannt. So kann Michael besser kontrollieren, wie es gerade im Bienenstock aussieht.

Er legt den Smoker beiseite und sticht mit Spitze seines Stockmeißels in eine Wabe. Drumherum krabbeln die Bienen friedlich. Der Honig fließt dickflüssig und langsam heraus. Er ist noch warm. Ist eine Wabe mit Honig gefüllt, wird sie von den Bienen mit Wachs versiegelt. Solche Waben sehen heller aus. Sticht man sie auf, so wie es Michael gerade tut, fließt der Honig heraus.

Bienenstock von Michael Zettler im Imkerverein München

Goldenes Wundermittel?

Ob Honig auch gesund ist? In Maßen auf jeden Fall. „Honig ist allerdings Zucker, nur in einer anderen Form“, sagt Zettler. Also nicht übertreiben!
Kaufen sollte man Honig am besten beim lokalen Imker des Vertrauens. Nur dort bekommt man ein reines Produkt ohne Zusätze. Imker müssen sich an die Deutsche Honigverordnung halten. Die besagt, dass dem Honig keine anderen Stoffe zugefügt werden dürfen. „Bei Gläsern im Supermarkt ist nicht immer ganz eindeutig klar, woher der Honig kommt und was drin ist“, sagt Michael.

„Bei Gläsern im Supermarkt ist nicht immer ganz eindeutig klar, woher der Honig kommt und was drin ist.“

Das gelte auch für sogenannten Bio-Honig aus dem Ausland. „Bio heißt nur, dass sich Imker einer biologischen Arbeitsweise verschrieben haben“, weiß Jürgen Brandl. Wer erkältet ist, sollte den Honig nicht sofort in den Tee geben – lieber ein wenig warten, bis das Getränk unter 40 Grad warm ist, damit die wichtigen, den Genesungsprozess unterstützenden Enzyme nicht zerstört werden.

Auf einem Schild am Häuschen des Imkervereins steht geschrieben: Bienenhaltung ist aktiver Landschaftsschutz. Zettler selbst blickt in die Zukunft: „Solange es Imker gibt, wird es Honigbienen geben.“ Das Summen in der Stadt geht also weiter.

Mit Honiggläsern in der Tasche verabschieden wir uns von beiden Imkern. Vor Ort durften wir bereits mit dem Finger naschen. Zu Hause wird mit dem Löffel aus dem Glas probiert: Schmeckt süß. Schmeckt gesund. Schmeckt nach Münchner Bienenbuffet.

Bienenstöcke auf dem Glände des Imkervereins

Wissenswertes zum Honig

  • Honig enthält Enzyme und bioaktive Stoffe mit entzündungshemmenden und antibakteriellen Eigenschaften.
     
  • Honig ist reich an Antioxidantien wie Flavonoiden und Phenolsäuren, die sich positiv auf die Herzgesundheit auswirken.
     
  • Honig hat nachweislich positive Effekte bei der Behandlung von Hautkrankheiten und Wunden durch seine wundreinigende und antibakterielle Wirkung.
     
  • Natürliches Produkt: Honig ist ein reines Naturprodukt, das von Bienen aus Nektar oder Honigtau hergestellt wird.

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