Die fränkische Weinkönigin schenkt ein
Bocksbeutel statt Zepter

Eva Brockmann, die 65. Fränkische Weinkönigin und Deutsche Weinkönigin, kommt aus Churfranken. Das ist die Region, aus der der Main gar nicht mehr fortmöchte. Wir verbrachten einen Tag mit der Monarchin im fränkischen Wein-Dorado

Lesezeit: 14 Minuten

Fränkische Weinkönigin 2023: Eva Brockmann

Was für eine Kulisse! Im Süden der Busigberg bei Großheubach, hinter uns der Spessart, vor uns die sanften Hügel des Odenwalds. Dazwischen, unten im Tal, der Main. Er schlängelt sich auf seinem letzten Abschnitt in bayerischem Territorium durch eine bezaubernde Landschaft und dreht dabei, wie bei Miltenberg, einige Kurven. Als wolle er den Abschied hinauszögern und gar nicht mehr weg von hier, aus Churfranken. Man kann ihn verstehen, den Main.

„In solchen Momenten, bei solch einem Anblick“, sagt Eva Brockmann, „da fühle ich wieder, wie schön’s bei uns ist.“ Auf ihren Reisen durch die Region merkt sie, dass sie ein neues Gespür für die Heimat bekommt und viele neue und ganz unbekannte Ecken entdeckt. Aber sie ist ja auch viel unterwegs in diesen Monaten als 65. Fränkische Weinkönigin.

Die Weinkönigin Eva Brockmann steht auf der Aussichtsplattform des terroir f

Der Fränkische Rotwein-Wanderweg

Ein Sommertag in Churfranken südlich von Aschaffenburg. Dort, wo der Freistaat in seinem äußersten Nordwesten noch einmal einen Haken nach unten schlägt. Unmittelbar vor Hessen im Westen und mit Baden-Württemberg im Südosten. Bayerns Halbinsel im Dreiländereck.

Zu Beginn des gemeinsame Tages mit Eva sind wir zwischen Erlenbach und Klingenberg unterwegs, einer Etappe des Fränkischen Rotwein-Wanderwegs, der sich über 79 Kilometer in sechs Etappen von Großostheim bis nach Bürgstadt erstreckt.

Buntsandstein für klasse Rotwein

Bald nach unserem Start am Freibad in Erlenbach erreichen wir den Höhenweg über dem östlichen Main-Ufer, der entlang des für diese Gegend so typischen Terrassenprofils führt. Weil das natürliche Gefälle der Weinberge zum Bewirtschaften viel zu steil ist, bauten die Winzer im Lauf der Jahrhunderte dort mit Mauern abgesicherte Stufen ein.

Eine weitere Besonderheit am bayerischen Untermain ist der Rotwein, der dem Wanderweg den Namen gab, erfahren wir von Eva. Anders als in den übrigen, auf Weißwein spezialisierten Anbaugebieten Frankens, wo Muschelkalk und Gipskeuper den Untergrund bilden, biete der Buntsandstein-Boden – so wie hier am Erlenbacher Hochberg – beste Bedingungen für einen vollmundig-kräftigen Spätburgunder. Dazu noch die sonnige Lage, das milde Klima: Kein Wunder, dass die roten Rebsorten hier prächtig gedeihen.

Am Klingenberg entstehen Steillagenweine

„terroir f“: Alles rund um fränkischen Wein

Auf einer der Sonnenliegen ist Zeit für eine erste Rast, gleich neben dem Pavillon des „terroir f – Churfranken“, der das Landschaftsbild dort unaufdringlich und doch spektakulär bereichert. Ein magischer Ort des Frankenweins, für den die 24-jährige Eva in diesem Landstrich ihre große Leidenschaft entdeckte.

Mehr als zwanzig Standorte namens „terroir f“ gibt es zwischen Hammelburg und Ipsheim, zwischen Alzenau und Oberschwarzach: Gestaltet in bemerkenswerter architektonischer Vielfalt, sind sie Anlaufstelle und Info-Hotspot für Ausflügler und Urlauber, die mehr wissen möchten über die lokalen Anbaugebiete und Winzereien.

vom terroir f hat man eine schöne Aussicht
Auf den Weingütern und in den Weinbergen gibt es Plätze zum Verweilen

Wie wird man Weinkönigin?

Sechzehn war Eva Brockmann und noch Schülerin, als sie 2015 im Weingut Giegerich in Großwallstadt ein erstes Praktikum absolvierte. Vom ersten Tag an war sie fasziniert von der Arbeit, manchmal stand sie damals nur wenige Minuten von hier entfernt am Klingenberger Schlossberg, einer der fünf Anbauflächen der Giegerichs.

Eva ist die seit 50 Jahren erste Weinkönigin   aus Churfranken

Weiter weg ging es nach dem Abitur 2017 für die Ausbildung zur Winzerin in Sulzfeld bei Kitzingen. Davon wird später noch die Rede sein.

Eva erzählt Eva, dass sie 2019 an der Hochschule im hessischen Geisenheim ihr Bachelor-Studium für Weinbau und Önologie begonnen habe, als zwei ältere Wanderinnen an den Holzliegen und dem Picknickplatz vorbeischlendern und beim Herüberschauen erstaunt fragen: „Is des ned unsere Weinkönigin?“ Doch, ist sie!

Die lachende Weinkönigin hinter Reben

Das Ende einer Dynastie? Bitte nicht!

Das mit der Weinkönigin kam so: Anfang 2022 hörte Eva eher zufällig im Radio, dass für die folgende Amtsperiode der Fränkischen Weinkönigin noch keine Bewerbungen eingegangen waren.

Drohte das Ende einer Tradition, einer mehr als 70-jährigen Dynastie? Würde sich erstmals seit Einführung der Reben-Monarchie 1950 tatsächlich keine Königin für Frankens Weine finden?

Da sie mit der abgeschlossenen Lehre immerhin eine der drei nötigen Voraussetzungen (Ausbildung, lokale Weinprinzessin oder aufgewachsen auf einem Weingut) erfüllte und die Aufgabe sie reizte, reichte sie ihre Kandidatur ein – und stand im Mai 2022 mit zwei anderen Mitbewerberinnen beim großen Finale in Würzburg auf der Bühne.

Expertenfragen mischten sich mit Publikumsfragen und unterschiedlichen Aufgabenstellungen: Die Themen reichten von den Herausforderungen für Winzereien in heißen Trockenphasen über die Ertragsregulierung in den verschiedenen Vegetationsperioden bis zur Ausflugsorganisation für eine norddeutsche Seniorengruppe.

Eva Brockmann schaut aus dem Gartentor heraus
Vom Klingenberg sieht man auf die darunterliegende Ortschaft und den Main

Am Ende kürte die Jury aus Weinbau und Wirtschaft, Politik, Medien und Tourismus Eva zur 65. Fränkischen Weinkönigin. Und weil sie der Weinbauverein Großwallstadt ins Rennen geschickt hatte, wurde sie – nach zahlreichen Vorgängerinnen aus den Kreisen Würzburg, Kitzingen, Main-Spessart – zur ersten Weinkönigin aus der Region Churfranken seit einem halben Jahrhundert.

Weshalb sich Großwallstadt seitdem nicht nur als Standort eines traditionsreichen Handballvereins rühmen darf, sondern auch als Heimat einer Königin.

Neues Leben als Weinkönigin

Für Eva begann damit ein neues und recht aufregendes Leben. Bei bis zu vierhundert Terminen zeigte sie im ersten Jahr ihrer Regentschaft Präsenz.

Bei Vorträgen vor dem Landesverband der bayerischen Spediteure oder zum Thema Nachhaltigkeit im Weinbau war sie gefragt, außerdem bei vielen Weinfesten im Frankenland, beim Besuch des US-Generalkonsuls und bei der Eröffnung der Bayreuther Festspiele am Vorabend unseres Treffens.

Um kurz vor vier morgens sei sie ins Bett gekommen, erzählt sie. Dazu stand kurz vor unserer Verabredung noch das entscheidende Kolloquium an der Hochschule in Geisenheim an.

45 Minuten referierte Eva dort über die wichtige Bedeutung von Bodenmikrobiomen zur Optimierung des Anbaupotenzials, mit besonderem Augenmerk auf den Unterschied zwischen konventionell genutztem und ökologisch bewirtschaftetem Weinberg.

Weil sie damit nach der schriftlichen Prüfung nun auch das mündliche Examen bestanden hatte, wandern wir mit einer royalen Bachelor of Science, der Kgl. B. Sc. Eva Brockmann, zurück nach Erlenbach.

Die Weinkönigin ist mit Reinhold Hillerich im Weinkeller Erlenbach unterwegs

Besuch bei Reinhold Hillerich

Da sie ihre Rolle vor allem als Werbegesicht des Frankenweins versteht, passt es gut, dass wir noch bei Reinhold Hillerich in Erlenbach vorbeischauen, einem der 2.900 Winzer in Franken.

Hillerich war mal in den Nachrichten, als es Ärger gab wegen der Etikettierung seiner Portweine. Erst ging es um einen vermeintlich geschützten Begriff, dann bekam er Post bekam von Anwälten eines Weinbauern aus dem Burgenland mit ähnlichem Namen. Die groteske Kafkaeske ist ein gutes Exempel dafür, womit sich Winzer sonst noch beschäftigen müssen, außer mit ihrem Terroir, dem Rebstock, der Lese und dem Ausbau von Lagen- und Dessertweinen.

Und während Reinhold Hillerich ein Glas einschenkt, macht seine Frau Renate Bilder mit dem Smartphone. Dass die Weinkönigin vorbeischaut, passiert nicht oft.

Nächste Station: Sulzfelder Sonnenberg

Mit dem Auto fahren wir ins bereits erwähnte Sulzfeld, weiter mainaufwärts im Landkreis Kitzingen gelegen. Viel Fachwerk, mittelalterliche Stadtmauer, verwinkelte Gassen, großer Charme. Mittendrin im Dorf das Weingut Zehnthof Luckert, Evas Ausbildungsbetrieb, der über Sulzfeld auf dem Muschelkalk des Südhangs vor allem Silvaner und Chardonnay heranwachsen lässt.

Genau dorthin führt uns der letzte Teil unserer Reise mit Eva: auf das Plateau des Sulzfelder Sonnenbergs, der im dämmrigen letzten Abendlicht seinem Namen gerade noch gerecht wird.

Silvaner für alle Lebenslagen

Zeit für ein letztes Picknick mit Wurst und Käse, mit Brezen und natürlich einem Silvaner aus dem kalten Bocksbeutel, Evas Lieblingswein. Er kommt in verschiedenen Ausprägungen daher, mal leicht und fruchtig, mal aber auch kräftig und herb, wie Eva weiß: „Keine Lebenslage und kein Gemütszustand, für den es nicht den passenden Silvaner gibt!“

Lange sprechen wir noch über die ständigen Herausforderungen der Winzerei. Wie man auf neue weltweite Trends reagiert, auf den Hype um Orange-Naturweine etwa oder die Aroma-Rebsorten. Ob man sich von jeder neuen Welle treiben lässt oder nicht lieber auf die eigenen Stärken setzt und damit punktet, dass man keinen Sauvignon Blanc pflanzt, schließlich hat man doch die heimische Scheurebe.

Brotzeitbrettl und Weißwein aus dem Bocksbeutel

Weinbau in Zeiten des Klimawandels

Es geht auch noch um die Zukunft des Weinbaus in Zeiten der Erderwärmung. Dass sich sonnenbrandgefährdete und trockenheitsanfällige Reben wie der Bacchus langfristig schwertun dürften, aber der Silvaner mit seiner robusten Beerenschale als UV-Schutz gut durch die nächsten Jahrzehnte kommen dürfte.

Und natürlich geht es, als es langsam dunkel wird und ein frischer Wind aufzieht, um Evas Zukunft. Kurzfristig um den Vortrag am nächsten Tag vor der IHK Aschaffenburg, Thema: Tourismus in Franken.

Langfristig möchte Eva nach dem Ende ihrer Amtszeit im März 2024 ihren Studiengang zum Master angehen, einen Sommelierkurs belegen, vielleicht eines Tages als Beraterin arbeiten. Churfränkisch-königliches Consulting sozusagen.

In jedem Fall will sie in der Weinbranche bleiben, Kontakte hat sie auf ihrem Thron schon genug gesammelt. Und natürlich, sagt sie ganz am Ende noch, wolle sie in ihrem Leben weiterhin durch Franken fahren, radeln und wandern. Um noch mehr zu entdecken und es noch mehr zu fühlen: das Gespür für die Heimat.

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