Frankens Landschaften und Städte sind filmreif. Für TV- und Kinoproduktionen ist aber meist noch etwas ganz Spezielles gefragt. Dann kommt Location-Scout Ute Platzer ins Spiel
Drehorte in Franken
Das windschiefe Haus der kleinen Hexe steht zwischen gigantischen Felsblöcken im Wald. Es müssen wohl Riesen gewesen sein, die die Granit-Ungetüme glatt geschliffen und hier aufgetürmt haben. Dann wurden sie irgendwann einfach liegen gelassen zwischen den uralten Buchen. Das Häuschen aus Lehm und Holz wurde extra aufgebaut als Bestandteil des Sets zum Film „Die kleine Hexe“. Das surreal anmutende Amphitheater aus Felsen mitten im Wald von Kleinwendern dagegen ist echt!
„Die kleine Hexe“: Der Felsenwald von Kleinwendern
Zufällig findet man so einen Ort nicht. Auf einem Höhenzug des Fichtelgebirges zweigt im Städtchen Bad Alexanderbad die enge Straße ab zum Weiler Kleinwendern. Dort geht es auf dem engen Waldweg immer geradeaus, bis man plötzlich inmitten dieser spektakulären Laune der Natur steht.
Geformt haben die Felsen keine Waldschrate, Ursache ist die sogenannte Wollsackverwitterung, die glatte Felsen in merkwürdig ovaler Form hinterlässt. Bei Einheimischen waren die Steine natürlich bekannt, doch für den Film entdeckt hat sie Ute Platzer, die als Location-Scout arbeitet.
Ute aus München muss sich beim Scouting ständig mit Fragen herumschlagen, die gar nicht alltäglich sind: Wo wohnt wohl eine Teenager-Hexe, die 127 Jahre alt ist und damit noch viel zu jung für die Walpurgisnacht? Die Zeit und Muße braucht, um die 7.852 Zaubersprüche auswendig zu lernen, die beim wichtigsten Event der Hexenzunft gefragt sind. „Im Wald, eh klar“, erinnert sich Platzer an die Suche. „Aber eine grüne Höhle allein ist viel zu langweilig.“
Von Bekannten, die jemanden kannten, der von diesen seltsamen Felsen erzählte, erfuhr sie von Kleinwendern. In Franken ist sie aufgewachsen und bis heute bestens vernetzt. „Das hilft ungemein bei der Recherche.“ Nach einem ersten Besuch allein und einer anschließenden Motivbegehung mit den Szenebildnern war klar: Hier wohnt die Hexe!
Das Oberfränkische Bauernhofmuseum
Praktischerweise lag ganz in der Nähe bereits eine andere Location für die aufwendige Verfilmung des Buchs von Otfried Preußler: das „Oberfränkische Bauernhofmuseum Kleinlosnitz“. Der Dietelhof darin ist geradezu märchenhaft schön und somit absolut filmreif fürs Projekt.
Das kleine Freilandmuseum entstand in den 1970ern um den strohgedeckten Vierseithof aus dem späten 18. Jahrhundert herum, der mit den vielen originalen Einrichtungsgegenständen zu den bedeutendsten Baudenkmälern Franken zählt. Hinzu kamen später Höfe, die andernorts abgebaut und für das neue Museum hier wieder errichtet wurden.
Gute Recherche durch Reisen
Kleinlosnitz kannte Ute Platzer natürlich schon. Das Internet, aber auch Bibliotheken sind wichtige Quellen bei der Suche nach der idealen Location, vor allem aber das Reisen. Auf der ganzen Welt hat sie schon gesucht, in Bayern kennt sie sich aber noch immer am besten aus.
Nach dem Architekturstudium in München arbeitete sie für verschiedene Architekturbüros, doch das wurde ihr schnell zu langweilig. Sie assistierte Szenenbildnern beim Film, machte ein Aufbaustudium Szenografie in Rosenheim. Seit der Jahrtausendwende ist sie hauptberuflich Location-Scout. Immer wieder fündig wird sie in den Freilandmuseen Bayerns. „Da hat man komplette historische Ensembles, besser geht‘s nicht.“
Kriegsepos und Räuberpistole: Drehs in den Freilandmuseen
Im „Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim“, rund 50 Kilometer westlich von Nürnberg gelegen, rücken immer wieder Filmteams an, Ute Platzer ist hier Stammgästin. Mehr als 120 Gebäude – darunter Bauernhöfe, Handwerkerhäuser und sogar ein Sommerschlösschen – verteilen sich auf sieben Baugruppen, die nach Regionen und Themen angeordnet sind und 700 Jahre fränkische Geschichte repräsentieren.
Bei Streifzügen durch die 45 Hektar große Anlage stellt sich schnell das Gefühl ein, von Dorf zu Dorf zu wandern. Nach alten Methoden bewirtschaftete Felder und duftende Bauerngärten erzeugen die perfekte Illusion von Zeitreise. Zur Belegschaft gehören hier auch viele Hoftiere, von Vertretern alter Rinderrassen bis zu Bienenvölkern. Die arbeiten bei Drehs sogar kostenlos als Statisten. „A gmahde Wiesn“ also, wie man in Bayern sagt! „Szenenbildner haben da nicht mehr viel zu tun“, freut sich Ute Platzer in solchen Fällen.
Historische Kriegsschauplätze
So war es auch beim TV-Weltkriegsepos „Unsere Mütter, unsere Väter“, für das einige Szenen in Bad Windsheim gedreht wurden. Kulisse war ein Bauernhaus, das einst in Oberzettlitz, einem Ortsteil von Kulmbach, stand. Vom Baujahr 1711 erzählt noch eine alte Inschrift.
Die Chronik der Bauernfamilie Dörffler berichtet darüber hinaus davon, dass der Hof tatsächlich Kriegsschauplatz war. Im Siebenjährigen Krieg 1756–1763 lagerten Soldaten und Offiziere oft mehrere Wochen im Hof. Die ungebetenen Gäste waren mal „Nassauer, Württemberger, Kaiserliche, Darmstädtische, Kurbayerische, Kurmainzer, Ansbacher, Sachsen-Gothaische“, so wird berichtet.
Klassiker: Räuber Hotzenplotz
Leichte Kost bannte man dagegen im „Fränkischen Freilandmuseum Fladungen“, am Fuß der Bayerischen Rhön, auf Film. Für den „Räuber Hotzenplotz“ richtete sich die Crew für einige Tage in einem Hof aus Waldberg ein, der kurzerhand zum Haus der Großmutter umfunktioniert wurde.
Ein elementarer Ort im Film, denn aus eben diesem Haus entwendet der Delinquent mit dem schiefen Hut die Kaffeemühle, die dann Kasperl und Seppel unter spannenden Abenteuern suchen. Die Hofstelle mit dem eigentümlich grünen Anstrich stammt aus der Gegend südlich des Kreuzbergs, dem „heiligen Berg“ der Franken, wurde 1684 wahrscheinlich von Kolonisten errichtet und in den 1990er-Jahren in mehrjähriger Kleinarbeit ins Museum umgezogen. Für den Film hatte man sogar extra einen Garten der Großmutter ums Haus herum angelegt.
Sehr charmant: Bei den sommerlichen Open-Air-Kinoabenden im Museum steht natürlich auch regelmäßig der „Räuber Hotzenplotz“ auf dem Programm, mit einigen der Drehorte dann nur wenige Meter entfernt.
Märchenhafte Anwesen
Das Anwesen der Bleistift-Dynastie „Faber-Castell“, Mitte des 19. Jahrhunderts im Stil der Neorenaissance erbaut, spielte schon oft mit in Filmen. Dass die Familie dort schon länger nicht mehr wohnt, macht es den Filmcrews umso leichter. Direkt am Firmensitz im Nürnberger Ortsteil Stein gelegen, erinnert das Schloss und heutige Museum an Harry Potters Zauberinternat Hogwarts.
Sogar Burt Lancaster spazierte dort schon übers wertvolle Parkett: Im Film „Väter und Söhne“ spielten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Fabrik nebenan als Statisten mit und Andreas Graf von Faber-Castell hatte eine Minirolle.
Starke Männer waren auch das Thema in dem Film, für den Ute Platzer das Schloss entdeckte: „Landauer – Der Präsident“ erzählt die Geschichte des charismatischen ersten Präsidenten des FC Bayern, Kurt Landauer. In „Hanni und Nanni“ wiederum wurde der graue Riesenbau kurzerhand zum Mädchen-Internat.
Netflix war auch schon da
Wenn die Geschichte des berühmtesten Mädchens mit Schloss-Faible verfilmt wird, reicht ein Schloss indes nicht aus. Für die Neuauflage von Sissi nahm Netflix als Produktionsfirma gleich mehrere Schlösser in Beschlag.
Zum großen Teil wurde die Serie „Die Kaiserin“ in Bayreuth und Umgebung gedreht. Besucher können sich hier auf die Spuren der Monarchin begeben, der man bei der Netflix-Variante weitaus mehr Tiefgang zugestand als im Schmonzetten-Klassiker mit Romy Schneider.
Gleich mehrere Locations befanden sich dabei in der Eremitage, einer verspielten Parkanlage mit zwei Mini-Schlössern am Stadtrand von Bayreuth. Im Marmorsaal im Alten Schloss gibt Kaiser Franz dort in der Serie seine Verlobung bekannt, zur Überraschung aller Anwesenden mit Elisabeth aka Sissi. Was Besuchern heute nicht vergönnt ist, darf die Netflix-Kaiserin in spe: Im Galopp reitet sie vergnügt den bezaubernden Laubengang entlang.
An der Unteren Grotte speien am Tag der Verlobung dagegen nicht nur die Wasserspiele: Der Sissi-Vater liegt betrunken am Brunnen und wird von Elisabeth kurzerhand rausgeschmissen. Im ewig langen Kanalgarten sieht man sie spazieren gehen und beim Bird-Watching mit ihren Hofdamen.
Bayreuther Rokoko mit Sissi und Franz
Auch im und am Neuen Schloss im Stadtzentrum wurde gedreht. Der Prachtbau, erbaut im Stil des Bayreuther Rokokos zur Mitte des 18. Jahrhunderts, beherbergt unter anderem das kunterbunte Palmenzimmer. Hier liegen Sissi und Franz in einer Szene auf dem Eichenparkett und betrachten ganz verliebt die Fabelwesen an der Decke.
Bayreuth hat so viele grandiose Bauten, dass man fast den Überblick verliert. Schloss und Park Fantaisie, eine weitere Dreh-Location, steht im Ortsteil Donndorf, fünf Kilometer westlich der Stadt. Erbaut wurde die Anlage als eine von mehreren Sommerresidenzen für Markgraf Brandenburg-Bayreuth.
Bei Netflix wurde sie kurzerhand zum Sommerschloss in Ischl, wo Sissi und ihre Familie eintreffen und freudigst den Kaiser erwarten. In einer Szene sieht man den Sissi-Clan, wie er die Treppe zur Wasserkaskade hinunterschreitet. Und das Gartenlabyrinth wird zur Kulisse beim Fechtduell zwischen Franz und seinem Bruder Maximilian.
Vom Domplatz in Bamberg nach Schloss Weißenstein
Außerdem drehte die Netflix-Crew am Domplatz in Bamberg, wo die Hochzeitsszenen spielten, sowie im Schloss Eyrichshof bei Ebern und beim Dorf Pommersfelden. Im dortigen Schloss Weißenstein, das in der Serie Schloss Schönbrunn mimt, rückten im Herbst 2023 schon wieder die LKW der Produktions-Crew an.
Gewerkelt wird bereits an der Sissi-Fortsetzung! 100 Millionen Menschen haben immerhin die erste Staffel gesehen, die neuerdings preisgekrönt ist. Das Historiendrama gewann am 20. November 2023 den International Emmy als beste Dramaserie. Die Netflix-Reihe setzte sich dabei in New York gegen Produktionen aus Südkorea, Argentinien und Großbritannien durch.