Eine Genusstour durchs Spessart-Mainland, zu interessanten Weingütern in Klingenberg, Bürgstadt und Kleinheubach. Sie sind beispielgebend für dieses Gebiet, aber dennoch hat jedes seine Eigenheiten. Das macht Churfranken so spannend und abwechslungsreich
Churfranken: Weingenuss im Spessart-Mainland
Sofern man nicht mit dem Rad unterwegs ist, sollte man auf der Fahrt nach Klingenberg am Main den Fuß vom Gaspedal nehmen. Es lohnt sich! Anfangs sind die dicht bewaldeten steilen Hänge immer wieder durchbrochen von großen rötlichen Buntsandstein-Blöcken, die eindrucksvoll im Sonnenlicht strahlen. Da wähnt man sich eher in amerikanischen Nationalparks als in Unterfranken.
Wenig später jedoch trifft man auf Weinberge in extremer Steillage mit einem schier unendlichen Netz aus Terrassenanlagen, die von Weinbergmauern durchzogen sind. Eine märchenhaft wirkende Landschaft, die schon früher bekannte Schriftsteller inspiriert hat. Die Geschichte „Das Wirtshaus im Spessart“ von Wilhelm Hauff handelt beispielsweise in dieser Gegend und natürlich spielt hier der gleichnamige Film.
Doch nicht nur Hauff hat sich inspirieren lassen, auch die Gebrüder Grimm. So soll in dieser Region einst Schneewittchen gelebt haben, das in Wirklichkeit ein adeliges Mädchen aus Lohr namens Maria Sophia Katharina Margaretha von Erthal gewesen sein soll. Zumindest bezeichnet sich Lohr am Main als Schneewittchenstadt. Dort können Besucher im Spessartmuseum sogar einen Blick in den berühmten Spiegel werfen.
Weingut Steintal: Raritäten und Verbotenes
Märchenhaft ist auch der Aufstieg des Weinguts Steintal in Klingenberg, das früher einmal Weingut der Stadt Klingenberg hieß. Unter der Leitung des Mittzwanzigers Jonas Hirn und seines nur wenig älteren Kellermeisters Philipp Aufderheide entstehen seit 2019 hochwertige Bio-Spätburgunder, die in 300 bis 2.220 Liter großen Holzfässern aus fränkischer Eiche ausgebaut werden.
Die Terrassen-Steillagen sind von der UNESCO als schützenswert anerkannt
Rund drei Viertel der elf Hektar Rebflächen stehen auf denkmalgeschützten Terrassensteillagen, die von der UNESCO als schützenswert anerkannt sind.
Die Arbeit in diesen schwer zu bewirtschaftenden Lagen ist nicht nur im Sommer schweißtreibend, auch bei der Lese im Herbst: Jonas Hirn und sein Team erledigen alles in Handarbeit. Oder per Fußeinsatz: Für den teuersten Wein, den Spätburgunder Schlossberg, wird ein Teil mit Füßen getretener Trauben verwendet – eine Methode, die heute vor allem für teure Vintage Portweine praktiziert wird.
Eine Rarität ist der nur in Topjahren in einem einzigen Fass aus den allerbesten Trauben ausgebaute Terra 1261. Die Zahl steht für die erste urkundliche Erwähnung von Weinbau in Klingenberg.
Es gibt noch eine weitere Spezialität im Weingut: einen kraftstrotzenden Cabernet Franc, den man sonst in Franken nicht mehr antrifft, da sein weiterer Anbau verboten wurde. Eine andere Steintaler Besonderheit ist die Exportquote. Sie beträgt die nicht nur für Franken ungewöhnlich hohe Zahl von 75 Prozent.
Esskastanien und Rosen
Wie aber kann man sein Weingut Steintal nennen? „Hier soll die Authentizität und der Charakter, der uns ausmacht, zum Ausdruck kommen“, meint Jonas Hirn. „Das ist zum einen der Stein: roter Buntsandstein, unser Terroir, die denkmalgeschützten Terrassen. Zum anderen das Tal: steile Hänge, das Kleinklima, der Main und die Menschen, die hier in Churfranken zwischen Spessart und Odenwald leben.“
Dazu hat Hirn einen Eisvogel als Wappentier. „Der lebt am Main und steht für eine intakte Umwelt, gutes Wasser und eine lebendige Natur.“ Diese Natur erlebt man auf dem Esskastanien-Lehrpfad über Klingenberg. Der knapp drei Kilometer lange Rundweg beginnt an der alten Clingenburg und führt hinauf zum Aussichtsturm, wo man einen herrlichen Blick auf das Main-Tal genießt.
Dreizehn Tafeln bieten am Lehrpfad neben Kulturgeschichte auch aktuelle Themen zur Edelkastanie wie Klimawandel, Nutzen und Verwendung sowie Tipps für Kastaniensammler. Die Esskastanien sind übrigens gute Begleiter zu den Rotweinen der Region.
Vor der Weiterfahrt nach Kleinheubach zum Weingut Fürst Löwenstein lohnt sich ein Abstecher in den Rosengarten, der früher zum Klingenberger Stadtschloss gehörte. Über vierhundert Rosen verbreiten dort ihre Düfte, die manchmal an die Rebsorte Gewürztraminer erinnern, der in einigen fränkischen Weingütern angeboten wird. Der prachtvolle Garten erstreckt sich über einen Hektar und wird häufig für Konzerte, Feste und Trauungen genutzt.
Weingut Fürst Löwenstein: Historische Lage
Die markantesten Orte in Kleinheubach sind der Fürstliche Park und das Schloss, das 1725 vom Fürsten Dominik Marquart zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg nach dem Vorbild von Versailles erbaut wurde. Dort treffen wir Peter Arnold, den Betriebsleiter und Kellermeister des Weinguts Fürst Löwenstein, der gerade dabei ist, seine Teams für die Lese in der Lage Homburger Kallmuth loszuschicken.
Der Begriff Kallmuth stammt vom keltischen Wort Calemont, was kahler Berg bedeutet. Nur ist der Berg mit einer Hangneigung von bis zu 74 Prozent seit Langem alles andere als kahl. Schließlich wurden dort bereits vor rund 1.000 Jahren Weinterrassen angelegt. Die zwischen zwei und fünf Meter hohen Trockenmauern wurden 1981 unter Denkmalschutz gestellt. Die Arbeiten dort können nur von Hand erledigt werden, die benötigten Spritzmittel werden bevorzugt von Hubschraubern ausgebracht.
Handlese: Schwerstarbeit in der Steillage
Da die Sonne sehr lange in den Berg einstrahlt, ist die Handlese eine sehr schweißtreibende Arbeit. Die gelesenen Trauben – Riesling, Silvaner und Sauvignon Blanc – werden anschließend mit einem kleinen Traktor zur Sammelstelle gebracht, auf einen Transporter geladen und umgehend in die Kellerei gefahren, um dort sofort gepresst zu werden.
Weinbergromantik? Während der harten Arbeit in dieser Steillage Fehlanzeige! Aber die Helferinnen und Helfer, die in der Mehrzahl seit Jahren bei der Lese dabei sind, versprühen gute Laune. Wohl nicht zuletzt, da die Kallmuth-Weine, das Ergebnis ihrer Arbeit, einen guten Ruf genießen.
Café-Stopp in Miltenberg
Handarbeit angesagt ist auch bei unserer nächsten Station in Miltenberg. Die Kaffeerösterin und Diplom-Kaffeesommelière Megi Schmitt ist die Inhaberin des gemütlichen „Café Mocha“ im Herzen der Altstadt. Sie röstet nicht nur täglich selbst, sondern backt auch feine Kuchen, darunter einen stadtbekannten Käsekuchen.
Innenraum und Außenbestuhlung bieten nicht selten zu wenig Platz für die zahlreichen Stammgäste und Besucher des offiziellen Bayerischen Genussorts Miltenberg, der für sich als „Perle des Mains“ wirbt.
Anlaufstationen sind die mittelalterlichen Fachwerkhäuser in der Innenstadt, das preisgekrönte Museum Stadt Miltenberg, das als eines der schönsten Museen Bayerns bezeichnet wird, und das „Gasthaus zum Riesen“, eines der ältesten Gasthäuser in Deutschland. Bereits seit dem 12. Jahrhundert waren dort unzählige gekrönte Häupter zu Besuch.
Weingut Stich: Mostsuppe, Tafelspitz, Müller-Thurgau
Wer gute Weine und die Atmosphäre von Häckerwirtschaften bevorzugt, ist im angrenzenden Bürgstadt bestens aufgehoben. Das Weingut Stich „Im Löwen“, benannt nach dem ehemaligen alten Gasthaus mit gelben Klinkersteinen und Sandsteinverzierungen, wartet im April, Mai und November mit kulinarischen Spezialitäten auf: Mitinhaberin Helga Stich serviert dann Fränkische Mostsuppe mit Sahne, Rindfleischsalat aus Bürgstadter Tafelspitz mit Marinade inklusive gerösteten Kürbiskernen und Kürbiskernöl aus Bayern oder Butterbrezeln mit Kümmel, die extra für das Weingut hergestellt werden und hervorragend zum Wein passen.
Im Fokus stehen Müller-Thurgau, Silvaner, Gewürztraminer und vor allem Spätburgunder. Diesen gibt es in Topjahren auch als „AAA“-Variante. „Die Abkürzung stammt aus der Hochzeit der Ratingagenturen und dieses Triple A steht für die Topbewertung“, klärt Sohn Philipp auf. Er und sein Vater Gerhard haben sich der Nachhaltigkeit verschrieben. Seit 2013 erzeugen sie ihren Strom selbst, ein Großteil der Flaschen wird wiederverwendet und als Verpackung werden mehrfach einsetzbare Holzkisten bevorzugt.
Weingut Meisenzahl: Perlend oder Prozente?
Fränkisch-Deftiges bietet das Weingut Meisenzahl in seiner Bacchus-Stube, etwa Bratwürste in Dunkelbiersauce mit Bratkartoffeln und Sauerkraut. Dazu gibt es Silvaner, Spätburgunder und Merlot, der zuerst nur als Cuvée-Partner gedacht war, aber seit einigen Jahren sortenrein angeboten wird.
Stefan Meisenzahl, der das vier Hektar kleine Bio-Weingut im Nebenerwerb betreibt, bietet auch einen Perlwein in Weiß und als Rosé an, der sich unter dem Namen „Moonlight“ eine treue Fangemeinde erobert hat.
Tipp für alle, denen nach dem Essen nach etwas Kräftigerem ist: Vater Erich brennt seit 2017 feine Destillate aus Früchten von den eigenen Streuobstwiesen oder aus regionalen Zutaten, darunter einen fränkischen Whisky und einen Bürgstädter Feigenbrand.
Erste Rotweinadresse Frankens
… und beim Spätburgunder auch international – das ist das Weingut Rudolf Fürst unter der Leitung des jungen Sebastian, der 2018 den Betrieb seines Vaters Paul übernommen hat. Dieser hatte in knapp vier Jahrzehnten den Betrieb von 1,5 auf 21 Hektar erweitert. Auf den Toplagen wie dem Bürgstadter Centgrafenberg, Hundsrück und dem Klingenberger Schlossberg stehen Spät- und etwas Frühburgunder, deren beste Trauben im Stil der traditionellen burgundischen Vinifikation in offenen Holzbottichen vergären und anschließend bis zu 18 Monate in Barriques reifen.
Doch Fürst kann auch weiße Burgundersorten, deren Trauben leicht mit den Füßen angequetscht werden. Das Geheimnis seines Erfolgs erläutert Sebastian so: „Wir haben nur bestes Traubenmaterial angepflanzt, versorgen die Weinberge ausschließlich mit selbst erzeugtem Kompost, lesen sehr selektiv und bauen die Weine behutsam aus.“ Eigentlich ganz einfach. Wenn man es kann.
Bochsbeutel statt Zepter
Unterwegs mit der Fränkischen und Deutschen Weinkönigin Eva Brockmann durch ihre Heimat