Die Jungwinzerinnen und früheren Weinprinzessinnen Pauline und Anna sind „Steinmanns Töchter“. Wir besuchten das Erfolgsduo aus Sommerhausen
Jungwinzerinnen „Steinmanns Töchter“
Es war alles so schön geplant: Ende März 2020 wollten die damals 23-jährige Pauline und die zwei Jahre jüngere Anna ihren ersten richtigen Jahrgang präsentieren. Die Weinqualität war überzeugend, die 25.000 Flaschen waren alle gefüllt und ansprechend etikettiert. Alles war für eine große Feier gerüstet und die Schwestern hofften auf einen starken Abverkauf.
Da platzte der Corona-Lockdown dazwischen. Keine Party also und das Lager in einem damals gepachteten ehemaligen Weingutsgebäude blieb voll. Der Lockdown war schon für viele alteingesessene Winzer ein Problem, erst recht für Neulinge ohne jeglichen Kundenstamm.
Doch Pauline und Anna standen nach dem unverschuldeten Fehlstart wieder auf, richteten ihre Kronen und entwickelten andere Ideen. Mit Flyern, großen Hinweistafeln, Plakaten in den Weinbergen und mittels Social Media machten sie auf sich aufmerksam. Mit Erfolg! Dabei half nicht zuletzt auch der ungewöhnliche Name des Weinguts: Steinmanns Töchter.
„Bei uns in Sommerhausen gab es schon ein paar Winzer und Weingüter mit dem Namen Steinmann“, begründet Pauline die Namensgebung. „Wir wollten uns nicht nur durch die Vornamen von den anderen unterscheiden.“ Außerdem, so die Überlegungen, erweckt dieser Name mehr Neugier. Ebenso wie das Logo und die Etiketten, die zusammen mit der ortsansässigen Designerin Alexandra Maiwald entwickelt wurden.
Die Aufgabenstellung für das Logo: Wie vereint man drei Schwestern, ehemalige Weinprinzessinnen von Sommerhausen, und das Wahrzeichen der fränkischen Weinkultur miteinander? Das Ergebnis: durch eine dreizackige Bocksbeutelkrone.
Apropos drei Schwestern. „Wir sind sehr familienverbunden, unsere dritte Schwester Viktoria lebt und arbeitet aber seit einiger Zeit mit ihrer Familie in Tadschikistan“, klärt Anna auf. „Wenn sie nach Hause kommt, packt sie überall mit an.“
Weine, die auffallen
Bei den Etiketten entschied man sich für malerische Motive aus der Romantik, die durch ein knalliges monochromes Farbschema modern anmuten und mit dem Schriftzug WIR LIEBEN, gefolgt von Namen wie GEORG für die Scheurebe oder NOAH für den Muskateller, versehen sind.
„In jedem Wein von uns stecken so viel Liebe und Herzblut, da wollten wir ihnen Namen geben“, erläutert Pauline. Angefangen hat es mit dem Georg, da der Züchter der Scheurebe Georg Scheu hieß. Der Muskateller heißt Noah, da die Sorte als eine der ältesten Reben gilt, die schon Noah mit auf seine Arche genommen haben könnte. „Wir haben uns unsere Männer selbst gebastelt“, lacht Pauline. „Die Kunden finden das super.“
Ebenso wie die Weine. Sie sind sortentypisch, gelegentlich halbtrocken ausgebaut und weisen einen moderaten Alkoholgehalt auf. „Wir wollen lieber etwas leichtere Weine mit Trinkspaß machen, das liegt ja auch im Trend“, meint Anna dazu.
Auch ihr erster eigener Wein war leicht. Am Weinberg mit dem Alten Fränkischen Satz wurden 2018 die ersten Reben geerntet und der Ertrag von 50 Litern in kleinen Glasballons ausgebaut. „Er wurde unter Freunden aufgeteilt, die mit uns 2016 den Weinberg neu angepflanzt hatten“, blickt Pauline zurück und isst ein Stückchen Käsekuchen in ihrem Lieblingslokal „Leni‘s Café und Weinstube“ in der Sommerhauser Maingasse.
Der modern-gemütlich eingerichtete Treffpunkt wartet mit selbst gebackenen Kuchen, Zimtschnecken, warmen Kleinigkeiten und regionalen Weinen auf. Ist es geschlossen, geht man ins „Caféhaus Schatztruhe“ in der Hauptstraße. Dieses Café mit einer ansprechenden Einrichtung im heimeligen Oma-Stil und ebenfalls leckeren Kuchen befindet sich in einem denkmalgeschützten, zweigeschossigen Gebäude mit Schopfwalmdach, Fachwerkobergeschoss und einem Anbau mit Satteldach aus dem 18. Jahrhundert. Einige Meter weiter lockt nicht nur in den Sommermonaten das Eiscafé „Eisgold“ mit selbst gemachten Eis- und Sorbet-Spezialitäten.
Gelebte Nachhaltigkeit
Danach wird es Zeit für einen Abstecher in die Weinberge der Schwestern. Die derzeit 3,5 Hektar befinden sich in den sonnenverwöhnten Sommerhäuser Lagen Ölspiel, Steinbach und Reifenstein, zumeist Hanglagen mit einer bis zu 40-prozentigen Steigung.
„Wir haben hier typische alte, wiederentdeckte und neue fränkische Sorten“, erläutert Pauline. Darunter auch den ersten kleinen eigenen Weinberg mit dem Alten Fränkischen Satz, eine Anlage aus sechzehn uralten weißen und roten regionalen Sorten, die als Cuvée unter dem Namen JOHANN verkauft werden.
„Wir haben hier typische alte, wiederentdeckte und neue fränkische Sorten“
Außerdem finden sich zwei unterschiedliche Silvaner, Bacchus, Müller-Thurgau, Scheurebe, Sauvignon Blanc, Muskateller, Traminer, Spätburgunder, Rotling und Rosé im Sortiment; demnächst kommt auch ein Weißer Burgunder hinzu. Im Winter ergänzen die sogenannten Glühschoppen in Rot und Weiß das Angebot und heizen gut ein.
Doch zurück zu den Weinbergen. Begrünt ist jede zweite Rebzeile der Schwestern mit blühenden Pflanzen und Kräutern. „Das schafft nicht nur einen geschützten Lebensraum für Insekten und Kleintiere, sondern fördert auch die Bodenqualität unserer Muschelkalkhänge und verhindert eine mögliche Bodenerosion etwa durch Starkregen“, erzählt Pauline, die während ihrer Ausbildung zur Winzerin unter anderem in dem nachhaltig zertifizierten österreichischen Weingut Eitzinger im Kamptal arbeitete.
Photovoltaik und PIWIs
Anna sammelte Erfahrung beim biodynamischen Weingut Bernhard Ott im Gebiet Wagram. „Der biologische Gedanke ist ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeitsweise“, meint Pauline. So wird etwa der Trester gelagert und im Frühjahr als Düngung in den Weinlagen ausgebracht.
Die Edelstahltanks im ehemaligen Gebäude der örtlichen Volksbank Raiffeisenbank, das die Schwestern 2021 gekauft, renoviert und im September 2023 als Sitz des Weinguts eröffnet haben, werden mit Wasser gekühlt, das aufgefangen und wieder verwendet wird. Installiert ist bereits eine Wärmepumpe, demnächst kommt Photovoltaik hinzu.
Das nächste Weinprojekt der Schwestern? Im benachbarten Winterhausen, wo es tatsächlich etwas kühler ist, werden 2024 rund 0,5 Hektar Weinflächen gepachtet und mit sogenannten PIWIs bepflanzt. Dabei handelt es sich um Weintrauben, die eine besondere Widerstandsfähigkeit gegenüber Pilzkrankheiten aufweisen. Bei diesen pilzwiderstandsfähigen Sorten kann man bis zu 80 Prozent der Pflanzenschutzmittel einsparen.
Unterwegs genießen
Auch eine weitere Idee von Pauline und Anna während des Lockdowns erwies sich als Glücksgriff: das „Steinmanns Töchter Winzer-Picknick“. Es beinhaltet üblicherweise eine Flasche Wein, eine kleine Flasche Secco, eine Flasche Wasser sowie Obst aus den familieneigenen Gärten, Wurst, Käse und Brot, alles aus der Region.
Auch selbst gemachte Aufstriche sowie vegetarische oder vegane Alternativen werden angeboten. Mit dem fertig gepackten Rucksack können es sich Besucher auf einer Wanderung in den Weinbergen gemütlich machen, durch den Ort mit seiner mittelalterlichen Stadtmauer spazieren oder eine Radtour am Main entlang unternehmen.
Nach dem Lockdown wurden Gäste in der Heckenwirtschaft bewirtet. Das kam so gut an, dass die Schwestern im Sommer 2024 eine kleine Gaststätte im Weingut eröffnen möchten.
„Klein“ bedeutet in diesem Fall eine Bewirtung von 20 Gästen im Innenraum und bis zu 50 Besucher auf der Terrasse. „Wir bieten dann eine kleine Standardkarte an, zwei bis drei wechselnde warme, saisonale und regionale Gerichte sowie selbst gebackene Kuchen“, kündigt Pauline an.
Sommerhausen-Sightseeing
Ein Besuch im Torturmtheater im Torbogen des Würzburger Tors in Sommerhausen lohne sich, erfahren wir. Es gilt als das kleinste Theater Deutschlands. Ab 1975 wurde es dank Ur- und Erstaufführungen von Schauspieler, Regisseur und Maler Veit Relin und aufgrund eines niveauvollen, außergewöhnlichen Spielplans überregional bekannt.
Heute leitet Veit Relins Witwe Angelika das Theater, in dem man auf seidenen Kissen auf den wenigen Stuhlreihen direkt über der Straße im Turm sitzt. Auf dem Spielplan steht Heiteres, oft skurril und schwarzhumorig, aber auch Ernstes. In jedem Fall, so verspricht Angelika Relin, erwartet die Besucher ein anspruchsvolles, lebendiges Theater.
Das Theater Sommerhaus in der Kirchgasse wartet dank eines Fördervereins seit rund 20 Jahren mit einem vollen Programm und abwechslungsreichen Stücken auf. Dabei spielen Pauline und Anna ausnahmsweise keine Rolle!
Genießer-Tipps von Anna und Pauline
Die zwei „Töchter“ verbringen ihre rare Freizeit mit ihrem Dackel oder bei der Hobby-Damenfußballmannschaft. Oder sie essen fränkische Bratwürste, bevorzugt mit Kartoffelbrei, zum Beispiel im Hotel-Restaurant „Zum Goldenen Ochsen“ in der Hauptstraße.
Das Haus wurde im 16. Jahrhundert gebaut und bereits 1704 als Gasthof unter heutigem Namen in der Ortschronik erwähnt. Zu den damaligen Übernachtungsgästen zählten Herzöge und Fürsten. Das hat sich geändert, ebenso die Karte. Mittlerweile ist das Restaurant mit vorwiegend regionalen Speisen mit dem Ehrenschild „Hier wird fränkisch gekocht“ und der „Bayrischen Küche“ ausgezeichnet.
Im Sommer trifft man sich in der Bar „Die 19“, direkt vor dem dazugehörigen Hotel „Sonnenhöfle“ an der Hauptstraße, zu Wein, Cocktails und Tapas. Ein Teil des Hotels wurde vor über 450 Jahren erbaut und steht unter Denkmalschutz.
Die Vinothek „Der Keller 1565“ im historischen Gewölbekeller des Hotels bietet Wein, Sekt, Spirituosen, Weingelees, Honig und Senf, alles von regionalen Erzeugern. Ein weiterer Tipp ist das nahe gelegene „Restaurant Philipp“. Das kleine Gourmet-Restaurant trägt seit etwa 20 Jahren ein Michelin-Stern für saisonale Gerichte, die vom französischen Kochstil inspiriert sind.
Zum Schluss noch ein paar Veranstaltungstipps von Steinmanns Töchtern: Im Mai, Juni und August gibt es sehr gut besuchte Weinfeste, im September ist Töpfermarkt und am ersten Oktober-Wochenende findet die Sommerhauser Kirchweih mit Tanz und Umzügen statt.
Wer mit dem Wohnmobil anreist, kann eine weitere Idee von Steinmanns Töchtern nutzen: Ein paar Minuten vom Main-Ufer und der Ortsmitte entfernt bieten sie ganzjährig zwanzig schöne Stellplätze an mit allem, was man braucht.