Claudia vor ihrem Ladencafe Carakess in Regensburg
Kleine Perlen, große Kunst

Handgestrickte Perlbeutel sind ein fast vergessenes Trachten-Accessoire. Claudia Flügel-Eber hat die historische Kunst wieder zum Leben erweckt, auch in Form stylischer Handytaschen

Perlbeutel-Strickerin Claudia Flügel-Eber

Bayerns Antikmärkte sind Fundgruben für Dekoratives und Kurioses, Handgemachtes und Wertvolles. Manchmal geben sie sogar einem Berufsleben eine neue Wendung: „Vor rund zehn Jahren entdeckte ich auf einem Flohmarkt ein Fragment von einem historischen Perlbeutel“, erzählt Claudia Flügel-Eber.

Die Neugierde der jungen Oberpfälzerin aus Schwetzendorf bei Regensburg war geweckt: „Der Verkäufer meinte, dass das mit Garn verstrickte Perlen seien. Ich dachte erst, er nimmt mich auf den Arm. Ich habe doch schon als Kind mit Glasperlen gebastelt. Damals habe ich mein Taschengeld oft in Perlen investiert – sie fühlen sich schön an und werden warm in der Hand.“

Claudia haucht dem  vergessenen Handwerk neues Leben ein

Neues Leben für altes Handwerk

Die gelernte Hotelfachfrau begann tiefer zu recherchieren: „Es gab fast nichts Deutschsprachiges zu diesem Handwerk. Im Endeffekt habe ich mir das Perlbeutelstricken selbst beigebracht“, sagt sie. Heute ist sie die wohl letzte Perlbeutelstrickerin Bayerns. Oder sollte man lieber sagen „die erste“? Schließlich hat sie dem fast vergessenen Handwerk wieder Leben eingehaucht.

Mitte des 19. Jahrhunderts fertigten in Schwäbisch Gmünd viele Frauen und Kinder Perlbeutel in Heimarbeit und verkauften sie an Händler. Doch dann verdrängte der Perl-Webstuhl den handgestrickten Beutel nach und nach vom Markt, erklärt Claudia den Besuchern ihres Geschäfts gegenüber dem römischen Kulturdenkmal Porta Praetoria in Regensburg.

Stricknadeln aus Elfenbein

Der gemütliche Laden mit kleinem Café und Antikshop heißt Carakess. „Das ist ein Fantasiename“, sagt Claudia. „Ich sage immer ‚cara‘ wie die Liebe und ‚kess‘ wie ein bisschen vorlaut. Das beschreibt auch mich ganz gut.“ Besucher können der Künstlerin nicht nur beim Perlenstricken über die Schulter sehen, sondern auch einen Workshop besuchen.

Im angeschlossenen Museum stellt Claudia Exponate aus, die sie in den vergangenen zehn Jahren gesammelt hat: gewebte, gestrickte, gehäkelte und tamburierte Perlbeutel, Stricknadeln aus Elfenbein und Accessoires mit Perlen. Eigentlich müsste sie die Kostbarkeiten geschützt und dunkel lagern. „Aber ich freue mich lieber jeden Tag an dem Anblick und deswegen hängen die Perlbeutel hübsch zusammen an der Wand.“

Meditation für Ungeduldige

Doch auch die neuen Perlbeutel sind wertvolle Unikate, erklärt Claudia: „An einem kleinen Perlbeutel stricke ich ungefähr 70 Stunden, an einem normal großen 140. Im Durchschnitt sind in einem Beutel 30.000 Perlen verstrickt. Und pro Jahr schaffe ich es, drei Beutel zu stricken.“ Für ihre Kunden klingt das nach mühsamer Geduldsarbeit, doch das sieht Claudia anders: „Eigentlich bin ich ein wahnsinnig ungeduldiger Mensch.“

Sie betrachtet die Handarbeit lieber als eine Art Meditation: „Beim Perlbeutelstricken bin ich gezwungen, mich hinzusetzen und bei der Sache zu bleiben. Die Hände sind in Bewegung und ich kann meine Gedanken sortieren“, sagt sie. „Und wenn ich nach 140 Stunden Arbeit ein Gesamtkunstwerk aus vielen kleinen Perlen in der Hand halte, macht mich das glücklich.“

Claudia bei der Perlenstickerei

Rosen auf dem Handytascherl

Der Ablauf einer Produktion verläuft immer nach dem gleichen Muster: „Ich brauche eine Vorlage oder eine Idee. Dann bestimme ich die Größe und suche die passenden Perlen aus. Die Farben überlege ich mir vorher. Anschließend fädle ich die Perlen nach Mustervorlage auf einen Faden auf und stricke dann ab.“ Später füttert sie das Innere des Beutels mit Leder oder Baumwollstoff.

Oft fertigt sie Perlbeutel auf Kundenwunsch an, angefangen bei traditionellen Motiven aus dem 19. Jahrhundert bis hin zu modernen, zum Beispiel für ein Handytascherl. „Es gibt ganz viele Blumenmotive, meine Kunden lieben vor allem Rosen und Vergissmeinnicht“, sagt die Strickerin. Dazu kommen Jugendstil-Muster, Hunde, Schwäne und Schmetterlinge oder romantische Szenen.

Vorlagen aus der Natur

Die Ideen gehen Claudia nicht aus. Sie lässt sich zum Beispiel von historischen Perlbeuteln und Postkarten inspirieren oder sogar von Pullovermustern. „Die Natur ist ein wichtiger Farbenfundus für mich“, sagt sie. „Wenn man genau hinschaut, wie viele Farben zum Beispiel ein Stiefmütterchen hat. Da gibt es viel zu entdecken und zu verarbeiten.“ Mittlerweile besitzt sie über 300 originale Mustervorlagen.

Durch Mundpropaganda und Medienberichte ist Claudia inzwischen so bekannt, dass sie hin und wieder Perlbeutel zugeschickt bekommt: „Ich sage immer: Bitte nicht wegschmeißen, auch wenn sie kaputt sind. Dann kann ich noch die Glasperlen verwenden, denn ich brauche Nachschub für Reparaturen.“ Doch Claudias wichtigste Quelle bleiben die Flohmärkte – schließlich fand sie dort ihre Berufung!

Mehr zu Claudias Arbeit, dem "Carakess" und den Onlineshop unter carakess.de

Wer eine Verschnaufpause vom Shopping braucht, genießt selbstgebackene Törtchen und Cappucino im Carakess
Perlenstickerin Claudia zeigt ihr Regensburg

Ausflugstipps von Claudia

Antikmärkte
Flohmärkte mag ich total gern. Besonders liebe ich den Regensburger Antikmarkt, auf dem man sehr alte und kuriose Sachen entdeckt. Und natürlich den Dreitages-Flohmarkt am Dultplatz, der ist auch super!
tourismus.regensburg.de

Shopping in Regensburg
Die Regensburger Altstadt mit ihren Gassen ist auf jeden Fall ein Highlight! Es gibt zum Glück noch ganz viele inhabergeführte Geschäfte und liebevoll eingerichtete Läden von Kunsthandwerkern. Sie sollten unbedingt erhalten bleiben. Deswegen empfehle ich, regional einzukaufen und so unsere kleinen Geschäfte zu unterstützen! Außerdem empfehle ich einen Cappuccino im Bistro „Orphee“ zu trinken, das wunderschön im Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts eingerichtet ist.
faszination-altstadt.de

Schwetzendorf & beyond
Vor meiner Haustür gehört der Schwetzendorfer Weiher zu meinen Lieblingsplätzen, außerdem Riedenburg oder Berching mit seiner wunderschönen Stadtmauer. Kallmünz ist auch sehr pittoresk. Nicht zu vergessen das Waldnaabtal – aus dieser Gegend komme ich ursprünglich.
riedenburg.de, berching.de, oberpfaelzerwald.de

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