Unser Tipp zur Adventszeit in Franken? Auf nach Treuchtlingen. Auf der dortigen Schlossweihnacht gibt‘s neben Met und Hollertrunk tolle Geschenkideen mit regionalem Charme
Weihnachtsmarkt Treuchtlingen
Ob General Gottfried zu Pappenheim vor 500 Jahren wintertags wohl auch öfter mal abends gemütlich in seinem Schlosshof hockte und, so wie wir, Stockbrot überm Feuer brutzelte? Hat ihn dabei vielleicht auch eine Mittelalter-Gruppe mit Schalmeien und Drehleiher unterhalten, so wie die, die gerade Gute-alte Zeiten-Vibes verbreitet?
Ganz sicher gab es damals keine umlaufenden Lichterketten am Wasserschloss. Die verleihen dem Prachtbau im Renaissance-Stil etwas Märchenhaftes. Dazu passt das Teenager-Christkind mit blonden langen Haaren, das an den beiden Wochenenden der Schlossweihnacht im Dauereinsatz ist und im Hüttendorf mit seinen 60 Ausstellern nach dem Rechten sieht. Begleitet wird es dabei von zwei Engeln im Grundschulalter. Das himmlische Ensemble ist nett und steht gern für Fotos bereit.
Klein, ruhig, entspannt
Im Vergleich zum Christkindlesmarkt im nahen Nürnberg ist die Schlossweihnacht Treuchtlingen winzig und, abgesehen von einzelnen Dudelsack- und Trommeleinlagen im Schlosshof, eine ziemlich ruhige und entspannte Angelegenheit. Das passt zur Gegend.
Das Städtchen Treuchtlingen liegt im Altmühltal. Den meisten ist der Ort vermutlich als Haltestelle bekannt. Dabei ist zum nur Durchfahren viel zu schade. Auf den Bahnknotenpunkt ist man hier stolz, Lokalpatrioten sprechen gar von der Eisenbahnerstadt. Hinterm Schloss verbringt eine riesige Dampflok ihre Rente.
Hoch zur Wacholder-Heide
Eine lohnende Idee ist, vor dem Met oder Glühwein am Abend tagsüber die Gegend zu erkunden. Es muss ja nicht der gesamte, 200 Kilometer lange Altmühltal-Panoramawanderweg sein, der auch an Treuchtlingen entlangführt. Der bringt es, bergauf, bergab auf 8.000 Höhenmeter.
Auf den Hängen stehen Burgen in beträchtlicher Anzahl. Im Sommer mümmeln Schafe auf den Wacholderheiden. Vor 2.000 Jahren verlief hier der Limes, 150 Millionen Jahre zuvor startete der Archaeopteryx seine ersten Flugversuche. Der Urvogel ist das bekannteste Fossil, das bislang aus den Plattenkalken vom Altmühltal geklopft wurde.
Frau Glas macht in Stein
Weniger berühmte, doch gleichsam hübsche Saurier-Zeitgenossen, gibt's am Stand von Ursula Glas zu kaufen.
Mit ihrem Partner Gille reist die Sozialpädagogin regelmäßig durch die Welt und tingelt dabei weit zurück in die Erdgeschichte. Aus Malta und Madagaskar, Irland, Frankreich und auch dem Altmühltal stammen die Mineralien und versteinerten Pflanzen und Tiere, aus denen daheim ganz besondere Schmuckstücke werden.
„Die versteinerten Haizähne sind als Anhänger bei Männern der Renner“
Die Belemiten etwa – Kopffüßler, die in der Kreidezeit von riesigen Wassersauriern in großer Zahl verschlungen wurden – sehen aus wie lange Zähne und machen sich gut als Ohrschmuck. Es gibt auch echtes prähistorisches Kauwerkzeug: „Die versteinerten Haizähne sind als Anhänger bei Männern der Renner“, weiß Frau Glas.
Geläufiger sind dagegen die geschneckten Ammoniten, auch die sind natürlich im Angebot. Im Solnhofener Plattenkalk kommen die schönen Biester in großer Zahl vor, in Größen von einem Zentimeter bis einem Meter Durchmesser. Zehntausende Arten soll es von Ihnen mal gegeben haben!
Was wirkt wie versteinerte, filigrane Algen auf braunem Stein, sind allerdings gar keine Pflanzen, klärt die Hobbypaläontologin auf. „Das sind Dendriten, Skeletkristalle, die im Kalk wachsen.“ In Silber gefasst, sind die uralten Zeitzeugen am Stand allesamt Unikate.
Im Naturpark Altmühltal finden sich gleich mehrere Steinbrüche für Hobbysucher. Hammer und Meißel gibt's vor Ort zum Ausleihen. Ursula Glas empfiehlt unbedingt, auch mal selbst zu klopfen, denn: „Fischchen und Ammoniten findet man fast immer.“
Für Krokodile und Urschildkröten, die in der Gegend schon entdeckt wurden, braucht es mehr Glück. Aber wer weiß, die nächste archäologische Sensation ist vielleicht nur ein paar Klopfer entfernt!
Herr Halbritter macht Druck
Es war einmal ein Grafiker, der saß Tag ein, Tag aus vor dem Bildschirm. Der Beruf machte ihm dennoch große Freude und wahrscheinlich wäre er nie auf die Idee gekommen, dass das Spielen mit Schrift und Formen noch viel, viel spannender geht, hätte er auf dem Trödelmarkt nicht eines Tages Buchstaben in den Händen gehalten. Aus Holz! Typo zum Fühlen!
Die Faszination ließ Willi Halbritter nicht mehr los. Aus ganz Europa, auch von Reisen in Indien und Südamerika, trug er fortan alte Schriftsätze zusammen. Der Rest ist äußerst lebendige Geschichte, zu besichtigen und zu erleben im „Blauen Haus“ direkt am Schloss.
Aus dem Büro ist längst eine – nicht nur zur Schlossweihnacht – offene Druckerwerkstatt geworden, in der es nach Farbe, alten Maschinen und Museum riecht. Hier kann man Halbritter bei der Arbeit zuschauen und auch selbst die Walzen wälzen und die Sätze setzen. Regelmäßig sind Schulklassen bei ihm zu Gast. Die Kreationen landen auf Postkarten, T-Shirts und vor allem Plakaten.
„Im Prinzip habe ich noch mal einen zusätzlichen Beruf gelernt. Es ist faszinierend, sich in so ein altes Kunsthandwerk einzuarbeiten“, freut sich der Designer, der auch bei den gedruckten Messages äußerst kreativ ist. „Träume sind das Papier, auf dem die Seele schreibt“, steht etwa auf einem Plakat.
Außer mit Holzbuchstaben und Bleisätzen, arbeitet er mit Linol- und Holzschnitten, Blaudruckstempeln und nach wie vor vielen digitalen Entwürfen. Passend zum analogen Arbeiten mit traditionellem Handwerk holt er sich die Inspiration aus alten Fachzeitschriften.
3.000 Hefte sind es mittlerweile, die das grafische und das Schriftschaffen in Europa und der Welt der letzten 100 Jahre widerspiegeln. Vom Fachblatt „Gebrauchsgrafik“ hat er sogar alle Ausgaben, von der ersten aus dem Jahr 1924 bis heute!
Herr Gutman bastelt Pflanzen
Ums Schloss herum reihen sich die Stände, der Markt geht drinnen weiter. Ganz am Ende in der ersten Etage sitzt Jens Gutman zwischen alten Ritterrüstungen. Sein Stand wirkt wie ein kleiner botanischer Garten. Mit Kokedamas-Orchideen und andere Pflanzen, die in Moosballen stecken, etwa. Tillandsien wiederum sind grasige Wesen und Überlebenskünstler, die auf Ästen hocken und sich ihre Nährstoffe und das Wasser aus der Luft holen.
Den grünen Daumen hat Gutmann bei seinen weltweiten Einsätzen als Logistiker für Ärzte ohne Grenzen für sich entdeckt. Einen Großteil des Jahres ist er unterwegs, baut Schulen oder Hochwasserschutz. Auch in Syrien und im tiefsten Afrika war er schon. „Daheim ist das Basteln ein schöner Ausgleich.“
Die Kunst der Kokedamas „der Bonsai des kleinen Mannes“, wie er sagt, hat er sich in Japan abgeschaut. Von den Tillandsien war er in Zentralamerika fasziniert. Ein weiteres Hobby ist Treibholzkunst. Die Zutaten, sonnengebleichte Stämme und Äste, bringt ihm regelmäßig ein Freund aus Korsika mit. Mit LEDs, die mittels Epoxidharz darin verstaut werden, bringt er die Strandfindlinge zum Leuchten. Ein Teil der Erlöse vom Verkauf fließt übrigens an seinen Arbeitgeber.
Meine Pappenheimer
Das Schloss ist heute Museum, beherbergt die Touristinfo und ein Infozentrum des Naturparks Altmühltal. Noch mehr Zeitreisen gibt’s gegenüber im „Museum Treuchtlingen“. Die große Ausstellung mit 25.000 Exponaten reicht von der Frühgeschichte, über die Römerzeit bis zur Möbelausstellung, die vom 16. bis ins 20. Jahrhundert führt. Anfassen und sich mal in Omas Bett zu kuscheln, ist hier ausdrücklich erlaubt.
Zu den bekanntesten Exponaten im Museum gehört ein Topfhelm aus dem 14. Jahrhundert, der bei Ausgrabungen in Ruine der oberen Burg von Treuchtlingen gefunden wurde. Der Besitzer hatte anscheinend etwas Pech, im Helm zu sehen ist ein Loch, das von einem Morgenstern zugefügt wurde.
Ein wahrhaft köstliches Highlight sind dagegen die vielen hausgemachten Kuchen im gemütlichen Museumscafé. In der Adventszeit gibt`s hier außerdem eine Märchenausstellung und ein spannendes Kinderprogramm.
Der Reitergeneral Gottfried Heinrich zu Pappenheim, berühmtester Besitzer vom Schloss, ist auch am Start. Die Treuchtlinger haben ihm im Schlossgraben mit einer Statue ein Denkmal gesetzt, Friedrich Schiller im Drama „Wallenstein“, das im Dreißigjährigen Krieg spielt. Darin drückt der Feldherr Wallenstein mit den Worten „daran erkenn ich meine Pappenheimer“ seine Anerkennung für den Mut und den Kampfgeist der berüchtigten Truppe Pappenheims aus.
Einen Ort Pappenheim gibt es auch. Nur ein paar Altmühlschleifen weit von Treuchtlingen entfernt liegt das Städtchen, das zu den schönsten der Gegend zählt. Und sich auf witziges Merchandise versteht. Ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Pappenheimer“ ist ein hier unbedingtes Must-have. Gleich ein Grund mehr für einen Besuch im Naturpark Altmühltal!
Termine:
Die Schlossweihnacht Treuchtlingen findet am zweiten und dritten Adventswochenende statt.