Reporter Florian Kinast und Fotograf Thomas Linkel trafen den mit elf Medaillen gekrönten Skilangläufer in und neben der Loipe auf der Winklmoos-Alm
Die Langlauf-Legende
Manchmal zieht Tobias Angerer am Hochberg seine Runden. Auf seiner Hausstrecke in Traunstein, einer 12,5-Kilometer-Schleife, die sie auch nach ihm benannt haben, der Tobias-Angerer-Loipe. Immer wieder ist er auf den vielen Langlaufstrecke unten in Reit im Winkl unterwegs.
Besonders häufig aber zieht es ihn an freien Tagen nach oben, auf das sonnige Hochplateau der Winklmoos-Alm. „Mein absoluter Lieblingsort“, sagt der frühere Weltklasse-Langläufer bei einer mittaglichen Radler-Halben vor der Terrasse der „Traunsteiner Hütte“. Die Winklmoos-Alm sei „der Ort, wo ich mich daheim fühle, im Einklang mit mir und mit der Natur.“
Winklmoos-Alm: Sonnenterrasse des Chiemgau
Die Sonnenterrasse des Chiemgau liegt auf knapp 1.200 Meter Höhe. Rosi Mittermaier wuchs dort auf, die Gold-Rosi, eine der erfolgreichsten deutschen Skifahrerinnen aller Zeiten. Ihn selbst habe es als Kind schon mehr das Langlaufen als das Alpinfahren gereizt, erzählt Tobias Angerer.
Schon als Vierjähriger sei er ausgebüchst und in die Acht-Kilometer-Loipe hinter dem Elternhaus in Traunstein gestochen. Wie groß die Aufregung bei den beunruhigten Eltern war, die ihn dann nach Einbruch der Dunkelheit fanden und wieder einsammelten. Bald machten sie sich keine Sorgen mehr. Bald wussten sie: Der Tobi kann das.
Tobias Angerer wurde einer der weltbesten Skilangläufer. Gewann 2006 und 2007 den Gesamt-Weltcup, holte in seiner langen Karriere zwischen 2001 und 2014 bei Olympischen Winterspielen und Weltmeisterschaften elf Medaillen, sechs Mal Silber, fünf Mal Bronze. Jahrelang reiste er für seine Wettkämpfe um die Welt, von Sapporo bis Salt Lake City.
„Es waren tolle Erfolge und großartige Erfahrungen“, sagt Tobias Angerer in der Rückschau. „Aber ein großer Moment des Glücks war für mich auch immer, wenn ich auf der Heimfahrt vom Flughafen am Bernauer Berg erstmals wieder den Chiemsee gesehen hab. Da habe ich dann gewusst und gespürt: Jetzt bist wieder daheim.“
"Und es war ganz klar, dass wir unseren Müll wieder mitnehmen.“
Respektvoller Umgang mit der Natur
So sehr er mit der Heimat verbunden und hier im Chiemgau verwurzelt ist, so selbstverständlich war es in seinem Elternhaus, mit dieser so wunderschönen und paradiesischen Natur respektvoll umzugehen.
„Als Bub war ich mit meinen Eltern viel in den Bergen, ob im Sommer wie im Winter“, sagt Tobias Angerer. „Und es war ganz klar, dass wir aufpassen, dass wir unseren Müll wieder mitnehmen und nix liegen lassen. Dass manche ihr Zeug nach einer Brotzeit am Wegrand einfach liegen und stehen lassen, das ist mir unbegreiflich. Da greifst dir manchmal echt ans Hirn.“ Weil es nicht nur die Umwelt verschandelt, sondern „weil Alu und Getränkedosen, Papier und Plastik ja auch eine echte Gefahr für die heimische Tier- und Pflanzenwelt bedeuten“.
Gerade auf der Winklmoos-Alm war die Natur für Tobias Angerer auch immer ein großer Abenteuerspielplatz, an dem es viel zu erforschen und entdecken gab. Oft waren sie dort, weil der Onkel damals als Zimmerer die „Traunsteiner Hütte“ umbaute und renovierte. Manchmal schickten sie ihn auf Pilzsuche, Tobias Angerer lernte so früh, welche Schwammerl wie heißen, und unter welchem Baum die stattlichsten Steinpilze wuchsen.
Kindern Naturbewusstsein vermitteln
Mit seiner Frau Romy, den Töchtern Karlotta und Ioanna sowie Sohn Jonathan nutzt Tobias Angerer auch im Winter jede Gelegenheit für einen Abstecher in die Natur. Um zu vermitteln, wie einzigartig und wie wertvoll sie ist.
„Wir haben unsere Welt ja nur einmal“, sagt Angerer, „da müssen wir alle unseren Beitrag leisten, damit wir sie auch den nächsten Generationen so gesund und intakt wie möglich hinterlassen.“ Kaum eine Sportart passe zu diesen Werten so gut wie Langlaufen, sagt Tobias Angerer, wo die ausgewiesenen Strecken sanft, ohne Störung und auch ohne irgendwelche notwendigen Baumaßnahmen unaufgeregt durch die Landschaft führen.
Langlauf: Nachhaltiger Wintersport
„Eine äußerst naturschonende Sportart, die nur auf den gespurten und ausgewiesenen Loipen Spaß macht“, sagt Angerer. „Wer mag schon mit dünnen Langlaufskiern querfeldein und abseits der Piste durch den Wald laufen. Das bereitet weder dem Langläufer noch der Natur Freude.“
Natürlich gehen die Angerers immer wieder in die Loipe, um sich zu bewegen, um Körper und Geist wach zu halten und aktiv das Immunsystem zu stärken. Langlaufen sei dafür der ideale Sport, sagt Angerer. „Egal ob im klassischen Stil oder im Skating, ein optimales Training für die Grundlagenausdauer. Für das Herz-Kreislauf-System genauso wie für die Muskulatur in Armen, Beinen und Oberkörper, für Koordination und Motorik.“
Faszination der Berge
Wirklich woanders leben, das konnte sich Tobias Angerer nie vorstellen. „Ich brauch die Berge“, sagt er nach einem letzten Schluck Radler, „auch wenn ich nie der große Kletterer und Gipfelstürmer war, der immer hinauf hat müssen. Auch Skitouren haben mich nie gereizt. Mir hat’s schon immer gereicht, einfach die Berge anzuschauen, die seit Urzeiten so dastehen und doch je nach Licht und Wind und Wetter doch jeden Tag anders aussehen. Dieser Faszination werde ich mich nie entziehen können.“
Tobias' vier Langlauf-Regeln
- Anfänger sollten immer mit dem klassischen Parallel-Stil anfangen, am besten in einem Kurs bei einem Skilehrer. „So lernen sie die richtigen Techniken, mit denen man mit möglichst wenig Kraftaufwand möglichst weit kommt. Erst wenn man sich dort sicher und stabil fühlt und das richtige Gefühl für den Ski und die Stabilität gefunden, empfehle ich den Einstieg in die Skating-Technik.
- Wichtig ist die richtige Kleidung. Am besten atmungsaktive Langlaufkleidung, die man bei jedem Wetter einsetzen kann. Sie muss gut sitzen, sollte nicht zu eng anliegen, aber auch nicht zu weit und schlabbrig sein. Zu warm sollte man sich nicht einpacken, man kommt doch schnell ins Schwitzen.
- Damit es Spaß macht, muss jeder für sich selbst einschätzen, welche Distanz er sich zutraut. Gerade bei langen Strecken oder großen Rundschleifen lieber rechtzeitig pausieren und umkehren, bevor die Kräfte schwinden und der Rückweg zu mühsam und beschwerlich wird.
- Die meisten Loipen werden spätnachmittags oder abends gespurt, damit sie über Nacht schön festfrieren. Daher bitte nicht am Abend nach dem Spuren noch auf die Langlauf-Ski, damit hinterlässt man den Langläufern am nächsten Morgen nur eine Loipe in schlechtem Zustand.