Oberbayerns Seen sind zauberhaft und liefern frischen Zander, Renke oder Saibling für kreative Spitzenküche. Da trifft es sich gut, dass einige der besten Restaurants nah am Wasser gebaut sind. Unterwegs zu Kostproben am Starnberger See, Ammersee und Tegernsee. Text und Fotos: Dietmar Denger
Gourmetreise an Bayerns Seen
Da kann sie noch so unschuldig schauen, die Sisi in den Filmen. Aber im Königreich Bayern hatten ihre Nachbarn am Starnberger See nicht immer was zu lachen. So mussten die Fischer etwa fast die ganze Beute für die herzogliche Tafel abdrücken. Bis ins 19. Jahrhundert war der größte Teil der Fische aus den oberbayerischen Seen dem Königlich Bayerischen Hofküchenamt vorbehalten.
Auch im possierlichen Possenhofen, wo Elisabeth Amalie Eugenie von Wittelsbach, Prinzessin in Bayern, die längst nicht so süß war wie die junge Romy Schneider, im Schloss aufwuchs.
Vor allem wenn die schräge Verwandtschaft zu Besuch kam, mampfte man bei Banketten ohne Ende. Mit Ludwig II. traf man sich zum Picknick draußen auf der Roseninsel und sicher wurde dabei auch die eine oder andere Renke oder ein Saibling als edles Fingerfood verschlungen.
„Fischer Sepp“: Traumjob beim Sisi-Schloss
Zu Sisis Zeiten hätte sich Ludwig Erhards Traum vom Fischerleben bestimmt nicht erfüllt. Die Hofstelle „Zum Fischer Sepp“ hatte der ehemalige Schreiner vor Jahren vom Onkel Josef übernommen und machte gleich den Fischerei-Meister dazu. Und weil das Fischen Sohn Felix so gut gefiel, trat der gleich mit in den Familienbetrieb ein.
Neben einem ehemaligen Wachturm, der den Standort der einstigen Ringmauer ums Schloss markiert, führt ein Holzsteg vom 200 Jahre alten Wohnhaus direkt zum Arbeitsplatz. An diesem kalten Morgen kann man die Begeisterung der beiden für die Fischerei gut verstehen. Wie ein Scherenschnitt taucht die kleine Roseninsel aus dem Winternebel auf. Vater und Sohn Erhard in ihrem bunten Ölzeug draußen auf ihrem kleinen Boot sind die einzigen Farbtupfer und die einzigen Menschen weit und breit.
„Schöne Stimmung heute“, schwärmt Ludwig nach der Rückkehr, während Felix sich hinten im Boot die Hände warm reibt, „auch wenn der Fang heute mäßig war.“ Zwei Dutzend Renken tummeln sich in der Kiste, die er aus dem Boot heraus auf den Steg hievt.
120 Familien leben an den oberbayerischen Seen noch vom Fischfang – und werden vom Adel mittlerweile in Ruhe gelassen. Familie Erhard verkauft ihren Fisch ab Hof und auf dem Wochenmarkt. Die eine oder andere Renke landet auch in der eigenen Pfanne.
Ludwigs Erhard Lieblingsgericht? Renke, mit Zwiebeln und Speck gefüllt und in der Pfanne gebraten und gewürzt mit Salz und Pfeffer, „aber nur ein bisschen, damit ja der feine Fischgeschmack nicht verloren geht.“ Für Fischfans bieten die Erhards übrigens auch Räucherseminare an und Ferienwohnungen in perfekter Seelage.
Restaurant „Aubergine“: Frühlingshelden auf dem Teller
Ein paar Kilometer entfernt geht es in der Küche von Maximilian Moser etwas wuseliger zu als bei den Erhards, doch ebenso ruhig. Sterneküche braucht keine Hektik. Inmitten seines Teams aus dreizehn Köchen und Auszubildenden fügt der Chef im Starnberger Restaurant „Aubergine“ gerade konzentriert auf den Tellern frische Farben und Formen zu kleinen Kunstwerken zusammen, die Lust machen auf den nahen Frühling.
Da wäre die eingelegte Starnberger Renke mit Granny Smith, Holunder und Röstzwiebeln. „Ein sehr schönes Frühlingsgericht, das perfekt in unsere Region passt“, so Moser. „Nahezu alle Zutaten können regional bezogen werden.“ Die Renke wird über Nacht eingelegt in eine Art Beize. „Der Holundersud wurde auf Basis eines Tomaten-Kartoffel-Fonds hergestellt und gibt dem Gericht eine sehr frische Note.“
Etwas klassischer zu geht es bei der gebratenen Renke in Nussbutter mit Tomatenmarmelade und Blattspinat. „Die Renken-Filets werden zunächst in geklärter Butter angebraten. Die Soße ist eine Weißweinsauce, die mit Nussbutter geschäumt wird. Der Blattspinat wird klassisch zubereitet. Aus Tomaten wird eine Tomatenmarmelade gekocht, die sauer abgeschmeckt ist und dem Gericht eine frische Note gibt.
„Helden“ nennt Moser seine saisonalen Produkte aus der Region, die im Mittelpunkt seiner Gerichte stehen. „Und bei uns im Fünfseenland gibt es genug davon.“ Natürlich dürfen so nah am Wasser auch Renke, Saibling & Co. immer wieder Mosers kleine Helden spielen.
„Modern, weltoffen, kreativ“, so sieht Moser seine Küche
„Modern, weltoffen, kreativ“, so sieht Moser seine Küche und will sich nicht auf Stile festlegen. Dabei gehen beispielsweise Bayern und Asien kulinarisch auch mal wunderbar zusammen.
Der Erfolg gibt ihm Recht: Seit zehn Jahren schon beweist Moser, dass er das legendäre Restaurant würdig fortführt. Im Münchner „Aubergine“-Vorgänger erkochte sich 1979 Eckart Witzigmann die ersten drei Michelin-Sterne für ein deutsches Restaurant und führte gleichsam ein ganzes Land aus der Kulinarik-Tristesse!
„Chalet am Kiental“: Landgenuss am Ammersee
Gut vier Jahrzehnte später lässt sich mittlerweile auch abseits der großen Namen Hochgenuss entdecken. In Herrsching am Ammersee beispielsweise wird inmitten urgemütlichen Landhausstils der Beweis angetreten, dass es für Küche auf Sterneniveau keine Stars braucht.
Aus einem 200 Jahre alten, denkmalgeschützten Bauernhof mitten im Ort machte Jürgen Lehn mit dem „Chalet am Kiental“ ein zauberhaftes Hotel, das zugleich Galerie für zeitgenössische Malerei ist.
Die 150 Werke aus dem Lehn-eigenen Fundus drapierte der ehemalige Hoteldirektor des „Bayerischen Hofs“ in München sorgfältig inmitten des antiken Interieurs der individuell gestalteten Zimmer und Suiten.
Die kräftigen Farbakzente der Wände und Gemälde finden sich im Erdgeschoss auf den Tellerkreationen wieder, wo Küchenchef Hyusein Feradov Hyuseinov und seine Freundin Nalyan Ahmedova beweisen, dass es auch Autodidakten zu kulinarischer Meisterreife bringen können.
Den Spaß am Kochen haben die beiden daheim in Bulgarien gelernt und dann in Bayern Knödel, später Weißwurst und Haxn ganz selbstverständlich ins Repertoire ihrer internationalen Küche integriert. Und nun, so nah am See, natürlich auch Fisch.
Das Chalet-Menü sei „regional und weltoffen, ohne Verschnörkelung“, so Hyusein. An diesem Tag wirkt es dabei spannend wie die expressionistischen Gemälde auf den Zimmern. Etwa beim bayerischen Dill-Gazpacho mit Ceviche von der Ammersee-Renke. Oder beim pochierten Zander im Wirsingmantel mit Sommergemüse.
Restaurant „Dichter“: Tegernsee in Bestform
Wer beim Bummel am Tegernsee Appetit auf was Besonderes bekommt, hatte bislang schon eine gute Auswahl. Vom Bilderbuch-Bayern in der Bucht von Rottach-Egern zur aufregenden Komposition auf dem Teller sind es am Südufer nur ein paar Meter. Schließlich hat der Ort mit Christian Jürgens und Thomas Kellermann gleich zwei der besten Chefs in Deutschland zu bieten.
Ganz neu: Aus den „Dichterstub’n“ wurde der „Dichter“! Nach Besitzerwechsel und langer Umbauphase des „Parkhotels Egerner Höfe“ ist für den gebürtigen Oberbayern Kellermann ein Traum in Erfüllung gegangen. Seine neue alte Wirkstätte hat er mitgestaltet und gleichsam um seine Philosophie herum entworfen: „Reduktion auf das Wesentliche“, so beschreibt er seinen Stil.
So sieht das Restaurant „Dichter“ nun aus: Beton, Holz und viel Glas, das den Blick freigibt auf die Berge. Das erinnert an den Minimalismus eines Zengartens. Die Assoziation wird unterstützt durch die Japanischen Stechpalmen, die im harmonischen Schnitt großer Gartenbonsais in raumhohen Glaskuben dem bayerischen Himmel entgegenwachsen können.
Zudem wurde dem neuen Restaurant ein eigener Eingang spendiert, wo man beim Eintritt dem Meister und seinem kleinen Team in der halb offenen Küche fast schon über die Schulter schauen kann. Reduktion auf das Wesentliche und die besten Zutaten aus der Region stehen im Mittelpunkt.
Fischfan, so Kellermann, sei er schon immer gewesen. „Fisch spielte im elterlichen Gasthaus im oberbayerischen Weilheim, nicht weit vom Ammersee, immer eine große Rolle.“ Und auch bei seinen Stationen auf Sylt und im Oberpfälzer Restaurant „Kastell“, wo er zehn Jahre Küchenchef war und sich zwei Michelin-Sterne erkochte. Der Saibling ist sein Lieblingsfisch, „fein, kräftig, aber um einiges eleganter als Lachs. Die Renke ist dagegen nicht so mein Fall, als Tartar oder Sashimi aber super.“
Sein Credo: „Das traditionelle Lebensmittel in den Mittelpunkt stellen, modern interpretieren mit klaren Aromen und Texturen.“ Dabei helfen auch Tricks der Oma. „Bei ihr habe ich mir abgeschaut, den Kümmel zu karamellisieren, das schmeckt sensationell!“ Frischen Fisch aus dem Tegernsee mag er sehr glasig und „sehr sanft gegart, damit man die Frische auch schmeckt“. Der Saibling wird vorher leicht angebeizt mit Salz und Kräutern.
An diesem Tag auf der Karte: Tartar von der Tegernseer Renke mit Weißbiersud und Schaum, darauf eingelegte Holunderblüten. Oder Saibling vom Tegernsee, in Essigsud eingelegt und anschließend in Kräuteröl mariniert, mit eingelegten Radieschen in Reisessig, darum Brunnenkresse-Mayonnaise. Wer jetzt Lust auf mehr Kellermann bekommen hat, sollte frühzeitig reservieren!
Vom Tegernsee will der Chef nicht mehr weg. Man kann es ihm nicht verdenken, mittendrin im Bilderbuch-Bayern – und ganz nah dran an Oberbayerns feschem Fisch.