Hier eine der prächtigsten Barockkrippen Bayerns, dort die „Stille-Nacht-Kapelle“ zu Ehren des berühmtesten Weihnachtslieds der Welt: Das südostbayerische Städtchen Laufen und sein österreichisches Pendant Oberndorf sind ganz besondere Ziele für einen winterlichen Kurzurlaub
Advent in Laufen an der Salzach
Es war schon ein kleines Wunder, das Stiftsmesner Hans Surrer beim Aufräumen erlebte: Weil der Laubengang der Laufener Stiftskirche Anfang der 1980er-Jahre saniert werden musste, wollte er das Gerümpel wegschaffen, das sich in einigen Holzverschlägen angesammelt hatte. Die Buben und Madln der St.-Georgs-Pfadfinder halfen beim „Ramadama“ mit, vermutlich nicht allzu enthusiastisch bei all dem alten Zeug.
Doch plötzlich stießen sie in der ehemaligen Stiftswaschküche auf einen echten Schatz. Hölzerne Körper waren es, Arme und Beine wild durcheinander, vom Staub und Dreck der Jahrhunderte überzogen. Alte Puppen? Marionetten? Bald war klar: Es handelte sich um Reste von Krippenfiguren, die ältesten über 300 Jahre alt.
Mit wachsender Begeisterung suchten der Surrer Hans und seine Helfer auf den Dachböden und in den vielen Gerümpelecken der ältesten gotischen Hallenkirche in Bayern weiter. Und Halleluja: In irgendeinem vergessenen Eck stießen sie auf eine Truhe mit rund dreißig Köpfen. Jetzt konnte das sakrale Puzzlespiel beginnen.
Silber und Perlen für Maria
Mit der Hilfe tatkräftiger Laufener Frauen sowie dem Ehepaar Irmgard und Josef Heringer ging man daran, die bereits 1628 in Büchern erwähnte Barockkrippe zu restaurieren. Samt- und Spitzenreste und selbst ausrangierte Messgewänder verwandelten sich in prunkvolle Kleider für die 80 bis 100 Zentimeter hohen Krippenfiguren.
Marias blauer Mantel bekam eine feine Borte aus Silberfäden und Perlen, manch ein Wadlstrumpf entstand in nächtelanger Arbeit mit zahnstocherdünnen Stricknadeln, selbst an den Kopfbedeckungen werkelten die Helferinnen tagelang.
Jedes Jahr entfaltet sich das farbenprächtige Krippenbild nun aufs Neue vor dem rechten Seitenaltar der Stiftskirche. Bis Heiligabend ist die „Verkündigung Marias“ zu sehen, danach die Geburt Christi mit Hirten und Engeln. Am 6. Januar stoßen die Heiligen Drei Könige hinzu und huldigen dem wächsernen Jesuskind – es stammt aus dem Wachsatelier des Klosters Tettenweis bei Passau, denn das vermutlich hölzerne Original tauchte in keiner der vielen Kisten und Kammern wieder auf.
Bis an Mariä Lichtmess (2. Februar) alles wieder abgeräumt wird, wird die biblische Szenerie flankiert und bestaunt von schelmisch bis blasiert dreinblickenden Musikanten, Laufener Bürgersleuten im besten Festtagsgewand und natürlich einer Abordnung der Schiffer aus Oberndorf.
Salz, das Weiße Gold Laufens
Über die Jahrhunderte verband die Salzach, die die Altstadt von Laufen an drei Seiten so malerisch umschließt, die Nachbarorte mehr, als sie sie trennte. Schließlich gehörten sowohl Laufen als auch Oberndorf zum mächtigen Bistum Salzburg und lebten vom lukrativen Salzhandel – die einen besser, die anderen bescheidener.
Schon 1227 hatte der Erzbischof 27 Laufener Patriziern das Erbrecht auf den Schiffstransport gestattet. Bald schon residierten die reichen Schiffseigner in prächtigen Bürgerhäusern im Inn-Salzach-Stil. Viele sind mittlerweile schön restauriert, etwa das auffällig knallblaue, ehemalige Schiffsmeisterhaus in der Rottmayrstraße.
Auf der anderen Salzach-Seite, im Ortsteil Oberndorf, sah es damals anders aus. Dort wohnten die Arbeiter und „Schöffleut“, die Schiffsleute, die ihrer gefährlichen Arbeit auf der wilden Salzach nachgingen. Das 1278 gegründete Schifferschützen-Corps schützte sie vor Überfällen auf das „Weiße Gold“, noch heute pflegt Oberndorf die Tradition der Schiffergarde in ihren schmucken, rot-weißen Uniformen. Immer wieder zerstörten verheerende Hochwasser die einfachen Behausungen am Fluss und die Brücken.
Die Napoleonischen Kriege brachten weitere Verwüstungen über die Region. 1816 schlug der Vertrag von München das heute rund 7.000 Einwohner zählende Städtchen Laufen dem Königreich Bayern zu, Oberndorf verblieb bei Salzburg, seither ist die Salzach Grenzfluss.
Weihnachtswunder „Stille Nacht“
Ausgerechnet in diesen schwierigen Zeiten, als links und rechts der Salzach plötzlich unterschiedliches Recht galt, als Familien auseinandergerissen wurden und die Unsicherheit groß war, ereignete sich in Oberndorf eine Art Weihnachtswunder. Ein Lied schenkte Hoffnung, heilte Wunden.
Während der Christmette 1818 erklang in der Oberndorfer St.-Nikola-Kirche zum ersten Mal „Stille Nacht, heilige Nacht“, geschrieben vom Hilfspfarrer Joseph Mohr und vertont vom Organisten Franz Xaver Gruber. Es waren die armen, verzweifelten Schöffleut, die das heutzutage berühmteste Weihnachtslied der Welt als Erste hörten.
Über Sängergruppen aus dem Zillertal verbreitete es sich in alle Welt, erlebte 1839 in New York seine amerikanische Uraufführung und wurde in mehr als dreihundert Sprachen und Dialekte übersetzt.
An der Stelle der von zahlreichen Hochwassern unterspülten und schließlich abgerissenen Kirche steht seit 1937 die schlichte, rund ums Jahr für Besucher geöffnete „Stille-Nacht-Kapelle“. Nur ein paar Schritte abseits liegt das „Stille-Nacht-Museum“, das die Geschichte des Lieds ebenso wie die der Oberndorfer Schöffleut veranschaulicht.
Grenzüberschreitendes Historienspiel
Am ersten und zweiten Adventswochenende startet an der Kapelle das „Stille-Nacht-Historienspiel“ mit einer ersten Szene. Das Publikum wandert im Anschluss in einem Fackelzug über den hölzernen Europasteg nach Laufen, erlebt eine weitere Szene vor dem Alten Rathaus und den Rest der Aufführung in der modernen Salzachhalle. Noch viel mehr Publikum ziehen die Weihnachtsmärkte in beiden Orten an.
Ein schöner Rundweg verbindet Laufen und Oberndorf nicht nur zur Adventszeit: Von Laufen geht es über den Fußgängern vorbehaltenen Europasteg zu Füßen des Kalvarienbergs auf die österreichische Seite und der Salzach-Schleife entlang nach Oberndorf zur Stille-Nacht-Kapelle. Weiter geht es an der Salzach, die moderne, in höherem Gelände neu aufgebaute Stadt Oberndorf streifend, bis die imposante Länderbrücke zurück nach Laufen führt.
Wer mag, spaziert mit bei einer der beliebten abendlichen Laternenführungen durch die Zwillingsstädte und erfährt dabei spannende Geschichten aus erster Hand. Krippen-Entdecker Hans Surrer und Josef Heringer, der Spiritus Rector ihrer Restaurierung, führen die Gäste mit viel Verve und Charme als „Nachtwächter“ durch die lebendige Geschichte.
Handgemachte Weihnachtsgeschenke
Auch Krippenführungen gibt es. Sie schließen neben der Stiftskirche die ehemalige Klosterkirche des Kapuzinerhofs ein, in der das ganze Jahr über wechselnde biblische Szenen in einer kleineren Krippe zu sehen sind. Nach dem Weggang der Kapuziner aus Laufen 1992 wurde das ehemalige Kloster zum modernen Tagungshotel, das auch Platz für Urlaubsgäste hat.
Das über den ehemaligen Kreuzgang zu erreichende, gemütlich holzgetäfelte Restaurant „Kapuzinerhof“ ist ein Tipp: Die regional und saisonal geprägte Küche der Chefs Gabriele Krois und Dominik Eder wurde mit dem Bayerischen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet und ist bei den Einheimischen vor allem wegen des ebenso günstigen wie kreativen Mittagstischs beliebt.
Beim Bummel durchs Ortszentrum kommt man automatisch am „Laufener Ladl“ vorbei. Falls noch ein paar Weihnachtsgeschenke fehlen, gibt es dort handgemachte Filzarbeiten, hölzerne Brotzeitbrettl und mehr.
Ein paar Schritte weiter kann man dem Geigenbauer Hagen Schiffler-Lustig durch die großen Fenster seiner Werkstatt bei der Arbeit zusehen. Er hat sich auf Instrumente und Bögen aus der Zeit des Barocks spezialisiert. Seine Kunden kommen vom Mozarteum in Salzburg, aus Schweden, den USA und vielen anderen Ländern.
Rupertiwinkel: Der Bischof und das Salz
Im Sonnenlicht glänzen der bayerische Löwe und das österreichische Staatswappen auf der Länderbrücke um die Wette. Am Europasteg, der erst 2006 anstelle einer Anfang des 20. Jahrhunderts vom Hochwasser zerstörten Brücke errichtet wurde, wacht der heilige Rupert als moderne Holzskulptur über den Fluss und die Stiftskirche. Ihm, dem ersten Bischof von Salzburg, verdankt der Rupertiwinkel an der Grenze zu Österreich auch seinen Namen.
Dargestellt wird Bischof Rupert immer mit einem Salzfass. So auch auf dem Altarbild in der Stiftskirche von Johann Michael Rottmayr, dem bedeutendsten österreichischen Barockmaler, dem natürlich von Dezember bis Februar die Krippe ein wenig die Schau stiehlt.
Und noch ein Schatz in der Stiftskirche
Um einen weiteren Schatz kümmert sich Stiftsdekan Simon Eibl mit großem Engagement: Mehr als 2.500 Bücher, Urkunden und andere Schriftsachen sind im Archiv der Stiftskirche verwahrt, die älteste, auch nach mehr als 800 Jahren noch gut lesbare und farbenfrohe Urkunde datiert aus dem Jahr 1306.
Handgeschriebene Bibeln aus dem 14. Jahrhundert, bebilderte Messbücher, Unterlagen über Eheangelegenheiten, Reisebeschreibungen und religiöse Streitschriften – Pfarrer Eibl lässt alles mit Hilfe aus München und Salzburg professionell archivieren und will diese unschätzbaren Zeugnisse der Vergangenheit allen Interessierten in einem Lesesaal zugänglich machen.
An Weihnachten ist beim Gottesdienst in der Stiftskirche natürlich das berühmte Lied aus dem Nachbarort Oberndorf zu hören. Und wenn die Gemeinde „Stille Nacht, heilige Nacht “ anstimmt, sind die beiden, die es geschaffen haben, mit dabei: Neben den restaurierten Barockfiguren der Krippe stehen Hilfspfarrer Mohr und Organist Gruber als neu geschaffene Krippenfiguren bescheiden am Rand des biblischen Geschehens ... und fügen sich ganz selbstverständlich in die historische Szenerie ein.