Der Advent ist rund um den Tegernsee besonders romantisch. Und ziemlich spannend, wenn man eine der Adventstouren der Heimatführerinnen und Heimatführer mitmacht
Adventszeit am Tegernsee
Der Übergang von der Rauschgoldromantik am Weihnachtsmarkt von Tegernsee zur barocken Engelswelt unter dem Kirchengewölbe von St. Quirinius ist herrlich fließend. Unter der großen Kuppel der Pfarrkirche schuf Kirchenmaler Hans Georg Asam hier eines seiner Meisterwerke. Himmlische Gestalten, die auf Wattewolken gebettet emporschweben. In das farbenfrohe Fresko hat sich wohl auch der kleine Franz geträumt, wenn ihm während der Sonntagsmesse fad war.
Ein paar Jahre später schuf jener Franz von Kobell, geboren 1803, mit dem Brandner Kaspar eine der bekanntesten bayerischen Erzählungen, die vom Kartenzocken mit dem Tod, vor allem aber von Verwirrungen und Irrungen der himmlischen Ordnung handelt. „Es ist doch auch eine schöne Vorstellung, so in den Himmel zu kommen“, meint Sonja Still beim Blick hinauf.
Die erste Station ihrer vergnüglichen Adventstour ist für die Tegernseer Heimatführerin eine Herzensangelegenheit, über den Brandner Kaspar und andere sagenhaften Bayern hat sie das Buch „Bayerns Mythen“ geschrieben. Bei der zweiten tritt die Journalistin und Buchautorin den Beweis an, dass Weihnachtskrippen alles andere als langweilig sind. In der Ausstellung im Pfarrhaus von Tegernsee sind neben traditionellen Werken auch moderne Interpretationen zu sehen. „Schaut mal hier, die beiden Hirten erinnern mich immer an Don Camillo und Peppone“.
Das Geheimnis der Rauhnächte
Im verschneiten Lärchenwald am Tegernseer Höhenweg schickt die Expertin für den Advent am Tegernsee die Kinder der Gruppe los zum Engelfinden und erzählt am Aussichtspunkt beim Paraplui von den Rauhnächten, jener geheimnisvollen Zeit zwischen der Heiligen Nacht und Heilig Drei König, in der Träume zu Orakeln auf bevorstehende Ereignisse werden und sich die bösen Geister durch Räucherwerk vertreiben lassen. „Bis heute gibt es Bauern, die ihren Tieren in der Zeit der Rauhnächte besondere Kräuter unters Futter mischen, um sie vor Unheil zu bewahren“, erzählt Still.
Traummann erträumen
Unverheiratete Frauen hingegen können sich in der Thomasnacht am 21. Dezember auf was gefasst machen: Dann wird der Mann, von dem sie träumen, ihr Gemahl. Kann ein Traumprinz sein. Muss aber nicht. Bachelorette auf Metapysisch und ohne Erfolgsgarantie. Also lieber nicht ins Bett gehen!
Bachelorette auf Metapysisch und ohne Erfolgsgarantie
Vom Paraplui aus schweift der Blick hinaus auf die Egerner Bucht, auf die Lichter des dortigen Adventsmarkts und die Pfarrkirche von Rottach-Egern. Dort machen nach der Christmette die Bläser vor der Tür die Weihnachtsidylle perfekt. Und über allem thront der Wallberg.
Wer ein paar Tage Zeit hat, sollte unbedingt mal rauffahren. Nicht nur, weil die Aussicht ziemlich fantastisch ist: Der „Abstieg“ auf via Deutschlands längster Rodelbahn ist ein großer Spaß. Was für eine malerische Szenerie!
Stieler-Haus: Romantik und Punsch
Zum Abschluss ihrer Führung lädt Sonja Still zu Punsch und Lebkuchen ein ins „Westerhof-Café“ im Stieler-Haus, das einst Hofmaler Joseph Stieler gehörte. Das zum Teil noch aus dem 19. Jahrhundert erhaltene Interieur macht den Ort zu einem lebendigen Museum, auch wenn Stieler berühmtestes Werk, das weltbekannte Porträt Ludwig van Beethovens, heute in Bonn hängt, der Geburtsstadt des Komponisten.
Zur Adventszeit wird das Stieler-Haus zur Pilgerstätte von Ludwig-Thoma-Fans. Der Schriftsteller schrieb am Tegernsee seine „Heilige Nacht“, die die Weihnachtsgeschichte im bäuerlichen Alltag Bayerns ansiedelte. Die Lesung – wie das Original natürlich auf Bayerisch – im Stieler-Haus hat Tradition.
Tolle Anekdoten und Überraschungen sind bei den Führungen der Tegernseer Heimatführer und -führerinnen an vier Adventssamstagen garantiert. Jede ist individuell und folgt zum Teil unterschiedlichen Routen. Allen gemein ist die richtige Einstimmung aufs Weihnachtsfest.
Auf welchen Adventsmarkt?
Bleibt am Ende die Frage, wo man den Abend ausklingen lässt. Die drei Adventsmärkte am See sind alle nah am Wasser gebaut und ziemlich kuschelig. Ob im lauschigen Kurpark von Rottach-Egern, vor dem Schloss in Tegernsee oder auf der Kurpromenade in Bad Wiessee – schön ist es überall. Der Soundtrack zur Besinnlichkeit kommt live aus Posaunen und Trompeten und ist ebenso liebevolle Handarbeit wie die Schmankerln und Geschenkideen auf den Märkten.
Beim Thema Getränke zum Warmwerden gibt’s in der Region eine exquisite Auswahl, die weit über ollen Glühwein hinausgeht. Durchprobieren kann man sich bei den Advents-Tastings im Bootshaus vom „Hotel Terrassenhof“ in Bad Wiessee, mit bayerischem Whisky von Slyrs, Gin der Destillerie Lantenhammer, Bier aus dem Herzoglichen Brauhaus Tegernsee oder Craft-Bieren von Hoppebräu.
Falls man dabei einen Adventskranz bestaunt: Was nach heimeliger Tradition made in Bayern ausschaut, kommt aus dem hohen Norden! Mit dem ersten Adventskranz, gebastelt aus einem Wagenrad und damals noch mit 24 Kerzen, bot der Theologe und Begründer der evangelischen Diakonie, Johann Hinrich Wichern, in einem von ihm geleiteten Kinderheim seinen Schützlingen diesen schönen Weihnachts-Countdown. Wer hat’s gewusst: Natürlich die Tegernseer Heimatführerin!