Frankenweine sind so individuell wie die Winzer, die sie erzeugen, das zeigt eine Tour durchs südliche Maindreieck. Zwischen Frickenhausen und Eibelstadt warten interessante Weingüter und schöne Orte, die typisch für diese abwechslungsreiche Ecke Frankens sind
Wein-Tour durchs Südliche Maindreieck
Wer wissen will, wo der Süden beginnt, fährt nach Frickenhausen. Das Erste, was man sieht, ist einer der Tortürme, die das Weindorf mit seinen gotischen Stadtmauern behüten. Kommt man näher, fällt ein großes Schild ins Auge.
Mit einem Slogan, den man nicht erwartet hätte: „Hier fängt der Süden an.“ Die erste Reaktion: Was, hier in Unterfranken? In einem, zugegeben, reizvollen Ort mit einem aus der Renaissance stammenden Rathaus, der aus verschiedenen Epochen stammenden Kirche St. Gallus und geschmackvoll renovierten Bürgerhäusern. Aber alles erinnert eher an Deutschland als an Italien oder Spanien.
Die Lösung des Rätsels verrät wenige Minuten später Matthias Stumpf. „Hier ist es wie im Süden sehr heiß und trocken und wir haben kaum Frühnebel“, weiß der Chef des Weinguts Bickel-Stumpf. „Bei uns beginnt die Lese eine Woche früher als im nur 35 Kilometer entfernten Thüngersheim im mittleren Maintal, wo wir auch Weinberge besitzen.“
Weingut mit zwei Gesichtern
Das 1976 von Carmen Bickel und Reimund Stumpf gegründete Weingut hat nicht nur einen Doppelnamen, es hat auch sozusagen zwei Gesichter: auf der einen Seite der Enddreißiger Matthias mit seiner Frau Manuela, auf der anderen seine Eltern Carmen und Reimund, die den renommierten Betrieb vor ein paar Jahren übergeben haben, aber doch noch meist hinter den Kulissen mitarbeiten.
Alt und Jung im Zusammenspiel – das gilt auch für das Betriebsgebäude. Ein Teil ist über 550 Jahre alt, der andere Teil umfasst eine topmoderne, elegante Vinothek, in der Manuela das Zepter fuhrt. In einem kleinen, noch älteren Keller direkt darunter befindet sich ein von alten Fässern umgebener Holztisch für kleinere Gruppenverkostungen.
Selbst die Herkunft ist gedoppelt: Während die Familie Stumpf aus Franken stammt, kommt Manuela aus Baden. Auch die Gewächse haben zwei Gesichter: Die Weinberge in Frickenhausen mit ihren Muschelkalkboden liefern Weine mit intensivem, opulentem Auftritt und cremigen Noten, an erster Stelle Silvaner. Die Weine in Thüngersheim dagegen sind geradliniger und schlanker.
Wein statt Wasser
Gegensätze ziehen sich bekanntlich an. Das gilt ebenfalls für das „Hotel und Weingut Meintzinger“, nur wenige Meter entfernt. Teile des Hauses stammen aus dem 15. Jahrhundert und dienten als fürstbischöfliche Sommerresidenz. Heute machen es sich Urlauber und Tagungsgäste darin gemütlich, natürlich mit entsprechendem Komfort. Ebenso ungewöhnlich wie reizvoll: Jedes der dreißig Zimmer ist unterschiedlich möbliert.
So individuell wie die Gästezimmer sind auch die Namen der Gutsweine, die man etwa im sogenannten Weinzimmer, einer stilvoll eingerichteten Weinlounge, genießen kann.
Der Silvaner heißt hier „silva“, der Riesling, ein Liebling des Winzers Jochen Meintzinger, „MEIN‘z“ und die Scheurebe heißt „Meine Sache“.
Das Steckenpferd des Jungwinzers Philipp, der mit seiner Mutter Micha auch das Hotel managt, sind drei Muschelkalkfässer im Keller. Jeder dieser auffälligen Behälter – momentan gibt es in Deutschland nur fünf Stück davon – kostet etwa 3.000 Euro und fasst 300 Liter Silvaner.
„Aufgrund des Kalkanteils des Fasses wird ein Teil der Säure im Wein ohne Eingriff etwas reduziert“
Das sei kein Spleen, so Philipp. „Aufgrund des Kalkanteils des Fasses wird ein Teil der Säure im Wein ohne Eingriff etwas reduziert. Außerdem schmeckt der Wein sehr mineralisch und präsentiert sich gehaltvoller und besonders lagerfähig.“
Eine weitere Rarität sind Silvaner- und Spätburgunderweine mit dem Namen „Novemberlese“, die extrem spät gelesen und trocken ausgebaut werden. Seit dem Jahrgang 2023 sind alle Weine biozertifiziert.
Begleitet werden kann eine Weinprobe von einem dünnen Gebäck aus hellem Brötchenteig und Gewürzen, die von der örtlichen Bäckerei Stephan seit zehn Jahren hergestellt werden. Weinblätter heißt die haltbare, knusprige Spezialität mittlerweile. „Die hat ein Münchner Besucher nach einem Spaziergang im Weinberg so getauft“, erläutert die quirlige Inhaberin Carmen Stephan, die auch ein sogenanntes Winzerbrot anbietet. Das Besondere an diesem Sauerteigbrot ist die Verwendung von örtlichem Silvaner anstelle von Wasser.
Verkostung im Schlossgarten
Die nächste Station ist Sommerhausen, bekannt vor allem durch das Torturmtheater. Es gilt als das kleinste Theater Deutschlands und wurde ab 1975 von dem Schauspieler, Regisseur und Maler Veit Relin geführt, heute leitet seine Witwe Angelika das Theater. Bei einem Bummel durch das fränkische Bilderbuch-Weindorf landet man beim „Wein.Kultur.Gut. Schloss Sommerhausen“, geleitet von Martin Steinmann.
Die Winzertradition seiner Familie reicht bis ins Jahr 1537 zurück. Auf den 20 Hektar rund um Sommerhausen wachsen auf Muschelkalkböden Weine mit hohem Extraktgehalt. Im Fokus stehen die Rebsorten Silvaner, Riesling und die Burgunderfamilie, dazu trockene, aromabetonte Weine aus Muskatsilvaner oder Scheurebe sowie seltene historische Sorten wie die Bouquet-Traube, eine Kreuzung aus Silvaner und Trollinger.
Eine weitere Besonderheit sind die jahrelang gereiften Sekte des Hauses, die Namen wie „Avec Pläsier Le Grand Blanc“ tragen. „Jeder Schaumwein braucht etwas Französisches und sei es nur sein Name“, meint Vertriebsleiter Manfred Meister dazu und serviert die feinen Tropfen im Schlossgarten.
Einen stimmungsvollen Überblick über Sommerhausen, Eibelstadt und viele Weinberge am Main bekommt man im Siegelswäldchen oberhalb der Weinberge, vom „terroir f “ aus. Diese Punkte mit schöner Fernsicht gibt es zwar in vielen Weinorten der Region, aber Sommerhausen bietet Weinfreunden zusätzlich einen charmanten Skulpturenpark. Sieben Künstler haben dafür lebensgroße Objekte aus Stahl, Holz, Muschelkalk oder Tonerde rund um das Thema Weinbau geschaffen.
Wer sich mit einem Glas Frankenwein setzen will, nimmt auf der Steinbank neben der stummen Weinprinzessin Platz, die sicher nichts dagegen hat, wenn man sich an der Aussicht berauschen möchte.
Besonderheiten in Eibelstadt
Die nächste Station heißt Eibelstadt, wo der Main bei Kilometer 262 die Hälfte seines Wegs zurückgelegt hat. Von Weitem sichtbar ist die Pfarrkirche St. Nikolaus, deren ältester Teil bis ins 13. Jahrhundert zurückgeht. Wer keines der großen Weinfeste auf dem Marktplatz besuchen kann, macht halt beim Weingut Max Markert.
Der Mittsechziger hat erst mit Anfang vierzig das Winzerhandwerk erlernt und mit ein paar Ar Anbaufläche angefangen. Heute bewirtschaftet er elf Hektar mit frankentypischen Rebsorten wie Silvaner, Scheurebe, Riesling, Weißburgunder sowie Spätburgunder und Domina. Alle diese Weine werden sorgfältig und mit wenig Schwefelzusatz ausgebaut.
„Wenn ich einen schönen, ungestörten Winterurlaub verbringen will, muss ich den Wein tüchtig schwefeln“, meint er und verzichtet lieber darauf. Dazu füllt er keinen Wein ohne das Okay seiner Frau ab, denn sie habe einfach ein besonderes Händchen für den Geschmack.
Auch zum Thema Nachhaltigkeit hat Max Markert eine besondere Position. „Ich lasse seit 2021 meine Barriquefässer renovieren. Das funktioniert einwandfrei und schont wertvolle Ressourcen.“
Dann empfiehlt das Mitglied der kleinen fränkischen, qualitätsorientierten Gruppe „Frank & Frei“ eine Fahrt zum „terroir f“ in der Weinlage Eibelstadter Kapellenberg. Dort genieße man nicht nur eine schöne Aussicht über die historische Altstadt und das Main-Tal, sondern auch eine beeindruckende Architektur, die an ein Amphitheater erinnert.
Auf der Fahrt zurück nach Frickenhausen findet man ein weiteres „terroir f“. Es befasst sich mit dem Thema „Die Wahrheit liegt im Weine, Wein segnet“. Die Installation aus drei massiven Muschelkalkblöcken und Stahl zeigt die Abendmahlszene von Leonardo da Vinci in Form eines sehr großen Scherenschnitts.
In der Nähe liegt das Garagenweingut Betz. In seiner Garage baut der Mittfünfziger Wolfgang Betz im Nebenerwerb Weine auf 0,6 Hektar Rebfläche an.
Die meisten Winzer mit einem ähnlichen Flächenbesitz liefern bei einer der fränkischen Genossenschaften ab. Nicht aber Wolfgang Betz, der zuvor in München als Führungskraft arbeitete und auf Bitten seines Vaters zurückkam, um die Weinberge – damals nur 0,1 Hektar! – zu betreuen.
Garagenweingut, ja oder nein?
Heute füllt Betz bis zu 4.000 Flaschen pro Jahr ab. Seine Weine sind seit 2016 biozertifiziert – ein Trend, der in Franken mittlerweile sehr ausgeprägt ist. An die Bezeichnung Garagenweingut, ein Vorschlag des fränkischen Weinbaupräsidenten, musste sich Wolfgang Betz erst gewöhnen. Aber längst füllt er diesen Begriff so aus, wie man ihn verstehen kann, und baut neben den klassischen Sorten auch die Rarität Blütenmuskateller an und produziert einen Silvaner-Orange-Wein.
Außerdem arbeitet er mit Schafen: „Ein wesentliches Element in unserer Anbauphilosophie ist die Belebung des Weinbergs mit Shropshire-Schafen. Diese halten uns den Bewuchs zwischen den Stöcken kurz und sorgen so auf natürliche Art für große Biodiversität“, so der Winzer. Als Tüpfelchen auf dem i kann man nach der Weinprobe mit einem Alpaka-Flüsterer aus dem Nachbardorf eine Weinwanderung mit Alpakas unternehmen.
Nach einer weiteren Nacht im „Meintzinger“ und gestärkt durch das abwechslungsreiche Frühstück machen wir einen Abstecher zum Onkel des Hotelchefs, Bernd Meintzinger. Er führt in einem ehemaligen Fürstenhof ein Antiquitätengeschäft mit Weinutensilien aus vergangenen Zeiten, darunter Halter für die klassischen Bocksbeutelflaschen. Danach geht es weiter an die Volkacher Mainschleife.