Der Allgäuer Jungbauer Tobias Guggemos verschönert Kühe für landwirtschaftliche Ausstellungen im alpenländischen Raum. Dabei geht es dem „Cowfitter“ um weit mehr als nur die Optik. Text von Klaus Mergel, Fotos von Christoph Jorda
Cowfitter Tobias
Wenn junge Männer etwas „schön“ finden, geht es meist um Frauen, Musik oder Autos. Tobias Guggemos aus dem Ostallgäu hat eine eigene Sicht der Ästhetik. „Eine Kuh ist schön“, sagt er. Vielleicht beurteile ein Züchter, so der 24-Jährige, ein Tier nach Euter oder Becken unterschiedlich. „Aber im Grunde ist eine Kuh immer ein schönes Tier.“
Ein Nebenjob, just for fun
Der Allgäuer Jungbauer weiß, wovon er spricht: Er pflegt eine interessante Nebenbeschäftigung. Wenn ihm seine Arbeit auf dem Familienbetrieb in Rückholz Zeit lässt, hübscht er als „Cowfitter“ Kühe für landwirtschaftliche Ausstellungen auf. Seit sechs Jahren macht er das, nur zum Spaß. „Wir im Züchterclub Füssen helfen uns gegenseitig. Dafür passt ein anderer mal auf einer Schau auf meine Tiere auf“, sagt er.
Mit seinen Kühen war Guggemos schon im Allgäu, in Österreich und in der Schweiz unterwegs. Um Milchleistung oder Kampfgewicht geht es nicht. Die Tiere, die sich in Wuchs und Erscheinung am besten entwickelt haben, werden prämiert.
„In der Schweiz liegt die Messlatte am höchsten“, sagt er. Bis zu 20.000 Euro kann dort eine Kuh auf einer Auktion bringen, in Deutschland maximal 5.000 Euro. „Die Schweizer sind kuhverrückt“, erklärt Vater Christian.
Mit seinem blonden Schopf, den blauen Augen und dem offenen Lächeln sieht Tobias genau so aus, wie man sich einen Allgäuer Landwirt vorstellt. „Ich bin Bauer aus tiefstem Herzen“, sagt er. Seit zwei Jahren ist er Landwirtschaftsmeister. Und dass er mit seiner Leidenschaft Vater Christian Freude macht, ist dessen stolzem Blick anzumerken.
Hühner, Pferde und 82 Kühe
Der Hof der Familie Guggemos steht im Wiesenidyll des Ostallgäus auf einer Anhöhe. Es riecht nach frischem Gras und Heu. Breitenberg, Alpspitze und Säuling sind gut zu sehen. Links säumt die Zugspitze das Panorama ein, rechts der Grünten. Es herrscht ein lebhaftes Durcheinander: vier Hühner, sieben Pferde, zwei Ponys und jedes Jahr ein Schwein. Ansonsten ist es eine ziemliche Weiberwirtschaft: 82 grau-braune Swiss-Brown-Milchkühe.
Eine davon schert Tobias Guggemos gerade für eine Ausstellung. Ruhig steht Verona in dem etwa drei Meter langen Fitting-Stand. Mit ihren 600 Kilo Gewicht, Stockmaß 1,57 Meter, passt sie bequem in das Aluminiumgestell.
Während der Langhaarrasierer über ihr Fell gleitet, mahlen ihre mächtigen Kiefer träge. Speichel tropft, ab und zu kommt die Zunge raus und schleckt. „Sie käut wieder. Das heißt, sie fühlt sich wohl“, erklärt Cowfitter Guggemos.
Schöne Kühe werden meist sehr alt
Der Haarschneider surrt sonor, braun-graue Haarflocken fallen auf den Boden – das hat fast etwas von Wellness. Und frisches Heu und Kraftfutter gibt es auch. Verona scheint die Prozedur zu genießen, so wie manche Dame der Menschenwelt ihren Friseurbesuch.
Am wichtigsten, so der Jungbauer, sei die Topline, die Rückenlinie, die er mit Langhaarrasierer und Haarspray in eine aufrechte Form trimmt. Und natürlich ein Euter mit vielen Adern. „Da geht es zu wie auf einer Misswahl“, verrät er.
Doch anders als etwa bei Hunden sind die Maßstäbe für „schön“ bei Nutztieren nicht willkürlich gewählt. Bei Kühen geht es um Gesundheit: Eine breite Brust, damit Herz und Organe genug Platz haben. Ein stabiler Rücken, der dem Tier keine „Kreuzschmerzen“ bereitet. Ein gut durchblutetes, hoch angesetztes Euter. Ein breites Becken, damit es beim Kalben keine Probleme gibt. „Ein schönes Tier wird meist auch sehr alt“, sagt Vater Christian.
Für jede Kuh ein Name
Im Wohnzimmer der Familie Guggemos ist inzwischen eine komplette Wand voll mit Pokalen und Preisen, die ihre Tiere bei Wettbewerben in Österreich, Deutschland und der Schweiz erhielten. Jede Kuh hier hat einen Namen, das ist selten für so einen großen Betrieb.
Auch Verona wurde schon auf einigen Ausstellungen prämiert: 2016 Reserve-Rinderchampion in Buchloe, 2017 Rinderchampion auf der Bundesjungzüchterschau in Bad Waldsee. „Die ist unkompliziert, ein richtiger Profi“, sagt Cowfitter Guggemos.
Geld verdienen Vater und Sohn auf den Schauen nicht. Da gibt es vielleicht mal einen Sachpreis, etwa ein Werkzeug. Die Freude zählt – und die Verbundenheit mit den Tieren.
"Allgäu ohne Kühe? Absolut nicht vorstellbar!"
Die meisten Rinder auf dem Guggemos-Hof sind klassisches Braunvieh, typisch Allgäu. Aber auch ein paar Holstein-Bunte und eine Jersey-Kuh sind darunter. Für den Jungbauern ist klar: „Allgäu ohne Kühe, das ist nicht vorstellbar. Kein Tier kann unser Gras so gut verwerten.“ Und für ihn selbst gilt: Tobias Guggemos ohne Allgäu geht genauso wenig. „Ich gehöre hierher, ich bin eingefleischter Bauer und Allgäuer.“