Frankenstein und die Illuminaten, die erste Landes-Uni und das Bayerische Reinheitsgebot haben alle ihren Ursprung in Ingolstadt! Die Stadt an der Donau wird leicht unterschätzt, dabei fasziniert sie mit schöner Altstadt, einer kreativen Szene und sehr viel Grün
Ingolstadt entdecken
„Do g’foit’s uns, Leidl’n, do bleim ma!“, das könnten sich die Menschen in grauer Vorzeit gesagt haben, als sie die Stelle entdeckten, wo das Flüsschen Schutter in die Donau mündet. Der Übergang über die Donau, damals ein Durcheinander von Flussarmen, war vermutlich einfach – und gut geeignet für Handelswege. So entstanden schon in der Bronzezeit eine Siedlung und ein Knotenpunkt für den europaweiten Waren- und Kulturtransfer.
Sensationelles Zeugnis davon ist ein Collier aus baltischem Bernstein. Man hat es bei Ingolstadt ausgegraben, heute ist es im Stadtmuseum zu bewundern. Der Schmuck aus 2.787 Perlen entstammt jener Epoche, in der die Ägypter mit den Hethitern kämpften und in Mykene die Maske des Agamemnon ins Goldblech gehämmert wurde. Das beweist, dass die Ur-Ingolstädter nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen kamen!
Ingolds Stätte macht Karriere
Sehr viel später wurde eine „Stätte des Ingold“ an der Schutter-Mündung in einer Urkunde Karls des Großen erwähnt. Sie wurde um 1250 zur Stadt befördert. Ingolstadt war während der kurzen Existenz des Herzogtums Bayern-Ingolstadt von 1392 bis 1447 sogar Residenzhauptstadt, 1516 dann Schauplatz der Verkündigung des getränketechnisch revolutionären Bayerischen Reinheitsgebots für Bier. Und von 1472 bis 1800 erleuchtete die Stadt als Sitz der ersten bayerischen Universität ganz Altbayern! Heute ist Ingolstadt mit 140.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Oberbayerns.
Schanzer und Schwedenschimmel
Kanonenrohre und Waffengeklirr gehören zu Ingolstadts Geschichte wie das reine Bier. Die Stadt war strategisch günstig gelegen und wurde ab dem 16. Jahrhundert zur Festung ausgebaut. Noch heute nennen ihre Einwohner sie „Auf der Schanz“ und sich selbst „Schanzer“.
Berühmt das Kabinettstück aus dem Dreißigjährigen Krieg, als sich Gustav II. Adolf an der Festung die Zähne ausbiss: Während der Belagerung 1632 schossen die Schanzer dem Schweden das Pferd unterm Hintern weg. Der arme Schimmel wurde ausgestopft und genießt heute ein unaufgeregtes Dasein als Exponat im Stadtmuseum. Immerhin.
Gegen Napoleon war dann kein Kraut gewachsen. Der kleine Korse ließ, nach kampfloser Übergabe, die Festung schleifen. Was die Möglichkeit bot zum Neubau. An der „Königlich Bayerischen Hauptlandesfestung“ wurde ab 1828 gemauert, auch nach Plänen von Stararchitekt Leo von Klenze.
Sie wurde das teuerste Projekt unter Ludwig I. in Sachen Sicherheit, schließlich sollte die Landesfestung im Ernstfall Zufluchtsort sein für die Königsfamilie und den Kronschatz. „München nährt mich, Ingolstadt wehrt mich“, so der Monarch. Dieser Fall ist gottlob niemals eingetreten.
Grünt so grün!
Das System von Mauern und Türmen, Toren und Bastionen umringt noch immer die Stadt wie ein Gürtel. Er bildet ein Freilichtmuseum der Festungsarchitektur und ist gleichzeitig Grund dafür, dass Ingolstadt als eine der grünsten Großstädte Bayerns gilt!
Den Bastionen vorgelagert ist nämlich das Glacis, ein ehemals unbewachsenes Schussfeld, das nicht bebaut werden durfte und heute eine „grüne Lunge“ mit Bäumen und Wiesen ist. Nur wenige Schritte sind es von der Altstadt ins Grüne.
Zwei Parks sind besonders attraktiv: der Künettegraben mit zwei Biergärten und der Klenzepark mit seinen weiten Rasenflächen – ideal zum Spazierengehen, Radeln, Joggen oder nur zum In-der-Wiese-Liegen. Im Sommer finden dort Freiluftkonzerte mit Tausenden Besuchern statt.
Kräuter und Obst darf man zum Eigenbedarf gratis ernten
Kräuter, Streuobst-Wiesen, Auwälder
„Der Klenzepark ist die gute Stube in Grün für Ingolstadt“, sagt Bernward Wilhelmi, Leiter des Gartenamts. „Etwas Besonderes ist unser Kräutergarten am Neuen Schloss“, so Wilhelmi, „dort darf sich jedermann Oregano, Thymian, Salbei und anderes Kraut abschnibbeln. Auch kann man in den Streuobstwiesen der Parks, die auf der Stadt-Website zu finden sind, Äpfel, Zwetschgen, Birnen oder Kirschen zum Eigenbedarf gratis ernten!“
Wer Lust hat auf mehr Grün, durchstreift – am besten mit dem Rad – die westlichen Waldgebiete an der Donau wie den Gerolfinger Eichenwald, eine bedeutende Kulturlandschaft, und die artenreichen Auwälder.
Victor Frankenstein und die Illuminaten
Vom leuchtenden Grün zu Ingolstadts berühmter Nachtseite. „Schließlich erblickte ich die hohen weißen Kirchturmspitzen der Stadt.“ So beschreibt Victor Frankenstein im Roman „Frankenstein oder der moderne Prometheus“ von Mary Shelley, erschienen 1818, seine Ankunft in Ingolstadt. Er war aus Genf mit der Kutsche angereist. Elf von vierundzwanzig Kapiteln wird er in der Stadt verbringen und die Geheimnisse des Lebens entschlüsseln.
Ingolstadts Universität war hochangesehen und wie geschaffen für den wissbegierigen Frankenstein. Außerdem gründete 1776 im Haus Nr. 23 der heutigen Theresienstraße der Gelehrte Adam Weishaupt den Geheimbund der „Illuminaten“.
Monster-Alarm!
Weishaupt wollte „durch Aufklärung und sittliche Verbesserung die Herrschaft von Menschen über Menschen überflüssig machen“. Was der Obrigkeit wenig behagte. So wurden die Illuminaten bald Opfer heftigster Shit-Stürme und Verschwörungstheorien, später gar beschuldigt, die Französische Revolution angezettelt zu haben, und schließlich 1784 verboten.
Das passte gut zum mysteriös-unheimlichen Setting des Romans. Plante Weishaupt einen moralisch neuen Menschen, so schuf Frankenstein „tatsächlich“ eine neue Kreatur, aus Leichenteilen, mit den bekannten monstermäßigen Folgen ...
Mary Shelley, die nie vor Ort war, hatte von Ingolstadt und den Illuminaten durch ihren Ehemann Percy Bysshe Shelley, einen Weishaupt-Anhänger, erfahren. Auf Erlebnistouren von Ingolstadt Tourismus tauchen Gruselfreunde in die berühmte schaurig-schöne Geschichte vor historischer Kulisse ein.
Größer als Notre-Dame in Paris!
Die Altstadt von Ingolstadt ist gut zu Fuß zu erkunden. Man startet etwa am Schliffelmarkt, wo sich früher die Bürger beim Gläschen Wein zu einem Schwätzchen, zum „Schliffeln“, trafen, spaziert durch die breite Theresienstraße, vorbei an den mit Renaissance-Giebeln geschmückten Bürgerhäusern. Und steht dann vor dem Liebfrauenmünster.
Das Kirchengebäude scheint zu groß für diese Stadt. Aus Geldmangel wurde es nicht vollendet – und ist dennoch beeindruckend. Der Dachstuhl aus siebentausend Baumstämmen ist dreimal so groß wie der von Notre-Dame in Paris! Im Inneren bemerkenswert sind der prächtige Wandelaltar und die (unscheinbare) Grabplatte von Johannes Eck, einem Chefideologen der Gegenreformation und Pfarrer an der Kirche. Das Porträt des streitbaren Theologen auf einem Wandrelief erinnert frappierend an seinen Gegenspieler Luther ...
Einige Schritte vom Münster aus, schon ist das Kreuztor erreicht. Die mittelalterliche Doppeltoranlage aus rotem Backstein ist das Wahrzeichen der Stadt und gefiel König Ludwig II. so gut, dass er sie im Sängersaal in Neuschwanstein abbilden ließ.
Kaffeepause in der Anatomie
Biegt man nach Süden, erreicht man das nächste Highlight: die Alte Anatomie. Der spätbarocke Prachtbau wurde für die Medizinische Fakultät errichtet und war das erste für die Anatomie errichtete Gebäude in Deutschland (ab 1735). Heute ist es Sitz des Medizinhistorischen Museums. Die neu konzipierte Dauerausstellung ist sehr informativ und schön gestaltet. Man sieht Gemälde, Plastiken und historisches Gerät, von der Amputationssäge (um 1700) bis zum Zahnwurzelheber (um 1800) – und freut sich dabei mehr und mehr, die Segnungen der modernen Medizin genießen zu dürfen!
Hier freut man sich sehr über die Segnungen moderner Medizin
Tipp: Wer partout keine Lust auf Museumsluft hat, besucht nur das Museumscafé (geht auch ohne Ticket) und genießt bei einem Cappuccino auf der Terrasse den Botanischen Garten mit Springbrunnen.
Einen Steinwurf weiter durchschreitet man den Taschentorturm, einst Gefängnis und Henkerswohnung, und hat die mittelalterliche Stadtmauer mit ihren Türmen gut im Blick. Stadteinwärts durch die Taschenturmstraße ... und man ist bei der Hohen Schule, einst Sitz der ersten bayerischen Landesuniversität.
Craft-Bier und Poetry-Slam
Die Gassen rund um das Münster sind ein beliebtes Ausgehviertel. Man findet Läden und Szenelokale wie „Griesmüllers Altstadtbrauerei“ mit ihren handwerklichen Bieren oder die flippige Craft-Bier-Bar „Zwølf by Yankee+Kraut“, die Kunst- und Kulturkneipe „das Mo“ mit Biergarten oder zum Entspannen das „Café Himmelblau“. Oder die „Diagonal“-Bühne im Bürgerhaus.
„...von konservativ bis urban findet man alles“
Dort trifft man gelegentlich den jungen Kinderbuch-Autor („Die kleinen Dinge“) und Poetry-Slammer Kevin Reichelt an. „Heute trete ich zwar nicht mehr selbst auf, aber ich organisiere die Poetry-Slams. Der ‚Brüllaffen-Slam‘ findet seit Jahren alle sechs bis acht Wochen im ‚Diagonal‘ statt“, erzählt der Endzwanziger.
Kevin, in Ingolstadt aufgewachsen, ist Altstadt-Fan, schätzt die „vielen Plätze mit Charme“ und mag ihre Bewohner. „Das ist schon ein besonderer Schlag, von konservativ bis urban findet man alles.“
Weitere Tipps des Szenekenners: das Altstadttheater, vor allem das experimentelle Kleine Haus, die Kunstkneipe „Neue Welt“ mit vielfältigem Programm von Blues bis Kabarett und das „KAP94“ mit den „Besser als Fernsehen“-Programmen, einem Mix aus Literatur, Musik und Comedy. Und auf gar keinen Fall dürfe man im Sommer den „Donaustrand“ verpassen!
Die Freiluftbühne mit Strandfeeling, die sich wie ein Amphitheater zum Wasser öffnet, liegt am rechten Ufer beim Donausteg. Die Ingolstädter vergnügen sich dort zwischen Mai und Oktober bei Konzerten oder Poetry-Slams oder sie chillen einfach nur und genießen die Sonnenuntergänge.
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