Markgräfin Wilhelmine prägte Bayreuth mit ihren Bauten, Richard Wagner mit seiner Kunst. Das lockt Besucher aus dem In- und Ausland. Die Stadt bietet dazu viel fränkisches Flair, gutes Bier, ein Haus für afrikanische Kunst und Klavierbauer von Weltrang, weiß Reporter Markus Stein
"Ahs!" und "Ohs!" für Bayreuth
Da staunten die Baronessen und Grafen wohl, als sie aus ihren Kutschen stiegen. Das soll ein Opernhaus sein? Sieht aus wie ein gewöhnliches Stadtpalais. Der Musentempel, fast unscheinbar eingefügt in ein Gebäude-Ensemble? Und dann noch dieses schmucklose Entree. Mon Dieu!
Doch nur wenige Schritte weiter, im Theaterraum, wird das Adelsvölkchen mit lauten „Ahs!“ und „Ohs!“ gejubelt haben. Oder, wie man heute sagt: „Wow!“ Ein barocker Überraschungscoup! Außen Understatement, innen Prunk und Pracht in Grün- und Goldtönen, wohin das Auge blickt. Man sieht Blumenranken, Kordeln, Putti und sogar Marmorsäulen. Und das alles aus Holz und Leinwand. Dank illusionistischer Malkunst mit beeindruckend plastischer Wirkung.
Taraaa! Markgräfliches Opernhaus
Das Markgräfliche Opernhaus, eine der großen Sehenswürdigkeiten von Bayreuth, besteht eigentlich aus zwei Gebäuden. In eine Hülle aus Stein wurde das selbsttragende Logenhaus eingepasst, ein riesiger hölzerner Resonanzkörper für barocke Musikshows. Wie durch ein Wunder blieb das Theater von Brandschäden verschont und ist original erhalten.
Auch die ursprüngliche Wirkung der Farben wurde nach sorgfältiger Restaurierung wiedergewonnen. Das Haus, 1748 eingeweiht, gilt als einer der bedeutendsten Theaterbauten des 18. Jahrhunderts in Europa und ist UNESCO-Weltkulturerbe. Tipp: Erst von seiner Rückseite aus betrachtet erkennt man, wie groß das Gebäude wirklich ist.
Eremitage, Sanspareil, Neues Schloss
Initiiert hatte den Bau Markgräfin Wilhelmine von Brandenburg-Bayreuth (1709 bis 1758), preußische Königstochter, Schwester Friedrichs des Großen und Gattin von Markgraf Friedrich. Die begabte „zugereiste Fränkin“ hat auch selbst komponiert, Libretti geschrieben und Opern inszeniert.
Als Regentin hat sie, so Historiker, zur Modernisierung des Landes beigetragen und Bayreuth und Umgebung Ludwig-II.-mäßig mit Bauten beglückt: neben dem Opernhaus auch mit der Eremitage samt Landschaftsgarten und dem Neuen Schloss samt Hofgarten in Bayreuth, dem Landschaftsgarten Sanspareil in Wonsees und Schloss Fantaisie in Donndorf.
Afrika am Roten Main
Bayreuth liegt am Roten Main, einem der beiden Quellflüsse des Mains, zwischen Fichtelgebirge und der Fränkischen Schweiz. Die Stadt zählt etwa 75.000 Einwohner, davon sind Zehntausend Studenten der Universität Bayreuth, die seit 1975 über das größte Institut für Afrikanistik in Deutschland verfügt.
Iwalewa heißt übersetzt: "Charakter ist Schönheit"
Nur wenige Schritte von Wilhelmines Schmuckstück ist in einem Jugendstilhaus das Iwalewahaus untergebracht, ein Teil der Uni. (Iwalewa kommt aus der Sprache der Yoruba aus Nigeria und heißt übersetzt: „Charakter ist Schönheit“.) Afrikanische Künstler wohnen für eine halbes Jahr in der Stadt und stellen hier ihre Kunstwerke aus.
Das Iwalewahaus besitzt eine einzigartige Sammlung moderner bildender Kunst aus Afrika. Wer über den eurozentrischen Kunst-Tellerrand schauen möchte, darf diese Sehenswürdigkeit nicht links liegen lassen.
Loslaufen und staunen!
Bayreuths Innenstadt ist übersichtlich und die dortigen Sehenswürdigkeiten sind zu Fuß leicht zu entdecken. Aber Vorsicht vor Bayreuths Radlern, die haben’s immer eilig! Vom Opernhaus erreicht man im Nu die Maximilianstraße und ihre östliche Fortsetzung, die Richard-Wagner-Straße, die Flanier- und Shoppingmeilen der Stadt.
Beim Rundgang ist für Wegzehrung bestens gesorgt. Das Angebot reicht vom Straßencafé über veganes Soulfood zur verpackungsmüllfreien Mitnahme und über Imbiss-Stände, die die langen, dünnen Bayreuther „Broodwörschd“ verkaufen, bis zu altfränkischen Wirtshäusern wie dem „Wolffenzacher“.
Auch Süßes lockt, etwa in der Confiserie Klein, wo man sich die Bayreuth-Promis – Wagner, Wilhelmine, Liszt und Jean Paul –, das heißt: mit ihren Konterfeis verzierte Pralinen auf der Zunge zergehen lassen kann. Oder man versucht sich an den cremigen Spezialitäten im Café „Tortenschmiede“ in der nahen Ludwigstraße.
Premiumblick und eine Gruft
Weiter Richtung Westen kommt man auf der Maxstraße zum markgräflichen Alten Schloss, Sitz des Finanzamts, mit achteckigem Schlossturm. Ein stufenloser Wendelaufgang führt innen hinauf zur Turmspitze. Esel transportierten auf ihm früher Lasten. Von oben blickt man über Bayreuth, auch hinüber zum Festspielhaus Richard Wagners auf dem Grünen Hügel.
Zu Füßen des Turms, in der Rokoko-Schlosskirche, hat Markgräfin Wilhelmine mit Ehemann und Tochter in einer Grablege ihre letzte Ruhestätte gefunden. Gruftige Markgräfler aus Vorgängergenerationen lernt man in der Stadtkirche, einige Schritte weiter, kennen. 26 Familienmitglieder liegen dort in der Krypta begraben. Eine sehenswerte Videopräsentation gibt Auskunft über die einzelnen Schicksale und die historischen Hintergründe.
Durchs historische Gassenviertel
Zurück ins pulsierende Leben der Stadt: ins Gassenviertel. Dort, zwischen Maxstraße, Dammallee und Kanzleistraße, reihen sich kleine Läden, Cafés, Kneipen und Restaurants. Die Von-Römer-Straße gilt als Partymeile. Kopfsteinpflaster, alte Mauern und enge Wege geben dem Viertel historisches Flair. Zahlreiche Häuser sind sorgsam renoviert, einige sind eingerüstet oder warten auf die längst fällige Frischekur. Ein ideales Habitat für Studenten und Alternative oder Feierwillige.
21 Zapfhähne für Bierliebhaber
Sprung über den Hohenzollernring. Und rein ins „Liebesbier“. Stattliche 21 Zapfhähne bestücken dort die lange Theke. Der große Raum, mit Stahlträgern und dunklem Holzboden, ist in coolem Industriedesign gestylt.
Lederbezogene Stühle an den Holztischen, Country-Feeling dank offenem Kamin. Dazu Bäckerei und Brauwerkstatt hinter Glas: Hier schlägt das gastronomische Herz von Maisel & Friends. Bei schönem Wetter auch draußen auf der großen Terrasse, wie es sich für Bayern gehört.
„Unsere Brauerei existiert seit 1887, die Lifestyle-Marke ‚Maisel & Friends‘ mit ihren modernen Bierspezialitäten seit 2012“, erzählt Biersommelier Michael König, gebürtiger Oberfranke. Er ist unter anderem für die Bierauswahl im „Liebesbier“ verantwortlich, mehr als hundert verschiedene regionale und internationale Gerstensäfte hat er im Angebot. „Wir wollen nicht nur uns selbst darstellen, sondern auch die Produkte befreundeter Brauereien präsentieren“, beschreibt der Sommelier das Konzept.
Brauprojekte mit BBQ-Pros und Künstlern
Ein eigenes Lieblingskind soll allerdings nicht verschwiegen werden, die Limited-Linie aus der Brauwerkstatt. „Diese Brau-Experimente kreieren wir beispielsweise in Kooperation mit Hobby-Brauern, mit Barbecue-Spezialisten oder mit Künstlern“, so König.
Rundum Bier-Erlebnis mit Tastings, Museum und Felsenkeller
Aktuelles Highlight ist ein Strong Sour Ale, für das die Berliner Street-Art-Künstlerin Hera das Etikett geschaffen hat. Es trägt ihren Namen und schmeckt süffig mit Zitrus- und Fruchtnoten und angenehm sauer im Abgang.
Zur Bier-Erlebnis-Welt der Brauerei – Maisel ist die größte von fünf Bayreuther Brauereien – gehören noch Tastings, ein Shop, ein Museum in historischen Brauräumen und ein Gang durch alte Felsenkeller.
Bildergalerie
Mehr Impressionen aus Bayreuth
Richard, Richard Wagner
Um ihn kommt man als Bayreuth-Besucher wohl kaum herum. Für die einen genialer Komponist, für die anderen eher zweifelhafter Charakter. Auch außerhalb der Bayreuther Festspiele im Sommer kann man Wagner in Bayreuth erleben.
Ganzjährig zu besichtigen ist das Wohnhaus Wahnfried mit dem angeschlossenen, modernen Richard Wagner Museum sowie im Winter das berühmte Festspielhaus auf dem Grünen Hügel. Beide Ausflugsziele verbindet der „Walk of Wagner“.
Mit neunzehn Stationen führt er durch die Stadt Bayreuth und illustriert jedes Jahr ein anderes Thema rund um den Komponisten, aktuell sind es „Wagner und die Frauen“. Im Park vor dem Festspielhaus ist seit 2012 open air die Ausstellung „Verstummte Stimmen“ zu sehen. Schautafeln erinnern an jüdische Sängerinnen und Musiker, die an den Festspielen mitwirkten und später in der NS-Zeit verfolgt oder ermordet wurden.
Ebony and Ivory
Zurück in die Stadt zur Klaviermanufaktur Steingraeber & Söhne. Richard Wagner spielte auf ihren Klavieren und war zwei Jahre lang ihr Nachbar. Als goldfarbene Figur sitzt er in einem Fenster des Fabrikgebäudes. Hammerschläge dringen aus der Manufaktur. Firmensitz und Verkaufsräume findet man einen Steinwurf entfernt in der prächtigen Friedrichstraße.
„Um 1850 war Bayreuth ohne Klavierbauer. Das ist so, als gäbe es heute in einer Stadt keinen Computerladen“, erzählt Udo Schmidt-Steingraeber, seit vielen Jahren Geschäftsführer der Firma. „Damals gehörte ein Klavier in jedes Wohnzimmer! Das nutzte der Klavierbauer Eduard Steingraeber aus Thüringen. Er zog in die Stadt Bayreuth und gründete 1852 die Firma. Heute zählt Steingraeber, laut einem US-Ranking, zu den sechs besten Klavierbauern der Welt!“, so Schmidt-Steingraeber stolz.
„Wir bauen traditionelle Instrumente für alle Arten von Klaviermusik, wir bieten auch Sonderausführungen für alte Spielarten oder experimentieren mit elektronischen Erweiterungen“, so der Firmenchef weiter. Sein Tipp für musikaffine Besucher ist das Jazz-Festival im November. „Da können Sie in gemütlicher Atmosphäre hochkarätigen Jazz hören, das hat Großstadtniveau!“
Der Klavierbauer bietet Führungen durch sein Tastenreich an und veranstaltet auch selbst Konzerte im eigenen Musiksaal. Sogar moderne kulinarische Kompositionen kann man im Steingraeber-Haus entdecken, im „eila tasting center“!
Finale in der Eremitage
Alles andere als Großstadt hatte Wilhelmine im Sinn, als sie die höfische Einsiedelei „Eremitage“ umgestalten und erweitern ließ. Ihr Gatte hatte sie ihr geschenkt. Die Gartenanlage liegt östlich von Bayreuth – Sichtachsen erlauben weite Blicke in die Landschaft. Die Markgräfin ließ das Neue Schloss mit Sonnentempel und Orangerie bauen, Grotten, Pavillons, Laubengänge und sogar ein Ruinentheater errichten. Und natürlich Wasserspiele.
Zu jeder vollen Stunde gespanntes Warten am Wasserbecken vor der Orangerie. Golden glänzt der fackeltragende Apollo auf dem Sonnentempel. Die Dusch-Show beginnt. Wassergötter, Nymphen und Delfine speien das Nass, von weit hergeleitet, in die Luft. Sprühende barocke Lebenslust.
Nach fünf Minuten Ende der Vorstellung. Weiterziehen zur Unteren Grotte, märchenhaft von hohen Bäumen umstellt, wo sich das Spiel wiederholt. Es gießt aus mehr als zwanzig Fontänen, aus allen Ecken und Enden, auch aus frivolen Quellen wie nackten steinernen Brüsten. Wenn das kein „Wow“ wert ist!
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