Kloster Waldsassen: Mutter Laetitia mit Bischofsstab und Kukulle in der Stiftsbibliothek
Eine Reise zu sich selbst

Mit Tatkraft und Gottvertrauen haben Äbtissin Laetitia und ihre Mitschwestern das halb verfallene ostbayerische Kloster Waldsassen in ein Schmuckstück verwandelt. Wer dort eine Auszeit vom Alltag nimmt, fühlt sich in uralten Mauern so geborgen wie inspiriert. Eine Story von Anja Keul, Fotos von Angelika Jakob

Lesezeit: 10 Minuten

Stuck und Untugenden

Der erste Eindruck? Überwältigend. Unter dem hohen Gewölbe der Klosterbibliothek leuchten die Deckengemälde in kräftigen Farben. Prächtiger Stuck und blitzblank polierte Schnitzereien stehlen den uralten Büchern fast die Schau. Zehn lebensgroße Holzskulpturen stützen die Empore an der linken Seite des Bibliotheksaals.

Doch etwas stört die weihevolle Atmosphäre. Lugt der junge Mann dort drüben nicht regelrecht provozierend unter seiner Mütze hervor? Und das Lachen des anderen – ist das nicht eher ein fieses Grinsen? Schwester Sophia schmunzelt, als sie die Irritation bemerkt: „Die Figuren stellen die Untugenden dar. Damit die Mönche immer vor Augen hatten, wovor sie sich in Acht nehmen müssen.“

Kloster-Urlaub: Ruhe statt Reizüberflutung

Auf drastische Weise demonstrierten die Fratzengestalten – um 1724 von Karl Stilp aus dem nahen, heute tschechischen Ort Cheb geschaffen – den Klosterbrüdern, was Eitelkeit, Heuchelei, Spottlust oder Prahlsucht mit den Menschen machen.

Nun, das ist heute nicht viel anders. Es sind nur noch ein paar weitere Problemfelder hinzugekommen, vom Selbstoptimierungs-Stress bis zur Reizüberflutung. Warum nicht einmal hinter Klostermauern darüber nachdenken? Dem eigenen Leben nachspüren, zur Ruhe kommen? Dafür steht die Idee vom Kloster-Urlaub.

„Sich selbst anzunehmen, das ist die Voraussetzung, um mit anderen Menschen umgehen zu können“, sagt Äbtissin Laetitia in ihrem schlichten, kleinen Büro. „Das Jesus-Wort ,Liebe deinen Nächsten wie dich selbst‘ hat es bei genauerer Betrachtung ganz schön in sich. Denn um sich selbst lieben zu können, sollten Leib, Seele und Geist im Gleichgewicht sein“, so die ebenso zupackende wie zugewandte Äbtissin.

Kloster Waldsassen: Prächtiger Stuck und Schnitzereien stehlen den Büchern fast die Schau

Runterkommen mit Fasten, Pilgern, Klostergarten

Die Abtei Waldsassen bietet viele Möglichkeiten, diesem Ziel ein bisschen näher zu kommen. Etwa beim einwöchigen Klosterfasten nach der Buchinger-Methode, das die Äbtissin persönlich als ärztlich geprüfte Fastenleiterin begleitet – mit Gesprächen, Achtsamkeitsübungen und der Einladung, auch einmal die Stille zu spüren.

Wer es gern etwas aktiver hat, tut dies beim gemeinsamen Pilgern auf der Via Porta, einem 300 Kilometer langen ökumenischen Pilgerweg zwischen Waldsassen und Volkenroda in Thüringen. Oder bei einer der Führungen an jedem letzten Sonntag des Monats durch den Heilpflanzen-Bereich des Naturerlebnisgartens, die die Schwestern des Konvents mit einem kurzen musikalisch-meditativen Impuls einleiten.

Zahlreiche weitere Kurse rund um Garten, Natur, Klosterheilkunde, Kneipp oder altes Handwerk hat das Kultur- und Begegnungszentrum (kubz) der Abtei Waldsassen im Programm.

Abtei Waldsassen: Eine Oase der Regeneration

Die meisten Gäste nehmen sich aber ohne großes Programm in Waldsassen einfach mal eine Auszeit vom hektischen Alltag. Jeder darf kommen, ganz egal ob weiblich oder männlich, gläubig oder nicht. „Viele sehen uns als eine Oase der Regeneration und Geborgenheit“, sagt die Äbtissin.

„Ich bin überzeugt, dass die Menschen hier die spirituelle Atmosphäre wahrnehmen, immerhin wird in diesen Mauern seit mehr als 875 Jahren gebetet.“ Und zwar fünfmal am Tag: vier 20- bis 40-minütigen Horen in der kleinen Klosterkirche sowie natürlich bei der täglichen heiligen Messe. Die wird meist in der prachtvollen Barock-Basilika gefeiert, die zwar ins Ensemble der Abtei integriert ist, aber zur Pfarrei Waldsassen gehört.

Alle Gäste sind eingeladen, an diesem „stetigen Wellenschlag des Klosters“ teilzunehmen, wie Äbtissin Laetitia den durch die Gebetszeiten strukturierten Tagesablauf der Schwestern bezeichnet.

Zisterzienserinnen: Business für die Ehre Gottes

Die Nonnen sind als Zisterzienserinnen den strengen benediktinischen Gehorsamsregeln unterworfen. Ihr Fokus auf Ordnung und Struktur steht in krassem Gegensatz zu unserer Alltagshektik und ist vielleicht gerade deshalb für Menschen, die sich irgendwie verloren haben, so anziehend. Gleichzeitig verströmt die im Jahr 1133 als zisterziensisches Männerkloster gegründete Abtei Waldsassen Tatendrang und Aufbruchsstimmung.

In der Zeit seit ihrer Wahl zur Äbtissin im Jahr 1995 hat Mutter Laetitia das verfallende Kloster in ein modernes Wirtschaftsunternehmen verwandelt. Es schafft nicht nur in der Stadt, sondern auch im weiteren Umkreis Arbeitsplätze, obwohl nur noch sechs Schwestern in der Abtei leben.

Drei davon sind hochbetagt, die drei anderen – Äbtissin Laetitia, Schwester Sophia und Schwester Raphaela – managen einen Betrieb mit rund 60 Angestellten, zu dem auch eine Mädchenrealschule im Klostergebäude gehört. Sie selbst verfügen über keinen persönlichen Besitz, nicht einmal Taschengeld – sie arbeiten zur „Ehre Gottes“.

Schlicht-elegante Gästezimmer

Am meisten Ehre macht wohl das Gästehaus Sankt Joseph, das herzliche Gastfreundschaft und Drei-Sterne-Komfort hinter mittelalterlichen Mauern bereithält. Lange Jahre eine traurige Ruine, wurde es 2008 in einem feinfühligen Mix aus historischer Substanz und modernen Elementen neu eröffnet.

Dass man sich in den nach Heiligen benannten, schlicht-eleganten Zimmern gleich so wohl und angekommen fühlt, liegt sicher an der benediktinischen Regel „Porta patet, cor magis“ – „Die Klosterpforte steht offen, unser Herz noch mehr.“ Als Kloster-Ökonomin leitet Schwester Sophia das Gästehaus mit seinem gemütlichen Gewölbe-Restaurant und dem angeschlossenen Klosterladen.

Deckengemälde in der Stiftsbibliothek im Kloster Waldsassen

„Ora et labora“ auf Zeit

Beim Spaziergang hinüber zum Klostergarten erzählt sie, dass sie erst im Jahr 2007 mit 33 Jahren nach einem handfesten Berufsleben als Bauleiterin ins Kloster eintrat: „Im Februar habe ich zwei Wochen in der Abtei verbracht und fühlte mich einerseits zum ersten Mal im Leben total ruhig, andererseits wie auf Wolken. Im Oktober bin ich in den Orden eingetreten.“

Auch für diese Erfahrung steht Waldsassen interessierten Frauen offen: Beim Programm „Kloster auf Zeit“ können sie intensiv am Alltagsleben teilnehmen und richtig mitarbeiten. Äbtissin Laetitia würde sich freuen, neue Schwestern aus der Mitte des Lebens willkommen zu heißen. Denn das ist auch ihre Abtei: hinter Mauern, aber mitten im Leben.

Mehr Informationen zum Kloster Waldsassen

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