Yoga mit Alpakas. Meditatives Bogenschießen. Wellness mit Bergblick. Ein Sternemenü mit fulminanter Aussicht. Das sind nur einige Beispiele für genussvolle Entschleunigung im Allgäu. Die reine Luft gibt’s gratis dazu
Entschleunigung im Allgäu: Yoga, Wellbeing, Bogenschießen, Genießerküche
Punkt 18 Uhr geht es los mit dem Sternemenü, da kennt Simon Schlachter kein Pardon. Schließlich sollen die Gäste insgesamt 18 kleine, feine Gänge ganz in Ruhe genießen – und Köche und Servicepersonal dennoch vor 22 Uhr Feierabend machen können. „Lebensqualität gilt nicht nur für Gäste“, sagt Bayerns jüngster Sternekoch bestimmt. Als der Pfrontner sich im Jahr 2020 zum ersten Mal einen Stern erkochte, war er gerade mal 26 Jahre alt.
Schlemmertipp: „Pavo“ bei Pfronten
Die Sonne steht noch hoch am Himmel, als die ersten köstlichen Häppchen an den fünf Separee-Tischen des Restaurants „Pavo“ im Hotel „Blaue Burg" serviert werden. Der „Shot Olive“ etwa ist die pure Geschmacksexplosion im Mund und lenkt uns vom bis zur Zugspitze reichenden Fernblick ab.
Die fantastische Aussicht teilt sich das „Pavo“ mit dem zugehörigen À-la-carte-Restaurant des Hotels, dessen Terrasse sich nun ebenfalls füllt. Ums Eck lassen sich die letzten Wanderer am Imbiss-Container hausgemachte Pommes nebst Panorama schmecken. Sie haben den Aufstieg zu der über dem Hotelkomplex thronenden Burgruine Falkenstein aus eigener Kraft gemeistert und steigen nun wieder nach Pfronten ab.
Murmelstreicheln und Bogenschießen
Wir verbringen die Nacht in einem nach Zirbenholz duftenden Zimmer und stimmen uns am nächsten Morgen im marokkanisch inspirierten Spa auf ebenso ungewöhnliche wie entspannende Erlebnisse in und um Pfronten ein.
Im „Waldseilgarten Höllschlucht“ nimmt uns Reini Blöchl in Empfang. Zuerst demonstriert er die Steinkugelmühle am murmelnden Steinebach, die aus dem weichen Kalkstein der Region in sieben bis acht Stunden raue Kugeln formt. Erst wenn sie von Hand poliert sind, wird die schöne Maserung sichtbar. Das funktioniert auch mit einem ganz gewöhnlichen Stein aus dem Bächlein: Mit einem speziellen Schwämmchen schleifen wir geduldig die oberste Schicht ab und werden für die meditative Arbeit mit einem glatten, glänzenden Handschmeichler belohnt.
Dann geht es zum Bogenschießen in den Wald. Reini erklärt, wie man den Bogen hält, den Pfeil einlegt, das Ziel ins Visier nimmt, die Muskeln anspannt – und loslässt. Rund zwei Stunden dauert der Parcours mit seinen vierzehn Stationen, an denen lebensgroße Tierfiguren warten: Bär, Hirsch, Wolf und viele andere. Wir visieren sie an, spannen die Muskeln und lassen ein ums andere Mal los. Der Körper strafft sich, die Bewegungen werden fließender – und der erste Treffer lässt die Glückshormone tanzen!
Zum Schluss sehen wir im Waldseilgarten noch einer Gruppe beim Klettern, Balancieren und Seilrutschen zwischen den Bäumen zu. „Nach zwei, drei Stunden hier ist man komplett gechillt“, verspricht Reini.
Kunst am Baum im Kurpark
Im Kurpark von Pfronten wartet Anette Nöß auf uns. Unter alten Buchen, Kiefern, Linden und Bergahornbäumen hält sie für ihren „BaumArt“-Workshop Farbpigmente und Pastellkreiden in großer Auswahl bereit.
Zunächst soll sich jeder Teilnehmende ihren oder seinen Lieblingsbaum aussuchen. Wir entscheiden uns für den Bergahorn. „Er wächst von innen nach außen und stößt dabei die alte Rinde ab“, erklärt die Künstlerin und Kunstpädagogin, „das ergibt eine besonders interessante Maserung.“ Mit ihrer Hilfe bringen wir eine Leinwand im Halbrund um den Stamm an.
In kleinen Schälchen mischen wir uns die Farben an und malen los. Je nachdem, wie zart oder wie kräftig wir sie auftragen, zeigt sich die Maserung der Borke als natürliches Muster. „Jetzt kommt ihr in den Flow!“, lächelt Anette. In der Tat, die Stunden im Park vergehen wie im Flug.
Zum Schluss schreitet das ganze Grüppchen von Baum zu Baum, von Werk zu Werk. Spannend, wie unterschiedlich die Exponate ausfallen. Auch schön: Auf einen Keilrahmen aufgezogen dürfen wir unsere persönliche „Bergahorn-Interpretation“ mit nach Hause nehmen.
Yoga anders: Alpakas und Asanas
Sie stupsen auch mal den einen oder die andere sanft an der Schulter
Den „BaumArt“-Workshop kann man, wie etliche andere entspannende Erlebnisse in der Natur, auf der Website von Pfronten Tourismus buchen. Das gilt auch für das Angebot „Yoga mit Alpakas“, das unsere Neugierde weckt. Schon beim Anblick der gemächlich in einer Blumen wiese kauenden Kameltiere geht uns das Herz auf.
„Wir dürfen uns nur langsam bewegen“, mahnt Yoga-Lehrerin Renate Heckel. „Alpakas sind Fluchttiere. Sie laden uns zur Langsamkeit ein, das tut in diesen schnelllebigen Zeiten einfach gut!“ Als wir die Yoga-Matten ausrollen, trotten die ersten Stuten neugierig herbei.
Mit großen, braunen Augen scheinen sie uns genau zu beobachten. Sie stupsen auch mal den einen oder die andere sanft an der Schulter. Nach eineinhalb Stunden Yoga-Übungen fühlen wir uns ganz im Einklang mit der Natur, den Tieren – und uns selbst.
Kurvenzauber auf der Jochpass-Straße
Geführte Wanderungen mit den gemütlich vor sich hin zockelnden Alpakas werden ebenfalls angeboten. Uns steht der Sinn jetzt allerdings nach einer flotteren Gangart und so steigen wir hinauf zu den Burgruinen Eisenstein und Hohenfreyberg. Dort oben weht immer ein angenehmer Wind. Im Schatten der grauen, mittelalterlichen Mauern erfreut uns der weite Blick in die Allgäuer Bergwelt.
Bei der Fahrt nach Bad Hindelang tauchen wir auf einer der schönsten Panorama-Routen der Region tiefer in sie ein. In zahllosen Kurven windet sich die Jochpass-Straße durch Hochebenen und an saftigen, blumengesprenkelten Wiesen entlang. Immer wieder weisen Schilder auf Wanderwege in die Berge hin, in die sommerlichen Weideregionen.
In den frischeren Höhenlagen verbringen die glücklichen unter den Allgäuer Kühen die heißesten Monate, die Senner verarbeiten gleich vor Ort die Milch zu würzigem Käse.
Brotzeit auf der Bio-Alpe
Mitte Mai treibt der Bad Hindelanger Biolandwirt Bene Beißler seine vierzehn Hornkühe auf die Sennalpe Mitterhaus im Retterschwanger Tal. Wobei treiben nicht der richtige Ausdruck ist: „In eineinhalb Stunden sind die oben auf 1.100 Meter“, so der junge Senner, „die g’frein sich so auf das lockere Leben ohne Zäune!“
Den gesamten Sommer über bleiben Kühe und Senner auf der Alpe. Und die Wanderer dürfen sich auf herzhafte Brotzeiten freuen. Mitte, Ende September kehren Raja, Rubi, Marei und der Rest von Benes kleiner Herde dann auf die Futterweide an der Ostrach unten im Tal zurück.
Schlag für Schlag zum Prachtstück
Ein paar Kilometer weiter zapften Hammerschmiede schon vor 500 Jahren die Ostrach an, um ihre Wasserräder anzutreiben. Heute wirkt der eingewachsene Kanal wie ein natürliches Bächlein, das Wasserrad der Unteren Hammerschmiede generiert Öko-Strom.
„Stammkunden haben wir nicht, denn die Pfannen halten ja ewig“
Herzstück der Uralt-Schmiede, in der einst Waffen, dann Werkzeuge und seit den 80er-Jahren Pfannen gefertigt werden, ist – natürlich – die offene Feuerstelle. Dort erhitzt Andreas Rohrmoser die Stile für seine Pfannen in rund 700 Grad heißer Glut und klopft sie dann sofort auf dem Amboss zurecht. Viele weitere Arbeitsschritte sind nötig, um die schweren Eisenpfannen herzustellen.
„Stammkunden haben wir nicht, denn die Pfannen halten ja ewig“, schmunzelt der Schmied. Doch viele Wanderer werfen einen Blick in die jahrhundertealte Schmiede und nehmen sich auf dem Rückweg ein unverwüstliches Stück Allgäu mit nach Hause.
Bio-Balance im Heilklima
Was man leider nicht mitnehmen kann, ist die berühmte superreine Luft von Bad Hindelang. Bereits 2011 alpenweit als erste „allergikerfreundliche Gemeinde“ zertifiziert, dient der heilklimatische Kurort seit Kurzem als „Real-Labor“ für Untersuchungen zu den positiven Auswirkungen besonders reiner Luft im Hinblick auf Allergien und andere umweltbedingte Krankheiten. Als wissenschaftlicher Partner fungiert der Lehrstuhl für Umweltmedizin an der Universität Augsburg.
Im Hotel „Das König Ludwig“ in Schwangau weiß man ganz genau, wie sich das besondere Allgäuer Klima in Verbindung mit gezielten körperlichen Aktivitäten auswirkt. Spa-Direktor Sven Huckenbeck nutzte das Krisenjahr 2020, um ein fein aufeinander abgestimmtes „Bio-Balance-Konzept“ zu entwickeln. Der Diplom-Sportwissenschaftler, der selbst zahlreiche therapeutische Ausbildungen absolviert hat, lädt die Gäste dazu ein, die eigenen Potenziale zu stärken.
„Die Corona-Jahre haben viele Menschen stark belastet“, so Huckenbeck. „Über Bio-Balance öffne ich das System im Zusammenspiel von Behandlungen, individuellem Bewegungs-Coaching und vertiefenden Kursen.“ Die ebenso leichten wie raffinierten Menüs von Küchenchef Hans-Peter Kleinhenz runden dieses „Wellness mit Wirkung“ ebenso ab wie diverse Yoga-Sessions, Faszien-Trainings oder besondere Sauna-Aufgüsse.