Bequem geht es in der Gondel vom Eibsee auf Deutschlands höchsten Berg. Für Bergfans aber ist der Weg das Ziel. Vergleichsweise leicht gestaltet sich der zweitägige, 21 Kilometer lange Aufstieg durch das Reintal. Allerdings erfordert er reichlich Kondition. Reporter Christian Haas hat es ausprobiert
Zugspitze via Reintalweg
Mit 2.962 Metern ist die Zugspitze Deutschlands höchster Berg, das weiß jedes Kind. Vor zwei Jahrhunderten waren sich diesbezüglich selbst die Erwachsenen nicht so sicher. Also beauftragte König Maximilian I. sein „Königlich Bairisches Topographisches Bureau“, das Werdenfelser Land samt Zugspitze zu vermessen.
Nach langen Erkundungen am Schneeferner – damals noch ein respektabler Gletscher – startete der 26-jährige Josef Naus am 26. August 1820 den Aufstieg über die Reintal-Route. Mit dabei: Bergführer Johann Tauschl und sein Messgehilfe und Träger Maier. Nach einer Nacht in der „Angerhütte“, einer Hirtenunterkunft, erreichten die drei tags darauf den Gipfel. Die Premiere war geglückt, die Zugspitze als Bayerns Nummer eins bestätigt.
Reintal-Route: 21 Kilometer, drei Hütten
Im Sommer 2020, exakt 200 Jahre später, wurde mit Ausstellungen, Foren und einem Film des Bergsteigers Ralf Dujmovits an diese Pioniertour erinnert. Und daran, wie gefährlich ein solches Unterfangen ohne Pfade, Karten und gute Ausrüstung war.
Heutzutage gestaltet sich eine Zugspitz-Besteigung viel einfacher. Spielt das Wetter mit, können auch „normale“ Bergsteiger jene 21 Kilometer lange Reintal-Route wagen, gute Kondition und alpine Wandererfahrung vorausgesetzt. Bis auf den (per Gondel abkürzbaren) Schlussanstieg warten keine technischen Schwierigkeiten.
Dafür gibt es drei Hütten, auf denen Wanderer übernachten können. Und angesichts von zehn Stunden Aufstieg sollten sie das auch tun. Tipp: Rechtzeitig reservieren! Die Bergtour auf Deutschlands höchsten Gipfel sollte erst ab Mitte/Ende Juni unternommen werden. Dann dürften, vom Gletscher abgesehen, auch letzte Schneereste weggeschmolzen sein. Achtung: Selbst im Sommer kann es in der Zugspitz-Region zu Kälteeinbrüchen mit Schneefall in den oberen Lagen kommen.
Start in der Partnachklamm
Warme Kleidung ist für diese Bergtour ebenso empfohlen wie gute Wanderschuhe und Stöcke. Kletterequipment braucht es nicht, eher einer Kamera (oder genügend Handy-Speicher). Schließlich führt die Wanderung durch großartige Landschaft.
Das geht schon bald hinter dem jüngst modernisierten Olympia-Skistadion in Garmisch-Partenkirchen los. In der 700 Meter langen Partnachklamm schlängelt sich der kühn in den Fels gehauene Weg an Stromschnellen, Gumpen und Wasserfällen vorbei.
Da wirkt der am Ausgang der Partnachklamm startende Forstweg erst mal langweilig. Doch rasch wird die Wanderung aufregender. Umrahmt von hohen Wänden sorgt die wechselnde Kulisse im breiten Talboden der Partnach für Abwechslung. Den Abzweig zum beim „Märchenkönig“ so beliebten Königshaus am Schachen links liegen lassend taucht nach etwa zweieinhalb Gehstunden die „Bockhütte“ auf. Zeit für eine Brotzeit!
Tag 1: Durchs Reintal auf Deutschlands höchsten Gipfel
Je tiefer man auf Pfaden ins Reintal vordringt, desto höher ragen im Süden die Felswände des Wetterstein empor. Dazu zählt auch der erst später sichtbare Hochwanner mit 2.744 Meter Höhe. Der zweithöchste Berg des Landes hat die höchste Nordwand der Ostalpen.
Noch steigt der Weg nur moderat an. Ein Wasserfall, etwas vom Weg entfernt, kündet die Stufe zum Oberen Reintal an und bald darauf das Flattern tibetanischer Gebetsfahnen die „Reintalangerhütte“ auf 1.369 Meter Höhe. Äußerst idyllisch liegt diese an der Stelle der einstigen Hirtenunterkunft.
Wandergäste haben es in dem DAV-Haus deutlich angenehmer als einst Naus, Tauschl und Maier: Bayerische Küche, internationale Gäste, motivierte Mitarbeiter, die auch mal zur Cajon greifen, sorgen für Stimmung.
Tag 2 der Zugspitz-Wanderung: Es wird schweißtreibend
Nach dem „Einlaufen“ durch den grünen Reintalanger gerät man ins Schwitzen, wird es doch deutlich steiler. Da kommt eine Erfrischung auf der „Knorrhütte“ mit wunderbarem Ausblick über das Wettersteingebirge gerade recht. Die 1855 erbaute Hütte liegt bereits auf 2.052 Meter Höhe
Danach führt die Wanderung steil über Geröllhalden, später über die leicht gewellte Hochfläche des felsigen Zugspitzplatts. Wer sich das schwierigste Stück der Tour sparen will, steigt im bald auftauchenden „Sonnalpin“ in die Gletscherseilbahn. Alle anderen biegen zum finalen Anstieg ab.
Das ist der Gipfel! Die letzten harten Meter
Anfangs wartet ein mühsamer Abschnitt über ein Schuttfeld, bevor der Untergrund felsiger wird. In teils gesicherten Kurven geht es etwa 300 Höhenmeter hinauf.
Dann hat das natürliche Bergerlebnis ein jähes Ende. Rund um das „Münchner Haus“ wuselt es. Besucher aus aller Welt, mit den Gondeln heraufgeschaufelt, laufen umher, machen Selfies. Ist ja der Gipfel! Na ja, noch nicht ganz …
Ein seilversicherter Steig führt die letzten Meter bis zum goldenen Kreuz mit der markanten Kugel. Und mit einer 1a-Aussicht über 400 Bergspitzen. So gut es sich anfühlt, den Weg nach oben zu Fuß geschafft zu haben, so willkommen ist der zeit- und knieschonende „Abstieg“ in einer der bodentief verglasten Großraumkabinen der 2017 gebauten Seilbahn zum Eibsee. Dabei wird ein auf 3,2 Kilometern frei hängendes Seilstück überwunden – spektakulär. Und Weltrekord!
Alternativ geht es mit der „kleinen“ Seilbahn zurück zum „Sonnalpin“ und per Zahnradbahn Richtung Bahnhof Garmisch. Diese Ingenieursleistung feierte 2020 übrigens ebenfalls einen runden Geburtstag: den 90.
Höllental: Nomen est omen
Die Zugspitze ist seit Generationen ein begehrtes Ziel. Alpinisten haben vier weitere Aufstiegsrouten zur Wahl. Wie etwa die anspruchsvolle, neun Kilometer lange Tour durchs Höllental. Von Hammersbach aus wandert es sich noch ganz entspannt los. Kühn dann schon der in der Höllentalklamm über den tosenden Wassermassen führende Weg.
Teil zwei, hinter der 2015 neu eröffneten „Höllentalangerhütte“ beginnend, hat es dann in sich: Die Querung der ausgesetzten Plattenfluchten des superhohen „Bretts“ auf Eisenstiften stellt eine Nervenprüfung dar, doch es kommt noch dicker: an der Stufe des oft blanken Gletscherrests des Höllentalferners. Dessen vor allem im Herbst spektakuläre Randkluft ist oft nur mit Seil und Steigeisen zu besteigen – und am besten in Begleitung eines Bergführers.
Jubiläumsgrat: Nicht ohne Bergführer!
Die über fünf Kilometer lange Gratüberschreitung, die sich als eine der spektakulärsten der Ostalpen vom Gipfel der Alpspitze bis zum Zugspitz-Gipfel zieht, ist nur etwas für erfahrene Bergfexe.
Unterwegs passiert man nur eine hinter der Äußeren Höllentalspitze gelegene Biwakschachtel, die dem Deutschen Alpenverein zur 90-jährigen Gründungsfeier von Bergstiefelhersteller Hanwag gestiftet wurde. Die schwierigste Passage am Jubiläumsgrat ist eine glatte, klettertechnisch mit III- bewertete Rinne.
Ähnlich herausfordernd gestaltet sich die in der Zugspitz-Nordwand verlaufende und kaum begangene Kletterroute Eisenzeit (max. Schwierigkeitsgrad III, kurzer Abschnitt IV-). Die am Eibsee beginnende Stopselzieher-Route durch die scheinbar übermächtig abbrechenden Felsflanken der Zugspitz-Westseite wiederum ist deutlich einfacher, aber zugleich schwieriger als die Reintal-Route.