Das Klausentreiben ist etwa 1.000 Jahre alt und geht auf alte keltische Bräuche zurück
Randale mit Tradition

Das Allgäu zeigt sich im Dezember von seiner gruseligen Seite. Mit Hörnern und Ruten werden die bösen Geister vertrieben. Immer mit dabei beim Klausentreiben: der Sonthofener Matthias Hecht

Klausentreiben mit Matthias Hecht

Jahr für Jahr ziehen furchteinflößende Gestalten, die Klausen und Bärbele, durch die Allgäuer Dörfer. Der uralte Brauch soll böse Wintergeister vertreiben. Die Klausen tragen mächtige Tierfelle und Masken mit Tierhörnern. An den Gürteln hängen schwere Kuhschellen, die bei jedem Schritt läuten und scheppern. Am Tag der heiligen Barbara ziehen unverheiratete Frauen mit moosbeklebten Masken und Schürzen durch die Straßen.

Tradition des Klausentreibens

Es ist finster. In Sonthofen im Oberallgäu ist die Nacht hereingebrochen. Doch statt Ruhe erklingen lautes Glockenläuten und zischende Peitschenschläge. Junge Männer laufen durch die Fußgängerzone, von oben bis unten mit Fell umhüllt. Auf dem Kopf tragen sie große Hörner und teilen den einen oder anderen Hieb mit der Rute aus. Das traditionelle Klausentreiben ist nur etwas für Wagemutige!

Der für die Alpenregion prägende Brauch zieht viele Zuschauer an. Sie wollen live dabei sein, wenn zur Adventszeit die Klausen in Sonthofen und Umgebung die Straßen unsicher machen und die Fußgängerzone zum angesagten Szenetreff wird.

„Das Klausentreiben ist ungefähr 1.000 Jahre alt, geht aber auf alte keltische Bräuche zurück“, erklärt Matthias Hecht, gebürtiger Sonthofener und Vorstand des Klausenvereins der 20.000-Einwohner-Stadt.

Schlimmer als die Dämonen

Um Nachwuchs braucht sich der Verein nicht zu sorgen

„Die Menschen wollten früher böse Geister und Dämonen vertreiben, indem sie noch furchteinflößender aussahen.“ Matthias Hecht ist es eine Herzensangelegenheit, dass die alte Tradition des Klausentreibens weiterlebt und an die Jugend weitergegeben wird.

Doch um Nachwuchs braucht sich der zweite Vereinsvorstand nicht sorgen. Die Mitgliedszahlen sind um 30 Prozent gestiegen, sodass im Jahr 2015 stolze 160 Klausen und 120 Bärbele in Sonthofen unterwegs waren.

Die jungen Männer, die sich jedes Jahr mit ihren zotteligen Fellen den Dämonen stellen, sind zwischen 16 und 26 Jahren alt, unverheiratet und Vereinsmitglieder. Das sind die Grundvoraussetzungen, um mitmachen zu dürfen. Frauen lassen es sich nicht nehmen, auch die bösen Geister zu verjagen.

Verkleidet als Hexen, ziehen die sogenannten Bärbele am vierten Dezember durch die abgesperrte Fußgängerzone von Sonthofen, am fünften und sechsten Dezember übernehmen die Klausen das Kommando.

Unter den schaurigen Masken? Junge, unverheiratete Männer aus Sonthofen
Zur Ausrüstung der Klausen in Sonthofen gehören Tierfelle, Masken, Kuhschellen und Ruten

Dresscode: Fell, Schelle, Hörner

Die Klausen-Häs – so werden die Kostüme genannt – stellen die Vereinsmitglieder nach strengen Richtlinien selbst her. „Die Grundlage bei uns ist: von Kopf bis Fuß mit Fell bedeckt, eine Kuhglocke um den Bauch und Hörner am Kopf, die aus versicherungstechnischen Gründen nur ein Ende haben dürfen“, sagt Hecht.

„Wir nehmen Kuhhörner und schrauben sie an Motorrad- oder Ski-Helme, die auch mit Fell bedeckt sind. Manche machen mit Styropor die Helme noch größer.“ Oft erreichen die Kostüme ein Gewicht von 25 Kilogramm. Für ihr Klausentreiben ist den Sonthofenern nichts zu schwer.

Beliebte Mutprobe bei den jungen Sonthofenern: Wer die Klausen provoziert, bekommt die Rute zu spüren

Hiebe nur für Provokateure

Auch Hechts kleiner Sohn interessiert sich für diesen Brauch: „Bei uns wächst man da so rein. Er hat auch keine Angst vor den Klausen, aber Respekt“, erzählt Matthias Hecht stolz. Respekt sollten die Besucher vor den Schreckgestalten auch haben. „Normalerweise wird nur geschlagen, wer das herausfordert“, sagt Hecht entwarnend.

Doch unter jüngeren Sonthofenern ist es eine beliebte Mutprobe, die Klausen und Bärbele zu provozieren, deshalb fügt er hinzu „Wer mitmachen und wer nur zuschauen will, ist aber nicht immer so einfach auseinanderzuhalten, daher muss eigentlich jeder damit rechnen, mal einen Hieb abzukriegen.“

Damit den Besuchern beim Klausentreiben garantiert nichts passiert, fungieren drei Vereinsmitglieder als Oberklausen. Sie achten darauf, dass die Klausen nicht über die Stränge schlagen. Matthias Hecht verspricht zudem: „Wer hinter der Absperrung steht und wer einen Glühwein in der Hand hält, ist ziemlich sicher. Kleine Kinder und ältere Besucher sowieso.“ Nach dem Spektakel, wenn alle Dämonen vertrieben sind, ziehen die Klausen weiter von Wirtschaft zu Wirtschaft. Belohnung muss sein!

Klausentreiben im Allgäu

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