Zoigl ist eine untergärige Bierspezialität, die von Bürgern in „Kommunbrauhäusern“ gebraut wird. Den Biergenuss verbanden wir mit einer Wanderung durchs Waldnaabtal. Die Canyon-Landschaft mit ihren Granitfelsen ist eine Wucht! Text: Markus Stein, Fotos: Frank Heuer
Zoigl-Wandern in Ostbayern
„A alkoholfreies Weizen? Da hört si do alles aaf ... also naa!“ Wolfgang Fischer vom „Zoigl Kramer Wolf“, so der Hausname, spielt den Empörten. Als er das gewünschte Getränk doch durch den Gastraum trägt, setzt ein Gast noch eins drauf. „Und mia bringst bittschö a alkoholfreies Radler!“ Natürlich jetzt großes Hallo und Gelächter ...
„Du musst als Wirt geboren sein, der Lockdown hat mir richtig weh getan. Ich hab‘ die Begegnung mit meinen Gästen so vermisst“, schüttet der Oberpfälzer Zoigl-Brauer, Metzger und Betreiber eines kleinen Supermarkts uns Besuchern das Herz aus.
Fischer wurde nach dem plötzlichen Tod seines Vaters ins kalte Wasser geworfen und musste sich mit vierundzwanzig das Brauen selbst beibringen. Das Braurecht, das heißt, das Recht, im dörflichen Kommunbrauhaus Bier zu brauen und daheim für Gäste auszuschenken, ist in Falkenberg im Grundbuch eingetragen. Wem das Haus gehört, der darf brauen. „Und des muss ma fei kinna, und net bloß Knöpf am Computer drücken“, so der Selfmade-Brauer.
Echt ist der Zoigl nur, wenn echter Zoigl draufsteht
Und der „Zoigl Kramer Wolf“, der kann’s. Er stellt eine frisch gezapfte Halbe auf den Tisch. Eine schaumige Schäfchenwolke schwebt auf dem dunkel-bernsteinfarbenen Gerstensaft. Am Glas kondensieren Wassertropfen, rinnen hinab aufs selbst designte Bierfilzl. Na dann: Prost!
Aaahh ... Leichter bis mittlerer Körper, weiche Textur, ganz leichte Bittere, mild im Abgang. Mit einem Wort: süffig! Jetzt gemütlich zurücklehnen und in aller Ruhe den Anblick genießen, wie Schaumreste an der Glasinnenwand vom kräftigen Schluck erzählen ... Und Zeit, sich den wichtigsten Theoremen der Zoiglologie zu widmen.
Der Begriff „Zoigl“ geht zurück auf „Erzeugen“, „Anzeigen“
Der Begriff „Zoigl“ geht wahlweise zurück auf „Erzeugen“ oder „Anzeigen“, da sind sich die Experten nicht ganz einig. In Falkenberg wurde das Braurecht erstmals 1467 vergeben. Früher wurde der Zoigl-Ausschank durch einen grünen Zweig am Haus signalisiert.
Heute weist ein zertifiziertes Schild mit dem sechseckigen Zunftzeichen der Brauer und der Aufschrift „Echter Zoigl vom Kommunbrauer“ auf die Authentizität von Bräu und Gebrautem hin. Da kennt die Zoigl-Gemeinde keinen Spaß: Mit der Marke werde gern Schindluder getrieben und auch von Privatbrauereien Bier mit diesem Prädikat angeboten. Das sei kein echter Zoigl.
Fünf Orte und achtzehn Kommunbrauer
Zur Etikette: Man sagt „der Zoigl“. Man geht „am Zoigl“. Es gibt keine Reservierungen, man setzt sich einfach dorthin, wo Platz ist. Und man duzt sich. Das „Sie“ ist tabu. Das Bier gibt’s nur vom Fass. Gegessen wird einfach, deftig und sehr wurstbetont. Ausschank ist in der Regel von Freitag bis Montag.
Ein genauer Jahresplan der Schutz-Gemeinschaft Echter Zoigl verrät, zu welchem Termin welcher Zoigl-Wirt in welchem Dorf ausschenkt. Und das Fähnlein derer, welche die jahrhundertealte lokale Brautradition aufrecht halten, besteht derzeit aus drei Brauern in Mitterteich, zwei in Falkenberg, sechs in Neuhaus, sechs in Windischeschenbach und einem in Eslarn.
Alles ehrliche Handarbeit
Früher in der Region vielfach verbreitet, haben sich die Kommunbrauhäuser, heute denkmalgeschützt, nur in besagten fünf Orten erhalten. Darin braut der Zoigl-Bräu sein Bier und zahlt dafür ein „Kesselgeld“. Alles ist Handarbeit: Zunächst wird Malz mit Wasser eingemaischt, über einem mit schweren Holzscheiten befeuerten Ofen in der offenen Sudpfanne gekocht, dann Hopfen zugegeben.
Jeder Brauer hat sein eigenes Rezept, jeder Zoigl schmeckt anders
Zum Abkühlen kommt der Sud für eine Nacht ins offene Kühlschiff. Damit ist die Arbeit im Kommunbrauhaus beendet. Der Sud wird zum Zoigl-Wirt nach Hause gebracht, wo er im Gärbottich mit Hefe vergoren wird. Anschließend reift der Zoigl gekühlt bis zu zwölf Wochen. Der untergärige Zoigl ist unfiltriert, von normalem Alkoholgehalt und wird nicht künstlich haltbar gemacht. Jeder Brauer hat sein eigenes Rezept, jeder Zoigl schmeckt anders.
Früher wurde schon mal im eigenen Wohnzimmer ausgeschenkt. Heute sind die Zoigl-Locations auch Garagen, Scheunen, Hausflure oder einfach nur Bierbänke vor dem Haus. Nicht jedem Zoigl-Brauer stehen Gasträume zur Verfügung.
Schöne Burg und Wollsackverwitterung
Die Bier-Spezialitäten des Oberpfälzer Walds entdeckt man am besten bei einer Wanderung auf dem Goldsteig. Dieser Fernwanderweg von Marktredwitz bis Passau durchquert zwischen Wiesau und Weiden das „Zoigl-Country“. Ein landschaftliches Highlight ist die Strecke entlang der Tirschenreuther Waldnaab von Falkenberg bis Neuhaus.
Bevor man Falkenberg Servus sagt, lohnt ein Besuch der Burg Falkenberg auf einem markanten Felssporn. In den 1930ern hatte der preußische Graf von der Schulenburg die damalige Ruine zu einer Burg ausbauen lassen. Der weitgereiste Diplomat wollte dort seinen Lebensabend verbringen. Doch Schulenburg, der zum Widerstandkreis des 20. Juli 1944 gehörte, wurde von den Nazis ermordet. In der Burg ist ein kleines Hotel eingerichtet, ein Museum erinnert an seine Person.
Die rundlichen, sich auftürmenden Granitfelsen, welche die Burg tragen, erinnern an fluffige, aufeinandergeschichtete Wollsäcke. In Falkenberg wurde der wissenschaftliche Name für dieses geologische Phänomen geboren: Wollsackverwitterung. Der Falkenberger Felsen zählt übrigens zu den schönsten Geotopen Bayerns.
Waldnaab: „Stop and pool“
Westlich des kleinen Orts schlängelt sich die Waldnaab anfangs unauffällig durch Wiesen. Der bequeme Weg folgt ihr, führt bald in den Wald und biegt dann nach Süden ab. Die Kulisse wird nun urwaldlicher: Büsche und hohe Farne. Und da stehen schon im Grün die ersten „Wollsäcke“. Dunkel, verwittert, urzeitlich.
Laut rauscht das Wasser: Die Waldnaab fräst sich ab hier durch den Granit des Falkenberger Massivs wie seit fünf Millionen Jahren. Sie hat dabei einen kleinen Canyon geschaffen mit imposanten Felsblöcken an den Uferhängen und Felsbrocken im Flusslauf. Und der wandelt häufig seinen Charakter.
Mal ist er idyllisch und ruhig, mal lebhaft und aufbrausend. Dafür sorgen sogenannte Steps, das sind Steinansammlungen, über und durch die das Wasser rauscht, und Pools, Passagen mit größerer Wassertiefe und ruhigem Verlauf.
Amboss und Tischstein
Felsformationen wie etwa der sogenannte Amboss fallen sofort ins Auge. Der Felsriese wurde vom Hochwasser so unterschliffen, dass er die Form eines Ambosses annahm. Auf seiner bemoosten Oberseite wachsen Bäume, deren Laub leise im Wind raschelt. Der Tischstein besteht aus mächtigen, aufeinandergestapelten Granitplatten. Kurios ist auch das „Butterfass“, eine Ansammlung rundgeschliffener Granitbrocken, durch die das Wasser sprudelt.
Hinter der „Blockhütte“, einer Gaststätte mit Biergarten ungefähr in der Mitte des Tals, sollte man den wildromantischen Uferpfad einschlagen, der dort beginnt. Buchstäblich über Stock und Stein und gelegentlich Stahltreppen folgt man dem mal rauschenden, mal trägen Wasser. Man durchstreift dschungelartige Farnwälder, genießt das Spiel von Licht und Schatten oder bewundert die Flugkünste von Blauflügel-Prachtlibellen und Zitronenfaltern.
Im Naturschutzgebiet Waldnaabtal wachsen auch seltene Pflanzen wie die schwarze Teufelskralle, Türkenbundlilie oder Straußfarn, ein Relikt der Eiszeit. Tierische Raritäten wie Schwarzstorch, Sperlingskauz, Wasseramsel oder Flussperlmuscheln bekommt man nur mit Glück zu Gesicht.
Markante Hopfennote in Neuhaus
Vor Neuhaus, einem Ortsteil von Windischeschenbach, weitet sich das Waldnaabtal, die Granitfelsen werden weniger. Nach kurzem Anstieg südlich von Johannisthal erreichen wir den Neuhauser Marktplatz. Durst. Vorbei an Zoigl-Schildern.
Diensthabender Zoigl-Wirt ist der „Lingl-Zoigl“ am südlichen Ende des Marktplatzes. Karl Bauer hat die Gaststätte von seinem Großvater übernommen und betreibt sie als reine Zoigl-Stube im Nebenberuf. „Ich bin dankbar, dass unsere Altvorderen diese Tradition erhalten haben, in vielen anderen Orten sind die Kommunbrauhäuser ja leider verschwunden“, sagt der Brauer und stellt frisch gezapften Zoigl auf den Tisch.
Verlockend und freundlich hell leuchtet der Zoigl im Glas. „Unser Neuhauser Zoigl ist hopfiger als die anderen “, sagt Karl Bauer. Stimmt. Süffig schmeckt er dennoch, schlank, mit einem leicht herben Abgang. Und einer individuellen Note. Wie es sich eben für die, so Bauer, „etwas andere Wirtshauskultur“ gehört.
Eine Kultur, die Anerkennung von allerhöchster Stelle, nämlich der Bayerischen Staatsregierung, erhalten hat: Seit 2018 steht der Oberpfälzer Zoigl auf der Liste des Immateriellen Kulturerbes Bayern.
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