Vor 500 Jahren gründeten die Fugger, eine schwerreiche Kaufmannsfamilie, die Fuggerei, um Bedürftigen ein günstiges Dach über dem Kopf zu bieten. Ein visionärer Schritt des tiefgläubigen Jakob Fugger. Schauspieler Heinz Schulan brachte uns diese Welt näher
Die Augsburger Fuggerei erleben
Wilder Wein rankt an den Fassaden der ockerfarbenen Reihenhäuschen. Mit roten Ziegeldächern, grünen Fensterläden und schmucken Giebeln sehen sie anheimelnd aus.
Viele der Gäste, die Tag für Tag durch die schmalen Gässchen der Fuggerei in Augsburg strömen, würden am liebsten selbst einziehen. Zumal der Mietpreis unschlagbar ist: 88 Cent Jahreskaltmiete plus Nebenkosten zahlen die Bewohner der ältesten Sozialsiedlung der Welt.
Seit 1521 leben dort Augsburger Bürger katholischen Glaubens, die unverschuldet in Not geraten sind. Die Miete entspricht einem Rheinischen Gulden. So wollte es damals der Stifter, daran halten seine Nachfahren bis heute fest.
Jakob Fugger, reichster Mann Europas
Bei diesem Stifter handelt es sich um Jakob Fugger den Reichen, den berühmtesten Sohn der Stadt. Der Kaufmann, Montanunternehmer und Bankier baut vor rund 500 Jahren ein sagenhaftes Vermögen auf. Sein Leben und Wirken prägen Augsburgs Geschichte und Gesicht bis heute.
Das ist nicht nur in der Unterstadt spürbar, wo die Fuggerei liegt, sondern auch in der Oberstadt mit ihren prunkvollen Stadtpalästen.Von dort aus steuerte der einst reichste Mann Europas seine weltweiten Geschäfte. Eine kleine Bronzebüste auf dem Gelände der Fuggerei erinnert seit 2007 an den tiefgläubigen Unternehmer und Wohltäter.
Stadtpalast der Fugger: der erste Renaissancebau nördlich der Alpen
Und da scheint er auch schon leibhaftig vor den Gästen zu stehen: mit Goldmütze und Gewand, so wie ihn Albrecht Dürer malte. Im historischen Kostüm steckt der Schauspieler Heinz Schulan. Er verkörpert den Jakob Fugger seit über 15 Jahren auf der Bühne und bei Stadtführungen zu Augsburgs Sehenswürdigkeiten: „Der Fugger-Stadtpalast war der erste Renaissancebau nördlich der Alpen. Darin finden Sie die drei wunderschönen Serenadenhöfe, die ersten nach oben offenen Höfe nördlich der Alpen.
Und dann ist da natürlich noch die von ihm gestiftete Fuggerei, die älteste noch bestehende Sozialsiedlung der Welt“, fasst Schulan die Höhepunkte der Führung zusammen. Prunk und Bescheidenheit, florierende Wirtschaft und soziale Verantwortung – Augsburgs Fugger-Bauten spiegeln diesen Dualismus wider.
Sozialbau als Besuchermagnet
Heute informieren in der Fuggerei drei kleine Museen über die Geschichte der Stiftung, das Leben in der Fuggerei und die teilweise Zerstörung im Zweiten Weltkrieg sowie deren Wiederaufbau. Hier treffen die Gäste auf Wolf-Dietrich Graf von Hundt, den Geschäftsführer der „Fürstlich und Gräflich Fuggerschen Stiftungs-Administration“. Er verwaltet deren Vermögen. Dieses besteht vor allem aus 3.200 Hektar Wald, der sei „Freud und Leid“ zugleich.
Zum Glück zieht die Fuggerei von Jahr zu Jahr mehr Gäste in ihren Bann. Der geringe Eintrittspreis kommt den Anwohnern und dem Erhalt der Sozialsiedlung zugute, die dafür etwa neue Bäder bekommen. „Gäste begeistert die Geschichte dieser städtebaulichen Skurrilität und dass ein Projekt, das sich vor 500 Jahren jemand ausgedacht hat, so lange durchhält. Dann kommt natürlich hinzu, dass die Story der Familie Fugger kein Einzelthema ist, sondern dass die Fugger an ganz vielen Stellen in Augsburg eine Rolle spielen“, weiß Wolf-Dietrich Graf von Hundt.
Fuggerei: Einmaliges Gemeinschaftsgefühl
Doch was ist das Geheimnis dieses einmaligen sozialen Projektes? Warum lebt es sich in der Fuggerei nicht nur preiswert, sondern auch gut? „Hier darf jeder sein, wie er will“, bringt Graf von Hundt es auf den Punkt. Er lobt das Gemeinschaftsgefühl der Anwohner und betont: „Die Gewissheit, dass jeder Anwohner ein sicheres Dach über dem Kopf hat, wirkt sich sehr positiv auf die Menschen aus.“
„Hier darf jeder sein, wie er will“
Bei einem kühlen Getränk klingt der Tag im lauschigen Biergarten aus. „An Orten wie der Fuggerei, wo Sie den Genius Loci spüren, können Sie Augsburg wirklich verstehen“, findet Graf von Hundt. „Geld war damals kein Selbstzweck, sondern hat Arbeitsplätze und Möglichkeiten geschaffen.“ Wer nur die prachtvollen Fuggerhäuser der Augsburger Oberstadt besucht, verpasst diese Erkenntnis.
So gibt Jakob Fugger den Gästen der Fuggerei bis heute eine kleine Lektion in praktischer Nächstenliebe. Oder wie Graf von Hundt es formuliert: „Das bürgerschaftliche Engagement wurde in deutschen Städten erfunden. Es wäre schön, wenn dieses Engagement wieder zunehmen würde, denn es tut unserer Gesellschaft gut.“