Arkaden, Palmen, Springbrunnen und Europas größte Wandelhalle: Bad Kissingen ist ein Kurort par excellence. Das UNESCO-Welterbe punktet mit tollem Kulturangebot, modernen Heilkonzepten und grünen Oasen
Entspannen in Bad Kissingen
Wie geht das eigentlich, dieses Flanieren? Diese gemütliche, für Kurgäste typische Art, unterwegs zu sein? Ganz klar: Man sollte nicht eilen, ohne nach rechts und links zu schauen, nicht nur das nächste Ziel im Kopf haben, den nächsten Termin. Stattdessen: einen Gang herunterschalten, beschwingt spazieren, kleine Details am Wegesrand wahrnehmen. Bad Kissingen ist so ein Ort zum Flanieren.
Gleich morgens um neun im Rosengarten etwa. Natürlich könnte man über die Ludwigsbrücke hetzen, um am Regentenbau vorbei in die Kurzone zu gelangen. Aber ist es nicht viel schöner, erst den Blick über die fast 10.000 Rosenstöcke schweifen zu lassen. 130 Sorten blühen in sanften Farben von Zartgelb über Rosa bis zu tiefem Rot.
Musik im Rosengarten
Noch wabert ein samtiger Nebel von der Saale über den zu Beginn des 20. Jahrhunderts angelegten Landschaftsgarten, da erwacht die fächerförmige Wasserfontäne spritzend und zischend zum Leben. Aus den verborgenen Lautsprechern strömt Edith Piafs „La vie en rose“ und übertönt das Prasseln der Wassermassen. Und schon hat jeder Flaneur auf der Brücke ein kleines Lächeln im Gesicht.
Am Abend passt dann vielleicht ein „Rosen-Spritz“ mit dem von der jungen Brennerin Franziska Bischof eigens für den Kurort entwickelten Rosenlikör, um das mediterrane Flair zu verlängern. Später gibt es noch eine Light-&-Sound-Show am Multimediabrunnen im Rosengarten.
Weltkulturerbe mit Vichy, Spa und Bath
Bad Kissingen ist Deutschlands bekanntester Kurort und wurde im Sommer 2021 zusammen mit weiteren europäischen Heilbädern wie Bath in Großbritannien, Vichy in Frankreich, Spa in Belgien oder Marienbad in Tschechien mit der UNESCO-Auszeichnung „Great Spa Towns of Europe“ bedacht. Eine Ehre, die Architektur, Kultur und natürlich die lange Tradition als Heilbad würdigt. Insgesamt gaben mehr als 70 Kriterien den Ausschlag für die Auszeichnung, der eine lange Bewerbungsphase vorausging.
Italienische Atmosphäre
Eine heitere, fast schon italienische Atmosphäre liegt in der Luft, mit Arkaden, Palmen und aufwendig umpflanzten Springbrunnen. Geschaffen für sorgenfreie Sommertage, leichte Plaudereien, gesellschaftliche Begegnungen und natürlich die Trinkkuren mit den berühmten Bad Kissinger Heilwässern.
Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts errichtete der damalige Star-Architekt Ludwig von Gärtner im Auftrag von König Ludwig I. die ersten Kurbauten. Jahrzehnte später fügte sein Münchner Kollege Max Littmann die heutigen Kuranlagen hinzu, darunter die lichtdurchflutete Wandelhalle.
Heilwasser in der Wandelhalle
Das 90 Meter lange Jugendstil-Juwel ist noch immer der Mittelpunkt des Bad Kissinger Kurbetriebs. Mehrmals täglich schenken „Brunnenfrauen“ die Heilwässer namens Rakoczy, Pandur, Luitpoldsprudel „alt“, Max-Brunnen sowie das Bad Kissinger Bitterwasser aus einer imposanten Zapfanlage aus. Besonders beliebt ist das stark mineralische Wasser der Maxquelle, die bereits 1529 erstmals erwähnt wurde.
Mehrmals täglich schenken „Brunnenfrauen“ Heilwässer aus
Außerhalb der Ausschankzeiten kann man sich jederzeit an den im Kurgarten sprudelnden Quellen selbst bedienen. Vor allem zur Regulierung der Verdauung, bei Erkrankungen der Atemwege, Erschöpfungszuständen und Blutarmut wurde die wohltuende Wirkung der Wasser bereits vor mehr als 500 Jahren erkannt.
Weitere Quellen, etwa der Schönborn-Sprudel, kommen bei Bäderkuren zum Einsatz und füllen die Becken der modernen KissSalis-Therme.
Kurmusik aus der Muschel
In der Wandelhalle ist auch die sogenannte Konzertmuschel untergebracht, in der die Staatsbad Philharmonie Kissingen mehrmals pro Woche Kurkonzerte gibt. Rund 3.000 Stücke umfasst ihr Repertoire. Bei schönem Wetter dreht die Muschel nach außen und weist so zum Kurpark.
Dort sitzen die Gäste auf zierlichen, weißen Bänken, die einst Max Littmann passend zum Gesamtensemble entwarf. Sie genießen unter Bäumen klassische Musik, Operettenmelodien, Walzer, Polkas oder auch Bigband-Sound.
Prominente Besucher
Zar Alexander II. kurte ebenso in Bad Kissingen wie König Ludwig I. mit seiner Skandaltänzerin Lola Montez oder Schriftsteller Theodor Fontane. Kaiserin Elisabeth von Österreich reiste regelmäßig unter Pseudonym an. Reichkanzler Otto von Bismarck verlegte zwischen 1876 und 1893 seine Amtsgeschäfte zeitweilig komplett nach Bad Kissingen.
Das Museum Obere Saline zeigt eine amüsante Dauerausstellung zum Kurbetrieb von früher: Mit spitzer Feder porträtierte der langjährige Kurgast Ferdinand Lorenz Anfang des 20. Jahrhunderts eine Kurgesellschaft, bei der die Kombination aus Trinkgelagen und Heilkuren offenbar ganz gut zusammenpasste.
Hervorragende Konzertsäle
Zum Amüsement trug auch das Casino bei, das im rot-plüschigen Nobelambiente des Luitpoldbads untergebracht ist: Bodentiefe Fenstern, Samtvorhänge und Kronleuchter bewahren beim „Großen Spiel“ mit Roulette & Co. den Glanz der alten Zeit.
Die Akustik lockt auch Weltstars wie Cecilia Bartoli zum Kissinger Sommer
Nur einen kurzen Spaziergang entfernt stehen der Arkaden- und der Regentenbau. Sie herbergen mit dem Max-Littmann- und dem Rossini-Saal so prachtvolle wie hochklassige Veranstaltungsräume.
Die hervorragende Akustik des mit Kirschbaumholz ausgekleideten Max-Littmann-Saals lockte schon Weltstars wie die Cecilia Bartoli oder Lang Lang zum alljährlich stattfindenden Kissinger Sommer in das 21.000-Einwohner-Städtchen.
Prinzregent mit Rauschebart
Open-Air-Veranstaltungen im Innenhof des Luitpoldbads, der „Kissinger Kabarettherbst“ und der „Kissinger Winterzauber“ runden das Kulturprogramm ab. Ein besonderes Highlight ist das Rakoczy-Fest Ende Juli.
Dann verkörpern Einheimische in historischen Gewändern berühmte Gäste von einst und flanieren durch die Gärten und Parks – damit wird an die Wiederentdeckung der Rakoczy-Heilquelle im Jahr 1737 erinnert, der Bad Kissingen im Endeffekt seinen Status als Kurbad von Welt verdankt.
Manche Darsteller sind seit Jahrzehnten dabei, darunter Peter Krug, der mit weißem Rauschebart, Amtskette und Uniform einen wundervollen Prinzregenten Luitpold abgibt. Begonnen hat er einst als dessen Sohn Ludwig III., jetzt steht er im prachtvollen Rossini-Saal, breitet die Arme aus wie ein König bei der Ansprache zu seinem Volk und schmunzelt: „In die Herrscher-Rolle bin ich mit der Zeit so hineingewachsen.“
Spaziergang unter alten Bäumen
Grüne Flanierzonen besitzt Bad Kissingen reichlich: Entlang der Saale führt ein Spazierweg hinauf zum Gradierbau, den der Kurort der einstigen Salzproduktion verdankt. Noch heute rieselt hier Sole über die Schwarzdornbüschel an der Holzkonstruktion. Dies schafft ein Mikroklima, das dem der Nordsee ähnlich ist und günstig auf die Atemwege wirkt.
Neben dem barocken Kurgarten und dem Rosengarten lädt der ausgedehnte Luitpoldpark zu Spaziergängen unter alten Bäumen ein. Im dortigen „Klanggarten“ ertönt mehrmals am Tag sphärische Musik, im Barfußlabyrinth oder in der Kneipplandschaft kann man die Abwehrkräfte stärken.
Waldbaden und Thermenwelt
Im Sommer wird mehrmals im Monat Waldbaden als präventive Gesundheitsmaßnahme angeboten, verbunden mit Elementen der Achtsamkeit, Meditation und Atemübungen. Wer mag, nimmt an geführten Stadttouren mit dem „Nachtwächter“ oder „Badkommissar“, an Wanderungen oder Radtouren ins Umland teil. Oder verbringt einen langen Nachmittag in der großzügigen Wasser- und Saunalandschaft der KissSalis-Therme.
Eine verborgene Oase der Ruhe nur ein paar Schritte abseits des Kurbetriebs ist der stille, romantische Schmuckhof im Regentenbau. Inmitten seiner Statuen und Illusionsmalereien kann man sich dort vom Kuren und Flanieren erholen.
Mehr Ideen und Tipps
Pack ma's-Listicle: 13 Erlebnisse, die man in Franken keinesfalls verpassen sollte