Das mit 70 Grad wärmste Thermalwasser Mitteleuropas sprudelt aus dem Untergrund des ländlich-charmanten Bad Birnbach. Das heiße Nass der „Rottal Terme“ ist wohltuend für Gelenke und Muskeln und damit idealer Abschluss von knackigen Radtouren durch die Rottaler Hügellandschaft
Bad Birnbach: „Rottal Terme“ und Radtouren
Ahhhh, das tut gut! Der kräftige Strahl der Wasserdüsen massiert die Waden. Das Wasser im sogenannten Bewegungsbecken der „Rottal Terme“ ist wohlige 34 Grad warm. Danach sind Oberschenkel und Rücken dran – herrlich! Zu guter Letzt geht es für Nacken und Schultern ins Kaskadenbecken, in dem von einer Säule 36 Grad warmes Wasser herabprasselt. Wie die unerbittlichen Hände eines Masseurs lockert es die Muskeln. So werden müde Radler wieder munter. Doch der Reihe nach …
Bad Birnbach liegt im Tal der Rott, gut 40 Kilometer südwestlich von Passau. Der alte Ortskern schmiegt sich an einen Hügel, auf dem die liebevoll renovierte Pfarrkirche Maria Himmelfahrt thront. Unterhalb ist ein neuer Marktplatz entstanden. Rechteckig angelegt, mit weiß verputzten Häusern, Arkaden, Läden und Cafés, strahlt er einen Hauch von Süden aus.
Der Ort mit 6.000 Einwohnern liegt in einer der sonnenreichsten Regionen Deutschlands, weshalb man die „Rottal Terme“ auch in italiano ohne „h“ schreibt. Mit Bad Füssing und Bad Griesbach – die Umgebung der beiden Orte haben wir im letzten Magazin in einem Oldtimer erkundet – bildet Bad Birnbach das bekannte Niederbayerische Bäderdreieck.
Knackige Anstiege, lange Abfahrten
Bad Birnbach ist Start- und Endpunkt für zahlreiche Radtouren. In der Rottaler Hügellandschaft finden Genussfahrer, Rennradler und Mountainbiker flache wie anspruchsvolle Touren mit Steigungen und langen Abfahrten. Die Routen führen über kleine Straßen, Rad- und Forstwege, aber auch mal über eine Wiese.
Wir haben uns die sogenannte Bruder-Konrad-Tour ausgesucht, eine Runde, die größtenteils südlich des Badeortes verläuft. Sie ist gut 50 Kilometer lang und birgt, so die Beschreibung, „knackige Anstiege“. Aber kein Problem, wir gönnen uns etwas elektrischen Rückenwind. Schließlich geht es um den Radelgenuss, nicht um Höchstleistungen …
Wir, das sind zwei Frauen und vier Männer, starten an einem Morgen im Mai im Kurpark von Bad Birnbach. Die Wetteraussichten sind passabel. Radguide Fritz – in signalgelber Windjacke, mit gelbem Helm und Rucksack und wettergegerbten, strammen Waden – hat sein Berufsleben schon hinter sich, ist aber drahtig und fit wie ein Junger. Wohl dank des gesunden Birnbacher Klimas, aber auch weil er sein Leben lang sportlich aktiv war.
Heiß, heißer, Chrysanti-Quelle!
Nach wenigen Metern stoppt Fritz an einem Tempelchen mit blauen Säulen. Drei dösende Löwen aus rotem Marmor bewachen einen Brunnen. „Der Brunnen wird gespeist von der Chrysanti-Quelle, sie ist unsere größte Quelle“, erklärt der Guide, „die zweite, kleinere heißt Konrad-Quelle. Der Brunnen wurde 1986 zum zehnten Geburtstag der Terme errichtet.“
Ende der 1930er-Jahre war man bei der Suche nach Erdöl auf Thermalwasser gestoßen, hatte das Bohrloch aber wieder verschlossen. Erst 1973 erfolgte eine neue Bohrung, dann ging es aber schnell: 1976 wurde das Thermalbad eröffnet. „Das Wasser kommt aus einer Tiefe von gut 1.600 Metern und ist 70 Grad heiß. Es ist das heißeste Thermalwasser in Mitteleuropa!“, so der Guide. Feiner Dampf steigt aus dem Brunnen auf in die frische Morgenluft…
Über die Hügel der Bayerischen Toskana
Weiter geht’s an die Rott. Der gut 100 Kilometer lange Fluss entspringt bei Vilsbiburg und mündet südlich von Passau in den Inn. Auf der Brücke, die wir überqueren, erinnert eine Statue aus rostrotem Stahl an den heiligen Chrysanthus, den Namenspatron der Quelle. Die Gebeine des römischen Heiligen gelangten 1695 nach Birnbach und ruhen in einer hübschen Rokoko-Kapelle der Pfarrkirche.
Dann geht es auf einem Forstweg die Rott flussaufwärts durch üppig grünen Auenwald. Vögel zwitschern, ein Kuckuck ruft in der Ferne. Das leicht gekräuselte Wasser glitzert in der Sonne. Hohe Gräser wogen im Wind, der kräftig auffrischt.
Scharfer Richtungswechsel nach Süden. Die 14 Prozent Steigung hinauf Richtung Neudeck geben einen Vorgeschmack auf das Rauf-und-runter, das uns in den Hügeln erwartet. Nicht umsonst nennt man den Landstrich zwischen Donau und Inn auch Bayerische Toskana!
Wo kommt denn das Krokodil her?
Bei Asenham zieht auf offenem Feld ein markanter Felsbrocken die Blicke auf sich. Wie der Kopf eines riesigen Krokodils lugt er aus dem Boden. Wind und Wetter haben den tonnenschweren Brocken modelliert.
In vielen Dörfern der Region scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, das Leben ein, zwei Gänge langsamer zu verlaufen. Gelegentlich fallen architektonisch fragwürdige Neubauten auf, aber man sieht auch alte Holzhäuser in traditioneller Bauweise.
Eine Frau pflegt am Straßenrand eine kleine Kapelle, schmückt sie mit Blumen. „Bei uns gibt es viele Kapellen“, sagt Fritz, „oft hat ein Bauer, wenn er von einer Krankheit genesen ist, aus Dankbarkeit eine Kapelle errichtet.“
Ein schönes Beispiel für diese Volksfrömmigkeit ist die alte Hofkapelle, die „Lourdeskapelle“, in Hoisching. Der grottenartige Raum mit Gewölbe und großer Marienfigur wurde direkt ins Gebäude eines Bauernhofs integriert, aber man kann sie besichtigen.
Bauernmarkt und Alpenblick
Der Marktflecken Kößlarn, etwa 15 Kilometer weiter, besitzt einen hübschen, denkmalgeschützten Marktplatz sowie einen seltenen Schatz: die vollständig erhaltene mittelalterliche Wehr- und Wallfahrtskirche Heiligste Dreifaltigkeit.
Kompletter Mauergürtel, überdachte Wehrgänge mit Schießscharten, zwei Tore, spätgotische Kirche, Turm mit Zwiebelhaube – alles da und in bestem Zustand. Einzigartig in ganz Süddeutschland!
Heute ist Bauernmarkt. Am Straßenrand werden Gemüse, Obst, Brot, Wurstwaren angeboten. In einem Holzschuppen gibt’s Kuchen, Schmalzgebäck und Kaffee. Drei ältere Herren mit Gitarre, Akkordeon und Klarinette spielen auf und sorgen mit „La Paloma ade“ für eine Brise Seefahrerromantik.
In Rottalmünster passieren wir die Marktstraße mit ihren bunten Häuserfassaden. Nach erneuter Kletterpartie ist der südlichste Punkt der Tour erreicht. Ein Aussichtspunkt lädt zum Fernsehen ein. Der Himmel ist bewölkt, dazwischen blitzt strahlendes Himmelblau hervor.
Der Blick nach Süden reicht weit über Wiesen und Wälder und über das Inntal bis zu den Alpen. Im Dunst sind zu erkennen: Dachstein-Gruppe, Tennengebirge und Berchtesgadener Alpen.
Heiliger Konrad, hilf!
Die Fahrt zurück nach Norden führt zunächst zur frühbarocken Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung zu Langwinkl und erreicht in Parzham, östlich von Bad Birnbach, das Geburtshaus von Bruder Konrad, dem Namensgeber unserer Radtour.
Es ist ein mächtiges, mit handgeschlagenen Holzbalken erbautes Bauernhaus und Teil eines Rottaler Vierseithofs. Die Balkone sind dekorativ mit Geranien geschmückt. Ein echtes Bilderbuchszenario!
Johannes Birndorfer wurde in diesem Haus 1818 geboren. Als junger Mann verzichtete er auf sein reiches Erbe und trat in das Kapuzinerkloster in Altötting ein. Dort versah er als Bruder Konrad 41 Jahre lang das Pförtneramt. Die Menschen verehrten ihn schon bald wegen seiner großen Hilfsbereitschaft und Bescheidenheit.
Konrad starb 1894, er wurde 1934 heiliggesprochen. Geburtszimmer und Schlafkammer sind unverändert erhalten. Die übrigen Räume spiegeln mit Mobiliar und Objekten das Leben von damals wider. Noch heute besuchen viele Menschen den Konrad-Hof oder wallfahrten hierher. Bei Kinderwunsch soll die Fürsprache Konrads beim Allerhöchsten sehr erfolgreich sein, so erfolgreich, „dass der liebe Gott die Wünsche auffallend oft mit Zwillingsgeburten erfüllt!“, wie der Betreuer des Hauses, August Dunkl, verrät.
Flüssiger Bodenschatz
Ob in Sachen Nachwuchs auch das Heilwasser der „Rottal Terme“ hilft, ist nicht bekannt. Erwiesen ist allerdings die positive Wirkung, die das fluoridhaltige Natrium-Hydrogencarbonat-Chlorid-Thermalwasser auf Gelenke und Bewegungsapparat sowie gegen Rheuma ausübt.
„Dieses Wasser hilft gegen Rheumatismus und Pessimismus“
Die medizinischen Behandlungen mit dem hoch mineralisierten Heilwasser können chronische Schmerzen und auch Stress lindern. Oder wie es Viktor Gröll, Leiter der Kurverwaltung, auf den Punkt bringt: „Dieses Wasser hilft gegen Rheumatismus und Pessimismus.“
Das Thermalwasser ist bis zu 12.000 Jahre alt. Geologen sprechen von fossilen Wassern. „Man sollte sich bewusst sein, dass man in unserem Thermalwasser in etwas Wertvollem badet, das man nicht überall bekommt. Das ist ein echter Bodenschatz!“, so Viktor Gröll weiter. Das Wasser der „Rottal Terme“ wird permanent ausgetauscht, man hüpft also jeden Tag in frisches Thermalwasser.
Therapie, Sauna oder Spaßbad
Den Kur- und Tagesgästen stehen in der Terme über dreißig verschiedene Heilwasserbecken und Attraktionen zur Verfügung, verteilt auf drei Bereiche: Im Therapiebad finden medizinische Anwendungen statt. In der Thermenwelt, dem Vitarium, nimmt man eine entspannte Auszeit im warmen Heilwasser und vergnügt sich unter Kaskaden, an Sprudeln, Schwallbrausen und Düsen.
Man schwebt in der Salzwasserlagune, lässt sich im Thermenbach von der Strömung treiben, relaxt auf Liegen im großen Garten oder in einem der Ruheräume. Auch eine Wellness- und Kosmetikabteilung gibt es.
Und als dritter Bereich bringt die mit fünf Sternen ausgezeichnete Saunawelt Gäste auf vielfache Weise zum Schwitzen – in der Lehm-, Kräuter- oder Zirbensauna.
AGES: Gib dem Stress keine Chance!
In Bad Birnbach wurde in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München auch eine von allen deutschen Krankenkassen zugelassene Kompaktkur entwickelt: AGES – Aktiv gegen Erschöpfung und Stress. Diese Stress-Präventionskur steht ebenfalls als Privatangebot zur Verfügung.
„Bei einem 14-tägigen Erstaufenthalt erfährt man alles über Bewegungs- und Entspannungstechniken und übt diese praktisch“, erklärt Viktor Gröll. Weitere Elemente sind Gesprächstherapie und klassische Anwendungen, darunter Naturfango oder Massagen. „Nach einem halben Jahr werden die Themen in einer einwöchigen Kur nochmals aufgefrischt“, so der Leiter der Kurverwaltung.
Eine Auffrischung haben sich heute auch unsere Radlerbeine verdient. Und die machen sich jetzt auf den Weg ins Vitarium. Die Massagedüsen warten schon.