Seit über 70 Jahren erfreut die Augsburger Puppenkiste mit ihrem Marionettenspiel Jung und Alt aus aller Welt. Theaterchef Klaus Marschall hat uns mehr dazu erzählt
Augsburger Puppenkiste
Der Kistendeckel öffnet sich, der Vorhang geht auf: Eine Frau schüttelt ihr Bett auf und es beginnt zu schneien. Jedes Kind im Publikum kennt ihren Namen. Wann wird „Frau Holle“ die fleißige Schwester mit Gold überschütten und die faule zur Strafe mit Pech? Die jungen Zuschauer fiebern gebannt mit.
Früher wie heute weltbekannt
„Den Namen 'Puppenkiste' hatte sich mein Großvater ausgedacht, weil er ein transportables Theater erschaffen wollte, eine Kiste, aus der heraus man überall spielen konnte“, erklärt Klaus Marschall, der den Familienbetrieb nach seinem Großvater Walter Oehmichen und seiner Mutter in der dritten Generation leitet.
Die Anfänge der Augsburger Puppenkiste gehen auf das Jahr 1943 zurück. Während des Zweiten Weltkriegs baut der Augsburger Schauspieler und Puppenfan Walter Oehmichen sein erstes eigenes Theater für Marionetten, den „Puppenschrein“. Dieser besteht aus einem einfachen Türrahmen und einem Tisch, der als Bühne dient.
Nachdem der „Puppenschrein“ bei einem Bombenangriff ein Jahr später zerstört wurde, reift in Oehmichen die Vision von einem größeren und fortschrittlicheren Spielhaus.
Im Februar 1948 ist es so weit: Er gründet die Augsburger Puppenkiste, das wohl bekannteste Puppentheater der Welt, mit Sitz im früheren Heilig-Geist-Spital im Herzen der Augsburger Altstadt. Seit über 70 Jahren prägt sie die Stadt Augsburg. Für Einheimische und Gäste ist die Augsburger Puppenkiste längst bayerisches Kulturgut.
Vorhang öffne dich!
Von „Jim Knopf“ über „Das Urmel aus dem Eis“ bis hin zu „Kater Mikesch“ – die Stars des Puppentheaters flackern in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren über deutsche Fernsehbildschirme und begeistern Kinderherzen.
Vor Ort im Puppentheater im Heilig-Geist-Spital in Augsburg füllen dagegen Figuren aus bekannten Märchen und Erzählungen das Nachmittagsprogramm, „Rumpelstilzchen“ etwa oder „Der kleine Prinz“.
Gekonnt werden die liebevoll gestalteten Marionetten über die Bühne unter den Jochbögen der ehemaligen Kapelle geführt, so lange, bis sich der Kistendeckel wieder schließt, das Markenzeichen der Augsburger Puppenkiste.
Neben den Kindervorstellungen am Nachmittag gibt es auch ein Abendprogramm für Erwachsene. Das Puppentheater spielt etwa 400 bis 420 Vorstellungen pro Jahr. Während Tourneen kommen noch einmal 100 bis 120 Auftritte dazu.
Eine Neuinszenierung hat eine Vorlaufzeit von mindestens einem Jahr. Vom Autor über den Regisseur und Bühnenbildner bis hin zum Puppenbauer – das künstlerische Ensemble des Puppentheaters besteht aus sechzehn höchst kreativen Köpfen, die jeden Handgriff exakt aufeinander abstimmen.
„Jeder Puppenspieler ist auch Schauspieler“
Eine Kunst für sich
Kommt ein Stück auf die Bühne, schlägt die Stunde der Marionettenspieler: „Jeder Puppenspieler ist gewissermaßen auch Schauspieler – nur mit anderen Mitteln: Er hat nicht seine eigene Mimik und Gestik, sondern ein Spielkreuz mit zehn Fäden, über das er seiner Figur einen Charakter verleiht und Emotionen ausdrückt“, so Klaus Marschall.
Für den Umgang mit Marionetten, die übrigens jahrelang von seiner Mutter Hannelore Marschall geschnitzt wurden, die im Alter von 13 Jahren ihre erste Figur schuf, benötigt man ihm zufolge nicht nur Fingerfertigkeit, sondern auch jahrelange Übung.
Die Stars der Augsburger Puppenkiste sind weit bis über die Landesgrenzen hinaus bekannt. In einer Dauerausstellung im hauseigenen Museum „die Kiste“ können Gäste sie noch heute aus nächster Nähe bewundern und in Erinnerungen schwelgen.
Auch vor schwerem Stoff haben Klaus Marschall und sein Team keine Scheu: 2018 feierte Richard Wagners „Ring der Nibelungen“ als zweistündiges Werk seine Premiere. Und mit dem Stück „Das kleine Känguru und der Angsthase“ nach dem Buch von Jugend- und Kinderautor Paul Maar tourt man durch Kinderkliniken, um den jungen Patienten Spaß und Mut zu machen.