Eine Kuh macht Muh, viele Kühe machen Mühe! Das gilt erst recht, wenn sie am Berg betreut und gemolken werden. Doch die Arbeit lohnt sich. Denn die Kühe auf den Almen tragen zum Arten- und Naturschutz bei. Außerdem liefern sie Milch und Käse in bester Qualität
Höchstleistung auf höchster Weide
Schon eine ganze Weile stapfen die Wanderer durch den Wald. Steil führt der Weg bergauf. Endlich machen die Bäume Platz für den Blick auf das offene Weideland einer Alm. Kuhglocken bimmeln. Mitten im Grünen steht eine Herde Kühe – und eine mit Geranien geschmückte Almhütte. Da will man sich gleich an die einladenden Tische setzen und Pause machen. Am liebsten mit einem Glas Milch und einem leckeren Käsebrot.
So wie hier sieht es auf vielen Almen – die Allgäuer sagen „Alpen“ – aus. So nennt man die Sommerweiden im Gebirge fern von den Höfen im Tal. In Bayern gibt es sie seit drei Jahrtausenden, seit der Zeit der Kelten. Die hoch gelegenen Weiden wurden der Natur damals unter Mühen abgerungen, Wälder gerodet. Bergbauern bewirtschafteten die Flächen mit Weidevieh und pflegten sie. So entstanden unverwechselbare Kulturlandschaften.
Das Ideal: kleine Familienbetriebe, extensive Bewirtschaftung
Rund 10.000 Bergbauernbetriebe gibt es in Bayern und etwa 1.400 Almen respektive Alpen. Doch wann gilt ein Bauer als Bergbauer, ein Bauernhof als Bergbauernhof? Laut Europäischer Union (EU) sind das Höfe, deren Wiesen und Weiden über 700 Meter Meereshöhe liegen oder, wenn darunter, eine bestimmte Hangneigung aufweisen. Ehrlich gesagt, liegen nicht alle so hübsch wie oben beschrieben …
„Wir haben schon große Höfe in dieser Höhe gesehen, die intensive Landwirtschaft betreiben und sieben Mal im Jahr das Gras mähen. Da wächst kaum ein Kräutlein und schwirrt kaum ein Insekt herum“, berichtet Thomas Frey vom BUND Naturschutz in Bayern e. V. Wenn’s nach dem Experten ginge, wären „echte“ Bergbauern „kleine Familienbetriebe, die ihre Tiere artgerecht halten und nur zwei- bis dreimal im Jahr mähen. Auch setzen sie weder Gift noch Kunstdünger ein und bringen keine Gülle aus, sondern Mist“, so Frey weiter. Ihre Milch und ihren Käse verkaufen sie nur in der Region.
Bergbauern sorgen für Weitblick!
Bergbauernarbeit ist ein Knochenjob: Es müssen die Tiere auf die Alm getrieben, Zäune gebaut, die Wasserversorgung sichergestellt, Wander- und Lieferwege instand gehalten werden. Und klar: Es muss gemolken und oft auch gekäst werden. Und vieles mehr. Nicht zuletzt pflegen Bergbauern die Landschaft. Sie verhindern nämlich, dass der Wald die offenen Flächen zurückerobert – und Urlaubern die Aussicht versperrt.
„Ohne die Beweidung durch die Tiere würden die Flächen unserer Alpen verwuchern“, erzählt Armin Kling aus Obermaiselstein. Der Allgäuer betreibt seinen Bauernhof mit Ferienwohnungen in zwölfter Generation. „Sobald wir die Natur vernachlässigen, würde sich für uns alles ändern. Wir leben von ihr und mit ihr“, so der Bauer. Notfalls mähen die Bauern besonders steile Hänge sogar mit der Sense!
Artenvielfalt: vom Enzian bis zum Adler
Bergbauern, die wenig in die Natur eingreifen, fördern die Artenvielfalt. Ihre Almen sind häufig ein Mosaik aus kleinen Flächen und bieten unterschiedliche Standortbedingungen und damit Lebensräume für viele charakteristische Pflanzen wie Arnika, Bart-Glockenblume, Glocken-Enzian oder Berg-Nelkenwurz.
Auf einer Almweide in den Berchtesgadener Alpen wurden sogar mehr als 170 Pflanzenarten gefunden. Auf den Almflächen fühlen sich unter anderem auch Auer- und Birkhuhn, Kreuzotter, Schlingnatter und natürlich Insekten wohl.
Je mehr Kräuter, desto besser
Bei einer Alm-Brotzeit ist der Bergkäse der Star auf dem Teller. Doch was machen Milch und Käse von der Alm so besonders? Während die Kuh-Kolleginnen im Flachland meist mit Kunstfutter abgespeist werden, genießen Bergkühe Biokost vom Feinsten: pures Gras, frisch von der Almwiese gerupft, im Winter als Heu.
Und dieses Gras hat’s in sich, nämlich zig Kräuter, darunter kleine Braunelle, Flockenblume, Labkraut und weitere Leckerlis. Je mehr gesundes Gras die Kühe fressen, desto höher ist der Anteil an wertvollen ungesättigten Fettsäuren, an Vitaminen und Mineralstoffen in der Milch. Und desto besser schmeckt diese!
„Auch Jahreszeiten und Wetter fließen mit in die Milch ein. Diese natürlichen Faktoren spiegeln sich im Käse wider. Keiner ist wie der andere, es ist ein ‚lebendiges‘ Lebensmittel“, beschreibt Peter Haslach, Chef der Sennerei Gunzesried im Allgäu, seinen Bergkäse. Die Sennerei bezieht ihre Milch nur von Bergbauern aus dem Gunzesrieder Tal.
Noch etwas Gutes bewirken Braunelle und Co. im Kuhmagen: Forscher der Uni Kiel haben herausgefunden, dass kräuterreiche Kost den Methanausstoß der Kühe deutlich verringert! Gut fürs Klima!
Frisch auf der Alm oder frisch aus der Tüte
Die Milch von Bergbauern genießt man direkt auf der Alm oder von Molkereien aus dem Alpenraum. 400 Bergbauern zwischen Kochelsee und Waginger See liefern ihre Milch für die Käseprodukte von Bergader. Bei circa 800 Bergbauern zwischen Watzmann und Zugspitze holt beispielsweise die Molkerei-Genossenschaft Berchtesgadener Land die Milch ab. „Es sind meist kleine Betriebe mit durchschnittlich 27 Kühen, die häufig im Nebenerwerb und mit viel Handarbeit bewirtschaftet werden. Ihrer Arbeit haben wir es zu verdanken, dass unsere Almen so artenreich sind“, weiß Molkerei-Sprecherin Barbara Steiner-Hainz. Das „weiße Gold“ wird zu verschiedenen Milchsorten verarbeitet sowie zu Butter, Joghurt und mehr.
Eine besondere regionale Spezialität und von der EU geschützt ist der Allgäuer Sennalpkäse. Er ist unverwechselbar: kräftig, würzig, manchmal auch etwas rauchig. Die Milch geben Braunviehkühe, sie wird auf der Alpe nach traditionellen, handwerklichen Methoden verarbeitet. Ohne Chemie oder Gentechnik. Die Käselaibe werden von Hand gepflegt und reifen bis über vier Monate. Das schmeckt man … und wie!
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Milch ist nicht gleich Milch
- Almen/Alpen: Laut Bayerischem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wurden auf den circa 1.400 Almen in Bayern 2019 rund 53.000 Rinder „gesömmert“, davon 4.000 Milch- und Mutterkühe. Die Lichtweidefläche, das heißt baumfreie Flächen, betrug rund 37.000 Hektar, das entspricht 52.000 Fußballfeldern.
- Bergbauernmilch: Der Begriff ist gesetzlich nicht geschützt und beruht auf den Hersteller- bzw. Molkerei-Angaben. Für „Bergbauer“ gilt die Definition der EU: Er arbeitet ab 700 Meter Meereshöhe.
- Heumilch: Der Name ist EU-weit geschützt. Hauptmerkmal ist silagefrei erzeugte Milch, die Kühe fressen nur Gras und Heu.
- Alpenmilch: Marketingbegriff, den jeder Hersteller definiert, wie er will. Die Milch kann auch aus dem Voralpenland oder Flachland stammen, der Begriff sagt nichts aus über die Fütterung der Tiere.