Wir begleiteten Rangerin Theresa im Naturpark Nagelfluhkette zu zwergenhaften Baumgreisen, versteckten Wasserfällen, schneeweißen Traumlandschaften und bei der Suche nach dem Apollofalter. Text und Fotos: Dietmar Denger
Winter im Naturpark Nagelfluhkette
Von wegen stille Winterwelt im Allgäu: Aus dem Bergwald im Weißachtal piept und zwitschert es an diesem Morgen aus hunderten Schnäbeln. Der Neuschnee hält weder die hübsche Waldmeise noch den Rest der Vogelwelt davon ab, lautstark Paarung anzubahnen und Brut zu planen.
Im Talgrund, wo die Weißach sich tief in den Fels gefräst hat, umplätschert das Wasser tausendfach glitzernd kleine Bachinseln, auf denen fluffiger Schnee den Wasseramseln die Ruheplätze streitig gemacht hat.
Der Naturpark Nagelfluhkette ist der erste grenzüberschreitende Naturpark zwischen Bayern und Österreich und vereint die Gemeinden aus dem südlichen Allgäu und dem vorderen Bregenzerwald.
Vier Täler durchziehen den Park in West-Ost-Richtung, was in Balderschwang regelmäßig zu meteorologischen Sensationen führt. Zu behaupten, das Dörfchen sei schneesicher, ist fast schon eine Untertreibung. „Bayrisch Sibirien“ nennen die Balderschwanger ihre Heimat.
Perfekt nach Westen ausgerichtet, wirkt das Tal wie ein Trichter für Winterwolken, die sich am Riedberger Horn aufstauen und den Schnee rekordverdächtig entladen. Der liegt Mitte März noch einen halben Meter hoch und beschert vor allem den Langläufern Traumbedingungen. Nationalmannschaften trainieren hier, die Grenzlandloipe hinüber nach Vorarlberg ist Kult.
Wie die Raupen des Apollofalters Schnee finden, weiß man nicht. Wahrscheinlich ist er ihnen einfach schnurz. In Nischen kleiner Nagelfluhfelsen, die die Weidenflächen oberhalb des Dorfs tupfen, überwintert der Nachwuchs der seltenen Spezies und mampft dabei Weißen Mauerpfeffer, der dort bevorzugt wächst.
Mit den ersten warmen Sonnenstrahlen sind es dann diese Felsen, die als erstes schneefrei sind. Aufmerksam sucht Rangerin Theresa Hilber Zentimeter um Zentimeter ab, doch die nur wenige Millimeter großen Falter-Teenies lassen sich nicht blicken.
Auerhahn, Steinadler und Apollofalter
Auer- und Birkhuhn leben im Park, Steinadler oder der seltene Weißrückenspecht. Theresa hat es aber besonders der Schmetterling mit den markanten roten Punkten auf den schwarzweißen Flügeln angetan. Der Apollofalter hat bis zu sieben Zentimeter Spannweite und ist vom Aussterben bedroht. Er ist dringend auf die extensive Landwirtschaft angewiesen, weiß die Rangerin: „Das führt zu blütenreichen Wiesen mit Disteln als Saugpflanzen, die dem Schmetterling im Sommer Nahrung bieten. Würde die Bewirtschaftung aufgegeben, würden die Flächen verbuschen und der Falter verlöre seinen Lebensraum.“
Für Theresa ist die Arbeit als Rangerin ein Traumjob
Landwirtschaft mit Naturschutz in Einklang zu bringen, ist neben der Besucherlenkung eine der wichtigsten Aufgaben der vier Ranger im Naturpark. Für Theresa, Biologin mit Schwerpunkt Ökologie und Biodiversität, ist die Arbeit ein Traumjob.
„Im Laufe des Studiums wurde mir bewusst, dass ich mich nicht in der reinen Forschung sehe, sondern einen Job suche, der einen hohen Praxisbezug hat und möglichst draußen in der Natur stattfindet.“ Davon gibt es rund um die Nagelfluhkette jede Menge. Zum Beispiel einzigartige Baumsenioren: Bis zu 2.000 Jahre soll sie schon hier stehen, die alte Eibe von Balderschwang. Womöglich der älteste Baum Deutschlands. Am Südhang oberhalb des Dörfchens steht sie da, wirkt etwas zerzaust und für ein Gewächs biblischen Alters auffallend unauffällig.
Ihr Holz war andererseits ein begehrter Rohstoff für den Bogenbau, was das Schicksal der meisten Eiben besiegelte. „Daher ist es erstaunlich, dass die alte Eibe von Balderschwang diese lange Zeit überdauern konnte.“ Auch in Oberstaufen gibt es eine alte Eibe, sie ist etwa 800 Jahre alt und wächst unterhalb des Hochgrats. Dort gibt es den Weg der alten Bäume, wo sich ein Baumveteran an den nächsten reiht. Und dort sind sie auch deutlich höher.
Der Riedberg ist Deutschlands höchster Straßenpass. Auf 1.420 Meter Höhemacht sich am Parkplatz auf der Passhöhe eine Gruppe Schneeschuhgeher bereit. Kein Wunder: Die Bergwelt links und rechts der Straße ist atemberaubend schön und auch deshalb beliebt bei Wintersportlern. Nördlich vom Pass erhebt sich das Riedberger Horn, das, schneesicher bis in den Frühling hinein, bei Alpinskifahrern und Skitourengehern angesagt ist.
„Gleichzeitig ist es das Kerngebiet der bedrohten Birkhühner“, so Hilber. „Wir Ranger sind im Winter oft dort oben zur Besucherlenkung im Einsatz. In Gesprächen versuchen wir, die Wintersportler für die Belange der Natur zu sensibilisieren.“
Hilber ist überzeugt, dass der Freizeitspaß der menschlichen Besucher mit den Ansprüchen des schreckhaften Berg-Geflügels vereinbar ist, ohne dass Mensch oder Natur zu starke Einschränkungen haben. Große Hinweistafeln in den besonders sensiblen Gebieten machen zudem auf die Schutzzonen aufmerksam. Auch dafür ist das Ranger-Team zuständig.
Gunzesrieder Tal: Wasser-Marsch
Das Gunzesrieder Tal liegt mitten im Naturpark. Vom namensgebenden Bilderbuchdorf fingern gleich mehrere urige Täler in die Bergwelt. Ein beliebter Nagelfluh-Gipfel und gleichzeitig höchster Punkt ist der Siplinger Kopf. 1.746 Meter hoch, markant und bekannt durch die Siplinger Nadeln, hohe Felszacken unterhalb des Gipfels. Das Amphitheater aus Bergen betätigt sich eifrig als Wolkenfänger. Überhaupt, „Wasser prägt unseren Naturpark“, so Theresa.
„Wasser prägt unseren Naturpark“
„Wir befinden uns in einer sehr niederschlagsreichen Region und die Urgewalt des Wassers hat unsere Landschaft geformt und geprägt. In Form von Gletschern hat das Wasser die Landschaft modelliert, später formten schnelle Bergbäche Tobel und Wasserfälle und prägten dadurch das Landschaftsbild. Im Winter verwandelt der Schnee die Landschaft in ein stilles Winterwunderland.“
In der Tat, das zeigt sich auch an den Ostertaltobeln, die man im Winter nur in Begleitung der Ranger besuchen darf. Ganz still ist es dabei nicht: Wo sie noch nicht zu Eis erstarrt sind, ergießen sich kleine Wasserfälle rauschend in den weißen Winterwald.
Der Riedberg ist Deutschlands höchster Straßenpass. Auf 1.420 Meter Höhemacht sich am Parkplatz auf der Passhöhe eine Gruppe Schneeschuhgeher bereit. Kein Wunder: Die Bergwelt links und rechts der Straße ist atemberaubend schön und auch deshalb beliebt bei Wintersportlern. Nördlich vom Pass erhebt sich das Riedberger Horn, das, schneesicher bis in den Frühling hinein, bei Alpinskifahrern und Skitourengehern angesagt ist.
„Gleichzeitig ist es das Kerngebiet der bedrohten Birkhühner“, so Hilber. „Wir Ranger sind im Winter oft dort oben zur Besucherlenkung im Einsatz. In Gesprächen versuchen wir, die Wintersportler für die Belange der Natur zu sensibilisieren.“
Hilber ist überzeugt, dass der Freizeitspaß der menschlichen Besucher mit den Ansprüchen des schreckhaften Berg-Geflügels vereinbar ist, ohne dass Mensch oder Natur zu starke Einschränkungen haben. Große Hinweistafeln in den besonders sensiblen Gebieten machen zudem auf die Schutzzonen aufmerksam. Auch dafür ist das Ranger-Team zuständig.
Großer Alpsee: Biber mit Seeblick
Dort, wo all das Wasser zusammenkommt, beenden wir unsere Tour, bei Immenstadt am Naturparkzentrum Nagelfluhkette, auch als „AlpSeeHaus“ bekannt. Das liegt wunderschön am Großen Alpsee, dem größten Natursee des Allgäus. Oberhalb der Tourist-Info mit Naturpark-Café befindet sich eine kleine, aber feine Ausstellung über die Besonderheiten, die es in Naturpark zu entdecken gibt. Interaktiv und zum Anfassen, mit Mikroskopen und tollen Animationen.
Am Naturparkzentrum fällt die Wildnis mit der Tür ins Haus. Hier, am Zufluss der Konstanzer Ache in den See, jagen die Eisvögel, ruhen sich die Seevögel am Steg vor den Fischerhütten aus. Und auch ein mopsiger Biber hat unlängst den Ort als neue Heimat für sich entdeckt. Man kann es ihm nicht verdenken!
Info
Viele Themenwanderungen kann man, ausgerüstet mit den passenden Flyern, allein unternehmen. Darüber hinaus bieten die Ranger im Park regelmäßig spannende Exkursionen an.
Lust auf einen "Moonwalk" im Bayerischen Wald?
Video: Tourenplanung; sicher und naturverträglich unterwegs
Manfred Scheuermann und Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein verraten im Interview, wie man bei der Tourenplanung am besten vorgeht, was man alles im Gelände berücksichtigen muss, wo Gefahren durch Lawinen lauern und wie man sich schützt. Und nicht zuletzt, wie man sich als Tourengeher umweltverträglich und rücksichtsvoll verhält.