Aufnahme von der
Gott sei mein Zoigl!

Die Tirschenreuther Teichpfanne ist ein stiller Ort, an dem Geschichte und Genuss verschmelzen. Wer durch Europas größte zusammenhängende Teichlandschaft radelt, reist auch durch die Zeit. Zwischen alten Zisterzienserbauten und traditionsreichen Zoiglstuben, zwischen Natur und Kultur

Lesezeit: 15 Minuten

Radroute „Erlebniswelt Zoigl und Fisch“ im Land der 1.000 Teiche

„Gott sei mein Zoigl!“ Mit diesem nicht ganz ernst gemeinten Stoßgebet auf den Lippen beginne ich, in die Pedale zu treten. Wir sind auf mehreren Etappen der Radroute „Erlebniswelt Zoigl und Fisch“ unterwegs. Sie verbindet Fischgenuss und frisch gezapftes Zoigl-Bier zu Stationen einer Reise durch das Stiftland.

4.700 Teiche gibt es im Landkreis Tirschenreuth, und das seit fast 1.000 Jahren. Im Jahr 1133 betraten die Zisterziensermönche dieses sumpfige, für den Ackerbau ungeeignete Land. Sie machten aus der Not der wasserundurchlässigen Böden eine Tugend und wurden zu Meistern der Fischzucht.

So entwickelten sich die Teiche zu einem Symbol der Schöpfungskraft und des Willens der Klosterbrüder, die Natur nach ihren Vorstellungen zu formen. Seitdem glitzern in der Tirschenreuther Teichpfanne wie auch rund um Schwandorf heute noch über 14.000 Teiche und Weiher.

Blick von oben auf die mosaikartig angelegten Teiche der Tirschenreuther Teichpfanne

Erstes Ziel: Knopfstadt Bärnau

Auf einer großen Karte der „Oberpfälzer Radl-Welt“ ist unser erstes Ziel, Bärnau, markiert. „Wir folgen einer alten Bahntrasse, einer sogenannten Vizinalbahn“, erklärt Begleiterin Stephanie, die für das Tourismuszentrum Oberpfälzer Wald arbeitet. „Das waren Kleinbahnen, die Ortschaften abseits der Hauptstrecken miteinander verbanden. Wirtschaftlich war die Bahn für Bärnau wichtig, das früher eine Hochburg der Knopfindustrie war. Von hier wurden die Perlmutt-Knöpfe in die Welt geschickt.“

Wir rollen auf dem ehemaligen Bahndamm entlang. Mischwald im Wechsel mit gelb leuchtenden Rapsfeldern. Der Weg ist schnurgerade und geteert. Die Motoren der E-Bikes machen die Tour zu einer Genussreise.

Es ist eine Genusslandschaft auch für Kormorane und Reiher

Kurz vor Bärnau legen wir einen Zwischenstopp ein. Alfred Stier betreibt dort mit seinem Sohn Josef eine der größten Binnenfischereien Deutschlands. „Wir versuchen hier, nachhaltige Kreisläufe zu schaffen“, erklärt Josef mit jugendlicher Leidenschaft den Betrieb. „Die Fische bekommen unter anderem selbst gezüchtete Insektenlarven als Futter. Diese Larven ersetzen konventionelle Futtermittel. Es ist der Versuch, noch umweltschonender und unabhängiger zu produzieren.“

In Josefs Teichen treffen moderne Technik und uralte Traditionen aufeinander. Es ist eine Genusslandschaft auch für Kormorane und Reiher, die sich zu unserer Begeisterung immer wieder direkt vor uns sattgefressen in die Luft schwingen. Wir finden die großen Vögel beeindruckend. Josefs Begeisterung hält sich in Grenzen.

Die hungrigen Vögel, die bis zu 500 Gramm Fisch pro Tag verzehren, stehen nicht auf seiner Kundenliste. Wir folgen ihrem Flügelschlag zurück auf den Vizinalbahnradweg, um in Bärnau einzukehren und den gerade begutachteten Karpfen im Gasthof „Zur Post“ zu probieren.

Josef Stier vom Fischereibetrieb Stier mit Fischernetz am Fischteich im Oberpfälzer Wald
Spiegelkarpfen aus der Tirschenreuther Teichpfanne

Geschichtspark Bärnau-Tachov: Wohnen wie im Mittelalter

Als Nächstes steht der Geschichtspark Bärnau-Tachov auf dem Programm, das größte archäologische Freilichtmuseum Süddeutschlands. „Die Idee ist, Geschichte nicht nur sichtbar, sondern auch lebendig zu machen“, erklärt Alfred Wolf, der Vorsitzende des Fördervereins.

In mehreren Zeitfenstern wird das Mittelalter vom 8. bis zum 15. Jahrhundert authentisch erlebbar. „Früher führte hier die Goldene Straße entlang, die Handelsroute zwischen Prag und Nürnberg. Wir zeigen, wie die Menschen vor Jahrhunderten lebten und arbeiteten.“ Ein Highlight ist die mittelalterliche Turmhügelburg, ein Nachbau aus dem 11. Jahrhundert.

Besonders faszinierend ist, dass Privatleute hier ausschließlich mit mittelalterlichen Werkzeugen und in Tausenden ehrenamtlichen Arbeitsstunden eigene Wohnhäuser errichten und so zu Teilzeitbewohnern dieser mittelalterlichen Stadt werden.

Mittelalterliche Anlage mit Aussichtsplattform im Geschichtspark Bärnau-Tachov
Die Gletschermühle auf dem Radweg Goldsteig im Waldnaabtal

Weiches Wasser gegen harten Granit

Wir machen einen kleinen Sprung und wechseln per Bustransfer ins Waldnaabtal. Im Naturschutzgebiet tanzen Insekten im Gegenlicht. „Für mich einer der schönsten Wegabschnitte der Radtour!“, sagt Sabrina, die uns hier begleitet. Hinter ihrer großen Sonnenbrille fröhlich funkelnd, tritt die gebürtige Oberpfälzerin, die auch für den Tourismusverband arbeitet, schwungvoll in die Pedale. 

Sabrinas ansteckendes Lachen übertönt fast die plätschernde Waldnaab. Frisches Grün an den Bäumen. Der Kies knirscht unter den Rädern. „Hier kann ich es rollen lassen und die Büro- gegen Waldluft eintauschen. Herrlich!“, Sabrina freut sich sichtlich, dass sie uns begleiten darf. 

„Die Waldnaab gräbt sich hier schon seit Jahrtausenden durch den Granit. Ein richtiger Canyon. Alles, was ihr hier seht, ist Granit. Das werdet ihr auch später in Falkenberg sehen. Da thront die Burg auf dem Granit.“ Wir kurbeln gemächlich weiter, vorbei an von Farn bewachsenem Waldboden, passieren Stromschnellen und weitläufige Bassins, in denen sich die Sonne im angestauten Wasser spiegelt.

Bei Falkenberg spuckt uns der Wald wieder aus, und wir halten Ausschau nach dem Zoigl-Stern, der uns den Weg zum „Hafnerkarl“ weisen soll. Zoigl kommt von Zeiger, der das fertige Bier ankündigt. Der Stern ist das Symbol einer alten Tradition, die in Falkenberg sorgsam bewahrt wird.

Burg Falkenberg mit dem Fluss Waldnaab im Vordergrund

Sebastian, der eigentlich Lehrer ist und aus Leidenschaft Wirt, erzählt: „Unser Zoigl wird noch genauso gebraut wie vor hundert Jahren: handwerklich und mit Zutaten aus der Region.“ Im gemeinschaftlichen Kommunbrauhaus wird gebraut, die Gärung erfolgt zu Hause.

„Ursprünglich hängte man den Stern raus, und dann kamen die Nachbarn ins Wohnzimmer zum Trinken. War das Bier leer, wanderte man zum nächsten Haus“, sagt Sebastian lachend. Beim „Hafnerkarl“ sitzt man in einer Gaststube, trinkt Zoigl aus einfachen Krügen und genießt die Geselligkeit.

An den Tischen mischen sich Touristen und Einheimische. Die Brotzeitplatten sind üppig mit Käse, regionalem Schinken und geräucherten Würsten belegt. Es ist eng. Es herrscht ein Gewirr von Stimmen. Es ist toll! Und das Zoigl-Bier ist süffig.

Neuer Teich für die Fischhofbrücke

„Also, die wunderschöne Fischhofbrücke, die stand auf dem Trockenen. Das muss man sich mal vorstellen! Wir haben uns ja regelrecht nicht sagen trauen, dass wir die überhaupt haben! Eine Brücke, die auf dem Trockenen steht?!” Gästeführerin Cornelia Stahl redet sich in Rage bei unserem Rundgang durch Tirschenreuth am nächsten Tag. Doch dann beginnen ihre Augen zu leuchten!

„Eine Brücke, die auf dem Trockenen steht?!”

„Aber mit den Mitteln der Gartenschau ist hier ein großer Teich neu angelegt worden. Bis 1808 war Tirschenreuth von 190 Hektar Teichen umgeben. Wir waren eine Stadt im Wasser. Nur die Altstadt ragte wie eine Insel aus diesem Teichgebiet heraus.“ Ganz so venezianisch geht es heute nicht mehr zu, aber zumindest die Fischhofbrücke hat wieder nasse Füße.

Wir teilen uns das Fischereimuseum mit einer Horde Grundschüler. So ähnlich stelle ich mir einen bis auf kniehohes Wasser abgelassenen Teich vor. Eine lebendige, vielköpfige Ansammlung an wuselnden Wesen, die um einen herumzappeln. Wir starren den Karpfen und Zandern im Aquarium stumm in die Augen. Sie starren stumm zurück. Wieso eigentlich „Teichpfanne“ und nicht „Seenplatte“? Hier im Museum lernen wir es: Ein Teich ist von Menschenhand geschaffen, ein See natürlichen Ursprungs.

Fischzüchter seit fünfzehn Generationen

Genug gelernt! In Kornthan treffen wir Familie Stock, die in fünfzehnter Generation ihren Fischereibetrieb führt. Wir dürfen probieren. Der Waller kostet Überwindung, hat aber sehr schmackhaftes, kompaktes Fleisch. Lachsforelle, geräuchert: immer ein Genuss! Karpfen, geräuchert: schmeckt! Verschiedene Fischarten im Mix als Frischkäse-Brotaufstrich: Die Herrin des Hauses hat sich selbst übertroffen!

Wie ist die Familie eigentlich zur Fischzucht gekommen? „Die Kurfürsten brauchten Geld, um Krieg zu führen. So sind die Vorfahren an die Teiche gekommen. Sie haben sie denen da oben abgekauft. Und nun sind wir eben seit ein paar Hundert Jahren Fischzüchter!“, sagt der Hausherr und verschwindet, als sei es das Normalste von der Welt, im windschiefen Bauernhaus, dessen Putz abbröckelt und nicht zählbare Schichten an uralten, übereinanderliegenden Farbaufträgen freilegt.

Zurück auf dem Radweg, diesmal mit Franz, einem weiteren aktiven Teichwirt und passionierten Mountainbiker. Links und rechts glitzernde Wasseraugen, von Schilf bewacht und von Libellen umflogen. Der Weg führt an der Waldnaab-Kapelle vorbei. Der kleine Andachtsort in Form eines modernen Kubus duckt sich zwischen die Teiche.

Dann ragen plötzlich die schlanken Eisenträger der Himmelsleiter in die Höhe. Wir steigen hinauf. Von dort oben ordnet sich die Welt neu: ein Mosaik aus Wasser, Licht und Spiegelungen, darüber ein idealtypischer weiß-blauer Himmel.

Franz deutet auf die gestaffelten Wasserflächen vor uns. „Erst wenn der untere Teich abgefischt ist, können wir den darüber liegenden ablassen. Und jeder dieser Teiche gehört einem anderen Teichwirt“, erklärt er. „Seit Jahrhunderten klappt das Abfischen, weil sich alle abstimmen. So etwas funktioniert nur, wenn alle miteinander klarkommen.“

Miteinander klarkommen ist ein gutes Stichwort für Zoigl und Fisch. Die kommen auch sehr gut miteinander klar. So beenden wir den Tag im „Adamhof“. Der Familienbetrieb serviert regionale Küche aus den umliegenden Wäldern, Höfen und Teichen. Wild und Zoigl kommen auch gut miteinander klar! Es muss ja nicht immer Fisch sein.

Und jetzt über die Grenze!

Am letzten Tag unseres Besuchs wollen wir Strecke machen. Vom Fachwerk-Marktplatz in Bad Neualbenreuth rollen wir frühmorgens los, die tschechische Grenze stets in Sichtweite. Martina Zanner, Projektmanagerin vom Netzwerk „Cisterscapes“ und bekennende Kilometer‑Sammlerin, tritt locker neben uns her. Ohne Motor!

„Die Zisterzienser haben Europas Landschaften mit Wasser und Stein modelliert. Hier könnt ihr das noch sehen.“ Ein kurzer Abstecher zur weiß getünchten Wallfahrtskirche Maria Loreto, die wie eine Krone im Nachbarland Tschechien auf einem Hügel sitzt.

Mittagessen bei den Zisterzienserinnen im Gästehaus St. Joseph: Fisch aus Kornthan, Kräuter aus dem Klostergarten, Stille in den Gängen. Danach führt uns Martina durch ihr „Freiluft-Archiv“: die üppige Stiftsbasilika, die geschnitzte Pracht der Stiftsbibliothek mit ihren feixenden Holzfiguren und weit draußen auf einer Kuppe die dreischiffige Dreifaltigkeitskirche Kappl, deren Grundriss ein Kleeblatt aus heiligen Geometrien ist. Zwischen den Stationen begleitet uns die Wondreb. Ihre Auen sind Schutzgebiet.

Blick auf das Kloster Waldsassen in der Abendsonne

Am Abend kehren wir im Gasthof „Prinzregent Luitpold“ ein. Es gibt grätenfreies Karpfenfilet. Bei dieser Waldsassener Erfindung werden die lästigen V-Gräten so fein zerteilt, dass sie einfach mitgegessen werden können.

Draußen sinkt die Sonne hinter die Dächer des Klosters, drinnen klingt unsere Reise in Zoigl-Bernstein und leisen Gesprächen aus, und die Zeit fließt – wie die murmelnde Wondreb – ganz gemächlich, nach unserem Takt.

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