Marc-André und RiA im Biergarten des Schlossbräukellers in Au in der Hallertau
Und du so?

Nordfriesischer Shanty-Chor trifft auf bayerische Rapperin. Klingt komisch? Ist es auch. Sprachbarriere? Von wegen! Musik verbindet auch das, was auf den ersten Blick voller Gegensätze scheint. Wir begleiteten das Zusammentreffen von RiA und den Stedesander Seevagabunden. Text: Ornella Rosaria Cosenza, Fotos: 60seconds.travel

Lesezeit: 11 Minuten

Bavarian Rap trifft Shanty-Chor

Mittagspause im Biergarten. Die Stedesander Seevagabunden aus dem nordwestlichsten Eck Deutschlands sind in Niederbayern zu Besuch. Es ist die Heimat von RiA. Sie ist als „Queen des Bavarian Rap“ für „PUSSiTiV Power Entertainment“ zuständig.

Sitzten in der „Klosterschenke Weltenburg“ die Jungs vom friesischen Shanty-Chor mit ihren blau-weißen Hemden und Matrosenmützen, sorgt das allein für Aufsehen. Erst recht, weil dazwischen RiA mit ihrer Jacke in grellem Neonpink und Leoprint-Body sitzt. Unterschiedlicher geht’s nicht. Da fragt man sich unwillkürlich: Wie verständigen sich RiA und die Jungs eigentlich?

Rapperin RiA beim Proben mit dem Shanty-Chor
RiA mit Marcel am Wattenmeer

Hä?! Von fremden Lauten und Zungenakrobatik

Am Abend treten RiA und der Shanty-Chor im Biergarten des „Schlossbräukellers“ in Au in der Hallertau auf. Dort werden die Jungs mit RiA auch Bayerisch singen. Vorher gab’s ein bisschen Nachhilfe. Da müssen sich Zungen verrenken und an fremde Laute gewöhnen – auf beiden Seiten.

„Die Jungs haben mich  aufgeklärt: Nee, dat is de Scheiße. Der Dreck, haben sie gesagt.“

Wochen vorher besuchte RiA den Chor im Norden: „Ich wurde dort in den nordfriesischen Dialekt eingewiesen. Wir haben den Hamborger Veermaster gemeinsam performt.“ Das ist ein Shanty auf Plattdeutsch, mit englischem Refrain.
So ganz ohne Übersetzung ging’s für die Rapperin nicht.

„Da gibt’s ganz viele Üs und Is … und dieses shiet. Ich wusst‘ erst gar nicht, was das ist! Ein Blatt? Die Jungs haben mich dann aufgeklärt: Nee, dat is de Scheiße. Der Dreck, haben sie gesagt.“ Und das Wörtchen Schiet, das kommt gar nicht selten vor im Veermaster: „Dat Deck weer vun Isen, vull Schiet un vull Smeer …“, auf Deutsch: Das Deck war aus Eisen, voll Dreck und voll Schmier.

Die Stedesander Seevagabunden in Nordfriesland
Kloster Weltenburg in Kelheim

Nordfriesische Antwort auf die Backstreet-Boys

Die Stedesander Seevagabunden sind Deutschlands jüngster Shanty-Chor. Durchschnittsalter: 30 Jahre. Der Älteste, Helmut, ist 83. Sie verstehen sich als die „nordfriesische Antwort auf die Backstreet Boys“, auch wenn ihr Publikum viel kleiner ist, sie keine sexy Dancemoves hinlegen und nicht alle Töne treffen. „Das sind herzliche Jungs, die nur unisono singen können. Erst dachtʼ ich: Geil, jetzt hamma an Chor, jetzt kömma zehnstimmig singen, und dann sagt Marc André, ,ne dat könnʼ die nichʼ, wir können nur eine Stimme‘“, erzählt RiA.

Sie sind ja auch keine professionellen Sänger. „Wir haben uns am 1. Januar 2016 aus einer Schnapsidee heraus gegründet“, sagt Marc André, Präsident des Chors. Alle üben verschiedene Berufe aus, vom Konditor bis zum Kinderarzt. „Die Geselligkeit und die Kameradschaft, das ist das Tolle daran.“ Dass sie nur einstimmig singen, ist wohl auch der Natur der Shantys geschuldet: Es sind Seemannslieder, die während der Arbeit auf den Schiffen gesungen wurden. Ein ebensolches Seemannslied stimmt der Shanty-Chor an, als es von Weltenburg mit einer Zille über die Donau bis nach Kelheim geht. Klar, Wasser, da fühlen sich die Jungs heimisch.

RiA und die Stedesander Seevagabunden auf der Donau

Same same, but different?

Nord trifft Süd, Plattdeutsch trifft auf Bayerisch und Chorgesang trifft auf Rap. Bei so vielen Kontrasten, gibt es da auch Gemeinsamkeiten? „Unsere Kultur ist heimatverbunden, ähnlich wie hier in Bayern“, sagt Marc André. „Des Bayerische is mehr dieses hau hau, mehr in der Kehle. Wenn oaner bayrisch red, könnt ma meinen, der is bsoffn. Friesisch is mehr gesungen“, meint RiA. Ob Friesisch oder Bayerisch, RiA und den Shanty-Chor vereint die Liebe zur Mundart.

Marc-André und RiA im Biergarten des Schlossbräukellers in Au in der Hallertau

Musik als universelle Sprache

Nachdem die Stedesander Seevagabunden Brezn, Bier und Berge kennengelernt haben, rückt der Auftritt näher. Die ersten Gäste treffen ein, RiA und die Friesen singen sich warm. Sie mit dem Mikro in der Hand, die Jungs mit einer Maß. Die Stimme will geölt werden. „Wir hoffen, dass wir uns nicht blamieren“, meint einer. Mit RiA sollen sie den bayerischen Rap-Song „Watschn Bamm“ sowie Seemannslieder performen.

„Musik is oa Sprach, de berührt und vereint“

Von wegen Blamage! Marc André punktet mit Witzen, die jedem Stand-up-Comedian Konkurrenz machen. Für RiA ist es ein Heimspiel, sie bringt die Leute so richtig in Stimmung. Am nächsten Tag postet RiA ein Bild und schreibt: „A einzigartige Aktion, wos uns über Sprachbarrieren hinaus gezeigt hat, wie stark eine Verbindung zu anfangs Wuidfremden innerhalb kurzer Zeit wern kann und dass Musik oa Sprach is, de berührt und vereint.“ Musik als universelle Sprache. Ahoi und Prost!

Rapperin RiA bei ihrem Auftritt mit dem Shanty-Chor in der Hallertau
RiA und die Stedesander Seevagabunden

Mundartquiz Nordfriesisch - Bayerisch

Mundartquiz Bayerisch - Nordfriesisch

Bavarian Rap meets Shanty-Chor

Kulturaustausch zwischen Käse-Affineur Thomas Breckle und Käse-Macher Jan Dirk van der Voort

Und du so?

Gemäß dem Motto „same same but different“ schicken wir Bayern-Insider durch Friesland, die Niederlande, Tschechien und Italien. Dort treffen sie Kollegen und Gleichgesinnte, die ihren Beruf ebenso passioniert ausüben. Von den Treffen, dem Gedanken-, Knowhow- und Kulturaus​tausch und viel Spaß berichten wir mit Videos, begleitenden Storys und Podcasts.

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