Die Stadt im Bayerischen Wald ist ein west-östlicher Gesundbrunnen. Man kuriert mit Kuren und Treatments nach Kneipp ebenso wie mit Traditioneller Chinesischer Medizin. Das sahen wir uns genauer an
Bad Kötzting. Gut fürs Qi!
Ende Juli. Über Bad Kötzting spannt sich sommerlich blau der Himmel. Ruhig fließt der Weiße Regen durch die Stadt. Es ist acht Uhr morgens. Im Garten der Klinik für Traditionelle Chinesische Medizin, TCM, erwacht das Qi. Das heißt, es wird von Dr. Ma geweckt.
Das „Qi“ ist die Lebensenergie, die in Bahnen, den sogenannten Meridianen, durch den Körper strömt. „Qi“ lässt das Blut fließen und hält den Körper auf Trab. Atmung, Verdauung und Schwitzen. Qi ist auch die Quelle aller Energie im Kosmos – das, was die Welt im Innersten zusammenhält.
„Gong“ lässt sich übersetzen mit „Arbeit, Können“, „Qi Gong“ mit der „Fähigkeit, das Qi zu nutzen“ oder die „Arbeit an sich selbst“. Durch Qi Gong stärken Menschen ihr Qi, harmonisieren seinen Fluss. Das fördert die psychische Widerstandskraft und beugt Krankheiten vor. So die fernöstliche Theorie.
Lebenszentrum? Unter'm Nabel
Meister Ma, leger gekleidet in blauem T-Shirt und grauer Hose, stellt den CD-Spieler auf den Rasen. Sanfte Flötentöne. Ma blickt mit maskenhafter Miene auf einen imaginären Punkt. Langsam hebt er beim Einatmen die nach vorn ausgestreckten Arme, winkelt sie auf Höhe des Brustbeins an und legt die linke Handfläche auf den Rücken der rechten Hand.
Die Arme sind jetzt waagrecht, die Ellbogen zeigen nach außen. Beim Ausatmen sinken die Hände etwa zehn Zentimeter vor Brust und Bauch hinab, verharren eine Handbreit unterm Nabel – dort wo das Dan Tian, das Lebenszentrum des Menschen, im Körperinneren liegt. Dann wandern sie beim Einatmen wieder langsam hinauf.
Den Regenbogen bewegen
Nach dem Qi-Wecken beginnt der eigentliche Übungsreigen. Er heißt „Achtzehn Harmonien“. Mas Bewegungen sind elegant-geschmeidig, sein Körper gespannt wie ein mandschurischer Bogen. Atem, Bewegung und Meditation verbinden sich zu einer Einheit. Die rund zwanzig Patienten im Garten folgen dem Meister...
Mit sich biegenden Körpern oder schwingenden Armen, mit gespreizten Beinen oder im Ausfallschritt und vor allem in ihren Gedanken haben sie gut zu tun. Sie verrücken Regenbogen, schieben Wolken auseinander oder heben mit einer Hand die Sonne. Es boxen auch mal die Fäuste nach vorn, gaaanz langsam. Ein ikonisches Bild des Qi Gong. Das beruhigt allein schon, wenn man zusieht ...
Mao hat die TCM gerettet
„Unsere Klinik wurde 1991 eröffnet, sie ist die erste deutsche Klinik für Traditionelle Chinesische Medizin. Wir sind auch Universitätsklinik der TCM-Universität Peking und haben viele chinesische Mitarbeiter“, erzählt Professor Dr. Erich Wühr.
„Die Traditionelle Chinesische Medizin ist tausende Jahre alt“, so Wühr weiter, „ab dem 19. Jahrhundert eroberte die westliche Medizin China, nicht zuletzt dank ihrer Erfolge in der Seuchenbekämpfung.
1929 wurde die chinesische Medizin sogar verboten. Doch es gab zu wenig westlich ausgebildete Ärzte, um ein so großes Volk zu versorgen. Man brauchte die TCM einfach. Mao hat deshalb ab 1949 die chinesische Medizin der westlichen gleichgestellt. Heute gehört zu jedem Krankenhaus in China eine TCM-Abteilung!“
Blockaden des Qi lösen
Die Grundlage jeder Naturheilkunde ist es, die Selbstheilungskräfte des Körpers anzuregen. Doch ist das Kind einmal in den Brunnen gefallen, sprich, kommt es zu Blockaden des Qi-Energieflusses, können Funktionsstörungen von Organen wie Leber oder Blase und Schmerzen die Folge sein. Da hilft nur: das Qi wieder flottmachen. Die Chinesen haben dafür mehrere Methoden.
Wiedersehen mit Dr. Ma. In seinem Klinikzimmer behandelt er eine Patientin mit einer Qigong-Technik: Als ob Pianostar Lang Lang mit gespreizten Fingern einen Akkord anschlagen würde und ihn lange anhielte – so „spielt“ Dr. Ma auf dem Rücken der liegenden Patientin.
Er drückt seine Fingerkuppen fest auf Meridianstellen abwechselnd auf Bauch, Brust, Schlüsselbein und Knie. Dabei hält er minutenlang den Druck aufrecht. Diese Technik regt den Qi-Fluss an und es geht heilende Energie vom Therapeuten auf die Patientin über.
Die Massage-Reibungen erzeugen enorme Hitze
Reibungshitze und Nadelspitze
Einen weiteren „Qi-Turbo“, die Tuina-Massage („Reiben und Schieben“), demonstriert Dr. Yu. Er massiert verschiedene Punkte und Körperareale mit dem Handrücken oder legt die Hand auf, um Energieblockaden zu lösen. Die Massagereibungen erzeugen eine so große Hitze, dass zum Schutz vor Verbrennungen über den Körper der Patientin ein Laken gelegt wird.
Die Akupunktur ist wohl die berühmteste Heilmethode. Die feinen Nadeln können zentimetertief in die Haut eindringen, Dr. Yu setzt sie je nach Beschwerden auf die „springenden“ Meridianpunkte. Besonders an den Zehen oder Händen kann das allerdings weh tun und dem Probanden ein „Autsch“ entlocken.
Froschlöffel und Cheopstränen
Es gibt kaum ein Leiden, gegen das kein Kraut gewachsen ist. Die gesunden Pflanzensäfte sind das zentrale Element der TCM, die Natur-Apotheke ist die Herzkammer der Klinik.
Der getrocknete Schatz lagert in einem Kellerraum. Es riecht darin intensiv erdig-würzig, mit leicht exotischer Note. In großen Metallschränken mit zig Schubladen werden Bestandteile von mehr als zweihundert verschiedenen Pflanzen aufbewahrt. Blüten, Blätter, Wurzeln, Rinden, Früchte. In verschiedenen Brauntönen, aber auch in Ocker, Gelb oder Rot, als Pulver, Granulat, Stängel oder in Scheiben.
Botanischer und chinesischer Name auf den Schubfächern geben Auskunft über den Inhalt. Beispielsweise steht da Alismatis Rhizoma/Ze Xie („Gewöhnlicher Froschlöffel“), Poria/Fu Ling („Kokospilz“) oder Coicis Semen/Yiyiren („Cheopstränensamen“).
Die Pflanzen werden aus China importiert. Nach Anamnese, Zungen- und chinesischer Pulsdiagnose entwirft Prof. Dai und sein Team für jeden Patienten eine individuelle Mixtur, bestehend aus bis zu fünfzehn verschiedenen Kräutern. Täglich wird daraus pro Patient ein frischer Sud („Dekokt“) gekocht, zweimal am Tag zu trinken. „Schmeckt nicht immer sehr angenehm, aber mir hat’s geholfen“, wie eine Patientin meint. Bei Arthrose und Rheuma gibt’s den Kräutersaft als Umschlag.
Stolzieren statt Schlurfen
Es ist Nachmittag geworden in Bad Kötzting. Hitze liegt über dem Kurpark Auwiesen. Ein Storch steuert mit kräftigem Flügelschlag sein Nest auf dem Rathaus an. Was er sich wohl denkt, als er unten die Menschen sieht, wie sie im Storchengang durch ein Wasserbecken staksen?
„Man könnte auch nur durchs Wasser schlurfen“, räumt Bettina Pritzl lächelnd ein. Sie ist Geschäftsführerin des Kneippvereins. „Aber der Storchengang hat zwei Benefits. Zum einen sorgt die Verdunstungskälte bei jedem Beinanheben für zusätzlichen Reiz, zum anderen der hydrostatische Druck, wenn man das Bein wieder ins Wasser taucht.“ Dabei muss das Wasser nicht eiskalt sein, kühl genügt, also deutlich unter der Hauttemperatur, am besten unter 18 Grad.
Eine Stunde Pause zwischen Wassertreten und Armbad
Frau Pritzl begutachtet die Kneippanlage im Park, die generalüberholt wurde. Zwei Armbecken, zwei Fußbecken, zwei Fußschaukelbänke und ein Barfußweg laden zum Kneipp-Schnuppern ein. Sogar einen stummen Diener zum Ablegen von Kleidung gibt es. Weiterer Tipp der Gesundheitstrainerin: „Zwischen Wassertreten und Armbad – da genügen jeweils wenige Minuten – sollte man eine Stunde Pause einlegen und dem Körper Zeit geben, auf die Reize zu reagieren.“
Diese aktivieren nach Kneipp das Immunsystem und regen Kreislauf, Durchblutung und Stoffwechsel an. Und stärken letztlich die Selbstheilungskräfte des Körpers. Und die haben es gut in Bad Kötzting, schließlich verfügt das staatlich anerkannte Kneippheilbad über ein umfassendes Angebot an Kneipp-Kuren und -Anwendungen.
Auch Kneipp hat’s gewusst
Das ganzheitliche Konzept, das Sebastian Kneipp vor 150 Jahren entwickelt hat, gleicht in vielem der chinesischen Naturheilkunde. Es basiert ebenso auf fünf Säulen: der Anregung des Immunsystems durch äußere Reize (vor allem durch Wasser, aber nicht nur), Heilkräutern (in der Tradition von Hippokrates, Paracelsus oder Hildegard von Bingen), Bewegung, gesunder und vollwertiger Ernährung sowie der „Ordnungstherapie“, heute würde man sagen einem gesundheitsfördernden, stressreduzierten Lebensstil. Und der kann viel bewirken.
„Achtzig Prozent der Erkrankungen in Deutschland sind chronische Leiden“, bestätigt Professor Dr. Wühr, „und die resultieren meist aus einem ungesunden Lebensstil.“ Deshalb gibt die TCM-Klinik auch dafür Tipps und Anregungen und entwickelt für Patienten individuelle Programme für einen gesunden Lebensstil. Sie basieren auf TCM sowie Kneipp und werden durch Vorträge, Gesundheitscoaches oder mehrmonatige Trainingsbegleitung via Web vermittelt.
Und jetzt die Arme baden!
Eine Stunde ist seit dem Fußbad vergangen. Genau die richtige Zeit, die Arme auf Tauchgang zu schicken. Pritzl verrät, wie man das nach Kneipp richtig macht: „Einatmen, ausatmen, dann mit dem rechten Unterarm eintauchen, gleich danach mit dem linken.
Nun die Unterarme im Wasser umeinander kreisen, dabei die Finger bewegen und so lange im Wasser bleiben, bis man den Reiz spürt und die Haut spannt“, so die Gesundheitstrainerin, „zwanzig, dreißig Sekunden genügen, dann die Arme aus dem Becken nehmen. Wasser abstreifen und den Nacken befeuchten.“ Fertig. Das erfrischt, belebt und regt das Immunsystem an – und könnte sicher auch Meister Ma und dem Qi gefallen!
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Dagegen hilft die Traditionelle Chinesische Medizin
In die Kötztinger Klinik kommen meist Patienten, die seit längerem unter Beschwerden leiden und schulmedizinisch oft austherapiert sind. TCM eignet sich auch gut bei akuten Erkrankungen und zur Prävention. Abgesehen von chirurgischen Eingriffen, sind Indikationen für eine TCM-Therapie: Erkrankungen von Stütz- und Bewegungsapparat, Magen-Darm-Trakt und Atemwegen, funktionelle Schmerzzustände, Nervenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, hormonell bedingte Erkrankungen und Hautkrankheiten.
Da tut Kneipp gut
Bei folgenden Krankheitsbildern hilft eine Kneipp-Kur: Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen, Allergien, Nervöse Störungen und Nervenleiden, Schlafstörungen, Rheumatische und degenerative Erkrankungen und Stoffwechselerkrankungen.
Highlights und Sehenswürdigkeiten in Bad Kötzting
1. TCM-Klinik
Verbindet psychosomatische und Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), stationär und ambulant. Beseitigung chronischer Störungen. Stärkung der Selbstheilungsfähigkeit. Prävention.
tcm.info
2. Individuelles Gesundheitsmanagement Sinocur
Das Lebensstilprogramm Sinocur (Sino = TCM, Cur = Kneipp-Anwendungen) verbindet Traditionelle Chinesische Medizin mit Kneippanwendungen. Die Ziele: Stressmanagement zur Burnout-Prävention, Gewichtsregulation (meist Abnahme) und gesunder, erholsamer Schlaf.
sinocur.de
3. „Vollwertiges“
Thomas Wagerer, Chefkoch der TCM-Klinik hat in dem Buch Rezepte nach westlichen und traditionell chinesischen medizinischen Gesichtspunkten zusammengestellt. Auch mit vielen Informationen über TCM und das Klinikangebot.
tcm.info
4. Kneippen in Bad Kötzting
Kneippverein und Kur- und Gästeservice bieten umfangreiches Gesundheitsprogramm an. Ausgebildete Trainer und Gesundheitscoaches leiten Kurse und Anwendungen. Zweimal pro Woche kostenlose öffentliche Beratung und Anleitung im Kurpark Auwiesen.
bad-koetzting.de | kneippverein-bad-koetzting.de
5. Kurpark Auwiesen
Größter Kurpark in Ostbayern. Fünf Kilometer Spazierwege, Kneippeinrichtungen, Freilauftheater mit Kurterrasse, Kinderspielplatz, Kiosk, Minigolfanlage und vieles mehr. Im Sommer Kurkonzerte im Pavillon. Zentral gelegen und gut erreichbar.
6. Hotel „Zur Post“
Das familiengeführte Hotel „Zur Post“ liegt zentral und nah zu Klinik und Kurpark, zur TCM-Ambulanz sind’s wenige Fußminuten. Mit eigener Mini-Brauerei. Im Biergarten kann man das Storchengeklapper vom nahen Rathaus hören.
posthotel-bad-koetzting.de
7. Gscheidhaferl
Gleich neben dem Hotel „Zur Post“ liegt die kleine Kaffeerösterei Gscheidhaferl mit Ausschank.
gscheid-haferl.com
8. Konzerthaus und See in Blaibach
Preisgekrönter moderner Konzertsaal in dörflichem Ambiente. Die Fassade aus Granitsteinen erinnert an Blaibachs Vergangenheit als Steinbauerdorf. Wie ein gekippter Kubus gräbt sich der Bau in die Erde. Stausee mit schöner Liegewiese, Bootsverleih sowie Kiosk und Biergarten. Circa zehn Autominuten westlich von Bad Kötzting.
kulturgranit.de
9. Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt
Göttliche Hilfe und Beistand anrufen kann man in der kleinen barocken Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt. Sie liegt auf einem Hügel über dem Tal des Weißen Regen. Sehenswert und eine Besonderheit ist die schmuckvolle Kanzel in der Form eines Schiffs, Fünf Autominuten südlich von Bad Kötzting.
wallfahrtskirche-weissenregen.de
10. Galerie im Woferlhof
Moderne und zeitgenössische Kunst in toller Location, einer wunderschön renovierten alten Scheune. Galeristin Dr. Elisabeth Lerche zeigt ein breites Spektrum abstrakt-expressiver und figürlicher Malerei und Skulptur von regionalen und überregionalen Künstlern. Wettzeller Straße 207, sechs Autominuten südöstlich von Bad Kötzting.
galerie-im-woferlhof.de